Berlin: Hunderte Studierende in Vollversammlung gegen soziale Krise
Am Donnerstag fanden sich knapp 500 Studierende aller Berliner Hochschulen im Emil Fischer Hörsaal der HU ein, um im Rahmen einer Vollversammlung, organisiert durch die Hochschulgruppe „Genug ist Genug“, eine gemeinsame kämpferische Antwort auf die aktuelle Krise zu formulieren.
„Genug ist Genug“ ist das deutsche Pendant zu der in Großbritannien gegründeten Bewegung „Enough is Enough“, die bereits im letzten Sommer größere Streiks und Proteste gegen die Teuerungen organisiert hat. Ins Leben gerufen wurde die Bewegung hier vom Jacobin Magazin, aber auch mit Unterstützung der GEW Berlin und zwei Fachbereichen von ver.di Berlin. Die sechs zentralen Forderungen lauten: 1000 Euro Wintergeld, Verlängerung des 9-Euro Tickets, höhere Löhne, Preisdeckel für Strom und Gas, demokratische Vergesellschaftung der Energiekonzerne und eine Übergewinnsteuer für Krisenprofiteure. Auch Klasse gegen Klasse beteiligte sich von Beginn an an der Vernetzung.
Seit Beginn des Wintersemesters kamen Studierende in der Genug is Genug-Hochschulgruppe zusammen, um ihre Kommiliton:innen von einer gemeinsamen Organisierung gegen die Krise zu überzeugen. Die Vollversammlung konnte hierbei ein wichtiger Schritt sein, um hunderte Studierende an allen Berliner Hochschulen zu erreichen.
Zu Beginn der Veranstaltung wurden Solidaritätsbekundungen von Beschäftigten in der Krankenhausbewegung, der DWE Kampagne, Aktivist:innen aus Lützerath und Studierender andere Städte eingebracht. Daran anschließend diskutierten die Anwesenden über die schlechte Lage der Studierendenschaft. Die Inflation befindet sich auf einem enorm hohen Stand von 8,4 Prozent, besonders überproportional stark steigen aber Lebensmittelpreise und Energiekosten, auch ein WG-Zimmer kostet inzwischen im Durchschnitt 550 Euro. Die Folge: 38 Prozent der Studierenden lebten bereits 2021 unter der Armutsgrenze, eine Zahl, die heute, nach einem Jahr Energiekrise, weitaus höher sein dürfte. Dazu kommen noch die prekären Arbeitsbedingungen unter den Studentischen Hilfskräften (SHKs), die den Betrieb an den Unis aufrechterhalten und dafür gerade einmal 13,01 Euro Stundenlohn bekommen.
Daraufhin wurden die Forderungen diskutiert. Der Leitantrag beinhaltete Forderungen für finanzielle Entlastung von Studierenden, unter anderem durch die erhöhung des Bafög-Satzes auf mindestens 1400 Euro, bezahlbaren Wohnraum durch die Umsetzung des Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“, mehr Geld für Lehre und Forschung, Stärkere Mitbestimmung der Studierenden an den Unis, einen kostenlosen und ausgebauten ÖPNV und eine Rechenschaftspflicht der Hochschulleitungen gegenüber den Studierenden.
Als Klasse gegen Klasse war es uns möglich, drei Ergänzungsanträge vorzustellen, die allesamt mit großer Mehrheit angenommen wurden. Mit dem ersten Ergänzungsantrag stellt sich die Vollversammlung gegen Aufrüstung und Militarisierung und setzt sich für eine umfassende Zivilklausel an den Unis ein. Ebenso wird gefordert, die Werbung für Polizei und Bundeswehr auf dem Campus und darüber hinaus zu verbieten. In Berlin sollen der Bau der Polizeiwache am Kotti sowie des Abschiebezentrums am BER verhindert werden. Das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro wird abgelehnt und gefordert, dieses Geld in soziale Zwecke zu investieren.
Auch konnten wir einbringen, dass die Energiekonzerne entschädigungslos enteignet werden müssen und verkehrspolitischer Unsinn, wie die Privatisierung der Berliner S-Bahn und der Ausbau der A100 verhindert werden muss. Zudem brachte Yunus, Pflege-Azubi und aktiv in der Berliner Krankenhausbewegung, eine Resolution ein, die die sofortige Beendigung des Outsourings fordert. Durch Outsourcing im öffentlichen Dienst, wie in den Krankenhäusern, begeht der Senat Tarifflucht, spaltet die Belegschaft und verdammt viele Beschäftigten in die Prekarisierung und Altersarmut. Die Beschäftigten wehren sich seit vielen Jahren dagegen. Yunus betonte, dass es für ein Ende des Outsourcings nicht reiche, in die Senatsparteien zu vertrauen, sondern dass die Forderungen nur im Arbeitskampf erstreikt werden könnten. Mit viel Applaus wurde diese Resolution von einer großen Mehrheit angenommen.
Nach dem Verabschieden der Resolutionen kamen verschiedene Grußworte von kämpfenden Beschäftigten. Ein Kollege aus der Berliner Stadtreinigung (BSR) dankte für die Unterstützung und betonte, dass es auch darum ginge, bessere Bedingungen für die zukünftigen Jobs der Jugendlichen zu erkämpfen. Ein Pfleger der Berliner Krankenhausbewegung ermutigte alle Studierenden, die Streiks zu unterstützen und ebenso die Organisierung an den Unis voranzutreiben. Zum Abschluss sprach eine Studentische Beschäftigte der Kampagne TV-Stud: Wir müssten als Studierende an den Unis für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen und unsere Kommiliton:innen und Kolleg:innen unterstützen.
Die erste Vollversammlung war ein großer Erfolg und zeigt, dass es unter Studierenden den Willen gibt, etwas gegen die laufende Krise zu tun. Lasst uns dies als Ausgangspunkt nehmen, um eine große Bewegung für Massenmobilisierungen und politische Streiks auf die Beine zu stellen, damit die Kapitalist:innen für die Krise zahlen, die sie selbst verursacht haben!
Dazu rufen wir gemeinsam mit GiG auf, den Streik der TVöD am kommenden Donnerstag um 8:30 Uhr vor dem Abgeordnetenhaus tatkräftig zu unterstützen.