Berlin: Polizei erschießt Frau in ihrer Wohnung

26.01.2020, Lesezeit 4 Min.
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Ein vierköpfiges Polizeikommando erschoss am Freitag eine 33-jährige Frau in ihrer Berliner WG. Ein weiterer Fall von extremer Polizeigewalt. Bei einer Demonstration am Samstagabend kam es zu erneuten Polizeiangriffen und Festnahmen.

Bild: Twitter

Am Freitagmorgen wurde die 33-jährige Maria B. von einem Polizisten erschossen. Die Generalstaatsanwaltschaft teilte auf Twitter mit, dass der Mitbewohner der verstorbenen Frau die Polizei rief und angab, von ihr bedroht worden zu sein. Die Generalstaatsanwaltschaft und die Polizei Berlin meldeten, die Frau habe der Polizei gegenüber am Einsatzort Widerstand geleistet, als diese versuchte, sich Zugang zu dem Zimmer der Frau zu verschaffen. Die Situation sei „unübersichtlich“ gewesen, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Die Frau sei den Polizisten mit einem Messer entgegengekommen, woraufhin ein Polizist sie mit einem Schuss in den Oberkörper tötete. Das habe die Obduktion ergeben.

Der Einsatz und die Tötung von Maria durch die Polizei werfen Fragen auf. Wie kann es sein, dass die Polizei unfähig ist, in einer solchen Situation deeskalativ zu handeln? Warum schießt die Polizei in den Oberkörper? Ist es glaubwürdig, dass mehrere Polizisten einer Frau gegenüber, von der Martin Steltner laut taz nicht ausschließen kann, dass sie psychische Probleme hatte oder unter dem Einfluss von Drogen stand, keine anderen Möglichkeiten hat, die Situation unter Kontrolle zu bekommen, als ihr in den Oberkörper zu schießen?

Am Samstag abend fand in Friedrichshain eine Spontandemonstration zur Wohnung von Maria statt, wo Kerzen und Blumen abgelegt wurden. Danach zog die Demonstration zum Boxhagener Platz. Laut Informationen auf dem linken Nachrichtenportal Indymedia soll es dort zu einem Angriff der Polizei und mehreren Festnahmen gekommen sein.

In demselben Artikel wird auch Marias Einbindung in den Kiez beschrieben: „Maria war im Kiez um den Boxhagner Platz meist mit ihrem Fahrrad und ihrem schwarzen Hund unterwegs. Dass sie wohl auch politisch aktiv war, dafür sprechen die Antifafahnen in ihrer Wohnung, unter denen sie starb. Viele kannten sie vom sehen und auf dem Boxi wurde die Meldung über ihren Tod schockiert aufgenommen. Wie jeder Mensch hatte sie bessere und schlechtere Phasen. Dass sie jetzt durch ein vierköpfiges Sturmkommando in Notwehr erschossen werden musste, glaubt niemand, denn ein anstupsen hätte sie zu Fall bringen können. Der Satz fällt: „Es war eigentlich eine Exekution.““

Die Heuchelei der Polizei

Die Gewerkschaft der Polizei Berlin (GdP) teilte auf Twitter mit: „Kein Polizist schießt gern. Derartige Situationen sind eine enorme psychische Belastung, da binnen Sekundenbruchteilen die richtigen, wenn auch folgenschweren Entscheidungen getroffen werden müssen.“

Die Entscheidung war aus dem gleichen Grund folgenschwer, aus dem sie auch nicht richtig war: Ein Mensch wurde umgebracht. Zu der tragischen Tatsache des Todes an sich kommt die Tatsache, dass die Polizei Täter ist – eine Institution, deren Machtstellung, Gewaltpotential und demnach auch Verantwortung niemals vergleichbar ist mit der Position einer Privatperson, von der darüber hinaus nach der Information des Mitbewohners damit zu rechnen war, dass sie mindestens wehrhaft sein würde.

Die GdP teilte weiterhin mit, den Einsatz genau zu untersuchen, aktuell aber davon auszugehen, die Polizisten hätten sich richtig verhalten. Das wundert nicht, wären schließlich ein neues Selbstverständnis und grundlegende, strukturelle Veränderung seitens der Polizei nötig, um in Situationen wie dieser zu deeskalieren und Menschenleben zu schützen, anstatt tödlich und unter dem Vorwand der Notwehr zu handeln.

„Einzelfall!“, hört man in solchen Situationen. Doch tödliche Polizeieinsätze sind keine Einzelfälle, auch Einzelpersonen gegenüber nicht, die unter Umständen psychische Probleme haben oder unter Drogeneinfluss stehen und dadurch besonders schutzlos sind, auch wenn potentiell Gefahr von ihnen ausgehen könnte. Einige Beispiele aus Berlin: Im Sommer 2013 ging im Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus ein schizophrener Mann mit einem Messer auf einen Polizisten zu und wurde erschossen. 2016 wurde ein Mann an einer Geflüchtetenunterkunft von der Polizei erschossen, als er eine andere Person angriff. Im Januar 2017 wurde ein psychisch kranker und offensichtlich verwirrt wirkender Mann in Hohenschönhausen erschossen, nachdem er sich erst selbst verletzen wollte und als Reaktion auf den Einsatz die Polizisten angriff.

Hat die Polizei keine Strategie oder kein Interesse daran, deeskalierend zu reagieren? Fatal wäre beides.

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