Berliner Linkspartei greift palästinasolidarische Aktivist:innen an
Die Führung der Partei Die Linke versuchte, eine Resolution zu verabschieden, in der sie ihre bedingungslose Unterstützung für Israel zum Ausdruck brachte. Als Delegierte auf einem Parteitag in Berlin Einwände erhoben, führte dies zu einem Skandal. Nun greift die rechte Presse Palästinenser:innen und Trotzkist:innen innerhalb der Partei an.
Die deutsche Partei Die Linke verliert eine Wahl nach der anderen, und es ist zweifelhaft, dass die Partei noch lange existieren wird. Am vorletzten Freitag erlebte die Linkspartei einen weiteren Eklat – einen, der zeigt, wie die Partei sich selbst zerstört hat, indem sie jedes linke Prinzip verraten hat.
Auf einem Kongress der Berliner Organisation stürmten mehrere führende Mitglieder aus Protest aus dem Raum. Darunter waren Klaus Lederer und Elke Breitenbach, ehemalige Mitglieder des Berliner Senats, und Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestags.
Relativierung
Sie wollten eine lange Resolution verabschieden, die angeblich gegen Antisemitismus gerichtet war: „Gegen jeden Antisemitismus – für die Verteidigung der Emanzipation und der universellen Menschenrechte!“ Wie bei jedem bürgerlichen Politiker in Deutschland, der über Antisemitismus spricht, machte der Text jedoch deutlich, dass sie bedingungslose Solidarität mit der extrem rechten Regierung Israels forderten. Als Beispiele für angeblichen Antisemitismus verwies der Text auf Graffiti an antideutschen Veranstaltungsorten wie zum Beispiel dem Club „About Blank“. Im Gegensatz dazu wird in dem Text nicht auf eine Welle von Polizeigewalt gegen linke Juden:Jüdinnen bei Palästina-Demonstrationen eingegangen. Petra Pau hat jüdische Aktivist:innen öffentlich angegriffen, weil sie Israel nicht ausreichend treu seien.
Der Resolutionsentwurf warf Linken vor, einen „Eliminatorischen Antisemitismus“ zu unterstützen. Dieser Begriff bezieht sich auf den Völkermord der Nazis, bei dem alle Menschen, die sie als Juden:Jüdinnen definierten, vernichtet werden sollten. Wie die Mehrheit der Delegierten auf dem Kongress betonte, ist es nicht nur sachlich falsch und zutiefst beleidigend, diesen Begriff auf Demonstrant:innen – unter anderem auch jüdischen Demonstrant:innen – anzuwenden, die ihre Solidarität mit Palästina zum Ausdruck bringen, sondern stellt auch eine Relativierung oder Verharmlosung des Holocaust dar. Indem deutsche Politiker:innen den 7. Oktober mit dem Völkermord der Nazis gleichsetzen, spielen sie die beispiellose Barbarei der Verbrechen der Nazis herunter.
Nachdem der Entschließungsantrag mehrmals geändert worden war, zog Lederer ihn vollständig zurück und stürmte mit etwa 40 Anhänger:innen aus dem Raum.
Während des mehr als ein Jahr andauernden genozidalen Angriffs Israels auf Gaza mit mehr als 40.000 bestätigten Toten und zehn- oder sogar hunderttausend weiteren wahrscheinlichen Todesopfern hat sich Die Linke keineswegs wie eine linke Partei verhalten. Lederer und andere aus dem rechten Flügel der reformistischen Linken haben die deutsche „Staatsräson“ energisch verteidigt: Diese Deutschlands verlangt bedingungslose Unterstützung für Israel, auch wenn dies von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt wird. Lederer ging sogar so weit, die rechte Regierung Berlins ausdrücklich beim Verbot eines Palästina-Kongresses vor einem halben Jahr zu unterstützen.
Andere, eher linksgerichtete Mitglieder der Partei Die Linke haben geschwiegen – darunter ehemalige Radikale wie die Ko-Vorsitzende der Partei, Janine Wissler. Die einzige deutsche Politikerin, die auch nur ein wenig aus der Reihe der einhelligen Unterstützung für Israel tanzt, ist die Sozialchauvinistin Sahra Wagenknecht. In den meisten Fragen steht sie weit rechts von der Partei Die Linke, aber als einsame Stimme in der politischen Kaste Deutschlands hat sie das Abschlachten von Zivilist:innen verurteilt und ein Waffenembargo gegen Israel gefordert.
Denunziation
Nach dem Eklat am vergangenen Wochenende haben rechte Medien in Berlin eine bösartige Denunziationskampagne gegen „Antisemit:innen“ in der Partei Die Linke gestartet – und damit alle gemeint, die Netanjahu kritisieren. Der linke Flügel der Partei konzentriert sich auf das migarntische Neukölln, und der Tagesspiegel griff den kurdischen Aktivisten Ferat Kocak an, ein Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, dessen Familie bei einem Brandanschlag von Neonazis fast getötet wurde.
Die Kampagne richtet sich insbesondere gegen Ramsis Kilani, einen deutsch-palästinensischen Aktivisten in Berlin, der auch Mitglied der Partei Die Linke ist. Im Jahr 2014 wurden sein Vater und fünf Geschwister bei einem israelischen Angriff in Gaza ermordet. Der Tagesspiegel berichtete, dass Kilanis Familie „nach seinen Angaben“ getötet wurde, aber es gibt tatsächlich zahlreiche Berichte, darunter einen bewegenden Dokumentarfilm über das Massaker.
Der Tagesspiegel hat Zitate grob verfälscht und behauptet, Kliani habe gesagt: „Es wird mehr als einen Mord an Israelis brauchen.“ Kilani hat jedoch Screenshots eines Austauschs mit einem Fremden auf Instagram bereitgestellt, in dem er gefragt wurde, ob er „die palästinensische Bevölkerung für einen Mord an Israelis opfern“ wolle. Darauf antwortete er: „es wird mehr als einen ‚Mord an Israelis‘ brauchen“ – ein Zitat, das nicht nur aus dem Zusammenhang gerissen, sondern durch das Weglassen der Anführungszeichen aktiv verzerrt wird. Der Tagesspiegel hat bereits Gerichtsverfahren verloren, weil er Falschmeldungen über palästinasolidarische Aktivist:innen verbreitet hat – wir werden sehen, ob diese Lüge rechtliche Konsequenzen haben wird.
Verlassen
Diese jüngste Krise erinnert daran, dass Die Linke eine Partei ist und immer war, die sich dem kapitalistischen Staat verpflichtet fühlt. Leute wie Lederer und Pau unterstützen nicht nur den Völkermord, sondern waren auch Teil von Regierungen, die Privatisierungen, Abschiebungen und Zwangsräumungen durchgeführt haben. Vor dem Hintergrund eines Rechtsrucks der Eliten betonen die führenden Figuren der Linken, dass sie mit dem rassistischen Strom schwimmen können.
Auf Twitter warf Pau Kilani vor, er wolle „unsere Linke zerstören“ – aber Kilani antwortete, dass die Parteiführung die Partei selbst ziemlich gut zerstört habe, da sie derzeit weit unter der 5-Prozent-Hürde liegt. Das liegt daran, dass eine Partei, die sich „Die Linke“ nennt, – völlig zu Recht – als Teil des kapitalistischen Establishments wahrgenommen wird.
Kilani ist Mitglied der trotzkistischen Gruppe Sozialismus von Unten (SvU), die letztes Jahr nach einer Dreier-Spaltung im Netzwerk Marx21 entstand. 15 Jahre lang arbeiteten sie als Teil der Partei Die Linke, aber vor kurzem zogen sie sich zurück, mit einem Bein innerhalb und einem Bein außerhalb der Partei.
Als Klasse Gegen Klasse haben wir nie ein Geheimnis aus unseren Differenzen mit revolutionären Sozialist:innen gemacht, die innerhalb einer reformistischen Partei wie der Linken arbeiten. Alle Genoss:innen in der Linken, die wegen ihres Antikriegsaktivismus denunziert werden, haben unsere uneingeschränkte Solidarität.
Aber wir freuen uns auch, dass die Genoss:innen von SvU auf dem Weg aus dem reformistischen Sumpf sind. Wir sind der Meinung, dass revolutionäre Sozialist:innen daran arbeiten sollten, eine klare Alternative zur Linken aufzubauen. Die Zeit ist reif für die Bildung einer Front, die auf Antikapitalismus, internationaler Solidarität und Klassenunabhängigkeit basiert. Wir würden gerne mit SvU über die Möglichkeiten einer gemeinsamen Arbeit sprechen.
Die aktuelle Krise wird dazu beitragen, ehrliche Sozialist:innen, die noch in der Partei Die Linke sind, von ihrer verhassten Führung zu trennen – und sie könnte dazu beitragen, eine sichtbare revolutionäre Alternative zu schaffen, die in Deutschland dringend benötigt wird.