Berliner Linksjugend fordert Rücktritte nach Skandal im Bundesrat

Nachdem die Länder mit Regierungsbeteiligung der Linkspartei im Bundesrat für die Kriegskredite der kommenden Merz-Regierung gestimmt haben, rumort es in der Partei. Die Berliner Parteijugend fordert Konsequenzen.
In einem offenen Brief wandte sich die Linksjugend [’solid] Berlin gestern auf Instagram an die Senator:innen und Minister:innen ihrer Partei in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Jene hatten am Freitag im Bundesrat der Lockerung der Schuldenbremse für Militärausgaben zugestimmt (wir berichteten). Der Brief fordert sie auf, von ihren Posten in den jeweiligen Landesregierungen zurückzutreten und aus der Partei Die Linke auszutreten.
Der Landessprecher:innenrat der Linksjugend [’solid] Berlin gehörte zu den Unterzeichner:innen des Aufrufs „Sage Nein“, der zu einem Nein bei der Abstimmung im Bundesrat aufgerufen hatte. Während darin keine Konsequenzen angedeutet waren, geht die Berliner Gliederung der Parteijugend nun einen Schritt weiter.
Der offene Brief macht die angesprochenen Regierungsmitglieder dafür mitverantwortlich, „dass Deutschland massiv aufrüstet“. Dort heißt es weiter:
„Wir müssen den Zeitgeist verändern. Euer Abstimmungsverhalten dagegen legitimiert die Aufrüstung und verhindert, dass wir glaubwürdig gegen Aufrüstung in der Gesellschaft argumentieren können.“
Der Brief argumentiert darüber hinaus auch grundsätzlicher gegen die Beteiligung an kapitalistischen Regierungen. Man müsse dringend darüber reden, was Regierungsbeteiligung und Parlamentarismus für eine sozialistische Partei bedeuten und welche Strategie man dort verfolge, so die Verfasser:innen. Das Statement schließt mit der Parole: „Nieder mit dem Krieg, nieder mit Eurer Regierung!“
Angehängt ist ein längeres Zitat der Revolutionärin Rosa Luxemburg aus dem Jahr 1898:
Nur weil wir keinen Schritt von unserer Position weichen, zwingen wir die Regierung und die bürgerlichen Parteien, uns das Wenige zu gewähren, was an unmittelbaren Erfolgen zu erringen ist. Fangen wir aber an, im Sinne des Opportunismus, dem ‚Möglichen‘ unbekümmert um die Prinzipien und auf dem Wege staatsmännischer Tauschgeschäfte nachzujagen, so gelangen wir bald in die Lage des Jägers, der das Wild nicht erlegt und die Flinte zugleich verloren hat.
Kann die Parteiführung die Diskussion beschwichtigen?
In den Kommentaren unter dem Post auf Instagram bekunden bereits zahlreiche Einzelpersonen und weitere Gliederungen der Parteijugend ihre Zustimmung. So lobt etwa die Linksjugend [’solid‘] im Landkreis Dahme Spreewald „diese gute Positionierung“.
Vereinzelt gab es auch Kritik. Ein linker Kommunalpolitiker beklagte in einem Kommentar, jetzt werde wieder öffentlich gegen Genossen geschossen statt intern die Debatte zu suchen. Wegen solchen „öffentlichen Schlammschlachten“ sei die Partei „in der Scheiße“ gewesen.
Eine ähnliche Haltung nahm auch die Co-Parteivorsitzende Ines Schwerdtner ein. In einer Instagram-Story teilte sie Auszüge aus einem Artikel der taz mit Zitaten des Bundesgeschäftsführers Janis Ehling. Ehling versuchte darin, das Abstimmungsverhalten zu rechtfertigen, sagte aber auch: „Konsequenterweise hätte aus Sicht der Bundespartei auch eine Ablehnung im Bundesrat erfolgen müssen.“ In einer Partei, so fügte Schwerdtner an, klärten sich Positionen auf Parteitagen, nicht auf Social Media.
Es wird abzuwarten bleiben, ob ihre Partei ihr diesen Gefallen tun wird. Lang dauert es nicht mehr, bis die Debatte auch auf einem Parteitag geführt wird: Ab 9. Mai kommt die Partei dazu in Chemnitz zusammen. Ein weiterer Unruheherd könnte die Positionierung zur Bewegung für die Befreiung Palästinas werden. Bislang war es der Parteiführung weitgehend gelungen, dieses in der Partei höchst kontroverse Themen zu vermeiden. Eine Rolle in einer Bewegung gegen die Aufrüstung wird die Partei kaum spielen können, wenn sie eine klare Positionierung gegen den Genozid in Gaza weiter vermeidet.