Berliner Belegschaften für Vermögensabgabe der Superreichen
Tausende Beschäftigte sind aktuell in Berlin in Tarifauseinandersetzung. Sie sind die Lügen der Regierung, dass kein Geld da sei, satt. Sie fordern, dass die Superreichen für die Kosten ihrer Forderungen aufkommen sollen.
Die ersten Warn- und Arbeitsstreiks in Berliner Betrieben laufen auf Hochtouren. Seien es die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Berliner Kliniken (Vivantes, Charité, JKB) oder die Berliner Stadtreinigung (BSR) und Berliner Wasserbetriebe (BWB): Tausende sind bereit für eine härtere Konfrontation gegen die Kürzungspolitik der Regierung und für kräftige Lohnsteigerungen. Dabei soll eine neue politische Kampagne diese Tarifrunden begleiten.
In etlichen Tarifrunden merken wir als Beschäftigte, dass eine Drohkulisse gegen uns aufgebaut wird. Es heißt immer, dass Lohnerhöhungen zu Einsparungen woanders führen: Manchmal beim Personal, manchmal bei Investitionen. Nicht selten werden unterschiedliche Bereiche wie Nahverkehr oder Kitas gegenseitig ausgespielt. Für Einsparungen seien „hohe Tarifabschlüsse anderswo“ verantwortlich.
Das sind natürlich dreiste Lügen einer Regierung, die die tatsächlichen Verhältnisse verschleiern will. In der Realität sind die Kürzungen nicht eine Folge von Tarifsteigerungen, sondern Folge einer Politik, die durch diese Kürzungen die Gewinne der Kapitalist:innen finanziert. Solange also, wir nicht deutlich sagen, wo das Geld für unsere Forderungen herkommen soll, ist es für die Regierung leicht, weiter an allen Ecken zu kürzen.
Reiche zur Kasse!
In diesem Sinne ist die Kampagne „Guter Öffentlicher Dienst für alle? Wer soll das bezahlen?“ von ver.di Berlin und der Berliner Arbeitskampfleitung im öffentlichen Dienst, die aus ehrenamtlichen Streikleitungen besteht, lanciert worden. Dabei hat die Kampagne drei Hauptforderungen, die ich kurz kommentieren will:
Vermögensabgabe für Superreiche
Nur 130 Milliardären-Familien besitzen in Deutschland ein Vermögen von mehr als 500 Milliarden Euro. Ein Vermögen, das entweder von Nazi-Industriellen geerbt worden ist oder durch die Aneignung des Reichtums, den die Arbeiter:innen produzieren, angehäuft wurde. Ein Vermögen, das eine direkte Folge von Ausbeutung und Unterdrückung Millionen von Menschen ist.
Einführung einer Vermögenssteuer, Steuererleichterungen für untere und mittlere Einkommen
Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland besitzen circa zwei Drittel des gesamten Privatvermögens in Deutschland. Das sind alleine sechs Billionen, also 6.000 Milliarden (!) Euro Geldvermögen. Hinzu kommen die ganzen Immobilien, die diese Reichen besitzen und mit denen, im Wert von weiteren Millionen Euro. Die ärmere Hälfte der gesamten Bevölkerung Deutschlands besitzt nur ein bis drei Prozent und kämpft täglich ums Überleben, während einige Wenige im Reichtum schwimmen. Daher sollen die Geringverdiener:innen entlastet werden, während Großvermögen besteuert werden soll.
Aussetzen der Schuldenbremse: Investieren statt kaputtsparen
Als letzte Forderung erhebt ver.di Berlin massive Investitionen für Soziales, Bildung und Gesundheit, sowie das Aussetzen der Schuldenbremse. In den Debatten der letzten Monate haben wir gesehen, dass diese für massive Investitionen in Aufrüstung (Blutiges Geschäft des Tötens) ausgesetzt werden konnte.
Wie können wir diese Forderungen durchsetzen?
Alle drei Forderungen sind im Kern richtig, wobei man überhaupt keine neuen Schulden mehr benötigen würde, wenn Großvermögen tatsächlich versteuert und Abgaben für Investitionen verwendet werden.
Es ist eine gute Entwicklung, dass die Führung unserer Gewerkschaft ver.di Berlin die Frage des Vermögens in Tarifrunden endlich mehr thematisiert. Am ersten Tag der kommenden beiden Warnstreiktage im öffentlichen Dienst, die vom 13. bis zum 14. Februar angekündigt wurden, soll diese Frage im Zentrum stehen. So soll die Großdemonstration am 13. Februar um 10 Uhr vor dem Bundesfinanzministerium starten.
Damit jedoch tatsächlich Druck auf die Bundesregierung für diese drei Forderungen entsteht, braucht es mehr als diese Demonstration der Streikenden.
Einerseits muss diese Großdemonstration nicht eine reine Streikdemonstration der TVöD-Runde bleiben, sondern sollte eine politische Demonstration aller Arbeiter:innen und Befürworter:innen der Forderungen sein, die von Streikenden angeführt werden. Andere Belegschaften wie die der BVG oder der Bahn, die keine Friedenspflicht haben, müssen mit zum Streik aufgerufen werden. Die Demonstration sollte, angefangen mit dem #BerlinStehtZusammen-Bündnis, von einer Vielzahl an sozialen Initiativen und linken Organisationen mitgetragen werden.
Andererseits ist es eindeutig, dass eine einzelne Aktion nicht in der Lage sein wird, genug Druck zu erzeugen. Damit eine langfristige politische Bewegung daraus entstehen kann, braucht es weitere regelmäßige Aktionen. Insbesondere an Streiktagen könnten Strukturen als eine Art Aktionskomitee unterschiedlicher Sektoren und Schichten der Arbeiter:innen und Bevölkerung gebildet werden. Diese können die Form von gemeinsamen Streikversammlungen, Stadt- und Kiezversammlungen einnehmen.
Krisenzeiten bedürfen radikaler Antworten
Die größte Gefahr und Hürde vor der Entstehung einer solchen Bewegung ist, dass die etablierten Parteien versuchen, diese Kämpfe zu bremsen und deren Durchsetzung als eine reine parlamentarische Gelegenheit darzustellen.
Was wir jedoch überall auf der Welt sehen, ist, dass keine Regierung oder Kraft aus dem Parlament heraus schaffen kann und schafft, solche drastischen Vermögensabgaben durchzusetzen, die den Superreichen tatsächlich wehtun. Wir sehen, dass selbst Regierungen, mit Beteiligung der LINKE in Berlin oder Thüringen, massiv im öffentlichen Dienst Kürzungen vorgenommen haben. Warum soll es nun anders sein?
Gerade jetzt, wo die Wirtschaft in Deutschland stagniert, die Profite der Kapitalist:innen im Durchschnitt sinken, können wir nicht erwarten, dass selbst eine symbolische Vermögenssteuer rein aus dem Parlament heraus durchgesetzt werden kann. Die notwendigen massiven Vermögensabgaben und drastischen Vermögenssteuern müssen durch Aktionen der Betriebe und Arbeiter:innen erzwungen werden.
Wie kann das aussehen? Indem die Belegschaften der Industriebetriebe, wie VW, Siemens und Co. mit in den Kampf einsteigen und genau da wehtun, wo es wehtun muss – nämlich bei den Großkapitalist:innen. Betriebsbesetzungen und Störung der Produktion in der verarbeitenden Industrie sind in Kombination mit Streiks in strategischen Sektoren im öffentlichen Dienst wie BVG oder BSR der Schlüssel, um das Großkapital zu Kompromissen zu zwingen und ihr Vermögen zu enteignen. Die kollektive und vereinigte Aktion all dieser Sektoren hätte die Macht, die notwendige Enteignung durchzusetzen.
Hebamme Leonie Lieb und Sozialarbeiter:innen Inés Heider und Franziska Thomas, die anhand einer gemeinsamen Kampagne in Berlin und München zu den Bundestagswahlen antreten, vertreten genau eine solche Perspektive. Sie sind alle Gewerkschaftsmitglieder, sind in Tarifbewegungen aktiv und stehen für die Enteignung des Großvermögens und Abschaffung der Milliardäre!
Das Wort „Enteignung“ mag für manche Ohren zu hart klingen, jedoch ist das genau das, was die Kapitalist:innen und Superreichen in Deutschland tagtäglich tun: Sie enteignen uns Arbeiter:innen. Sie machen unsere Wohnungen zu Waren, für die wir Mieten zahlen müssen. Sie stehlen einen großen Teil der Werte, die wir auf der Arbeit produzieren, als Profit und lassen unsere Löhne stagnieren. Wenn wir also von Enteignung des Großvermögens reden, geht es also in der Tat nur darum, dass wir zurückholen, was von uns gestohlen wurde. In diesem Sinne denke ich, dass es auch keine Entschädigung braucht, wenn das Vermögen der Großkapitalist:innen durch massive Vermögenssteuern oder Abgaben enteignet wird.
Ein Diebstahl, der durch unser aktuelles Wirtschaftssystem den Vermögenden durch das Recht auf Eigentum von Produktionsmitteln (Fabriken, Unternehmen, usw.) ermöglicht wird. Die sogenannte „unternehmerische Freiheit“ bedeutet also zugleich „Unfreiheit der Lohnabhängigen“. Im Gegenzug muss also diese Freiheit der Ausbeuter angegriffen werden, andere auszubeuten und ein Vermögen zu akkumulieren, wenn die bisher Ausgebeuteten sich die eigene „Freiheit“ ergreifen wollen.
Yunus Aktaş ist Pfleger und ver.di-Mitglied bei der Berliner Krankenhausbewegung. Politisch engagiert er sich bei der Arbeiter:innenzeitung Klasse Gegen Klasse.