Bayern: Kriegsvorbereitung schlägt Wissenschaftsfreiheit

20.07.2024, Lesezeit 5 Min.
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Soll in Bayern künftig noch leichter möglich sein: Bundeswehr in Klassenzimmern. Bild: Filmbildfabrik / Shutterstock.com

Bayern treibt die Zeitenwende in Bildung und Forschung voran. Der Landtag hat beschlossen, Zivilklauseln zu verbieten und macht Forschung für den Krieg verpflichtend. Widerstand ist nötig.

Bevor sich der bayerische Landtag in die Sommerpause verabschiedete, haben die Abgeordneten beschlossen, den Freistaat weiter aufzurüsten. Am vergangenen Mittwoch verabschiedeten sie das „Gesetz zur Förderung der Bundeswehr“. Das Gesetz soll der Bundeswehr „ungehinderten Zugang“ zur universitären Forschung ermöglichen. Der Gesetzestext sieht vor, dass die Hochschulen mit Einrichtungen der Bundeswehr zusammenarbeiten müssen, wenn „dies im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich ist.“ Forschungsergebnisse dürfen dann generell auch für militärische Zwecke genutzt werden. Eine Beschränkung auf zivile Nutzung, also eine Zivilklausel, ist damit verboten. 

Das ist ein weiterer Schlag für die Wissenschaftsfreiheit. Kein:e Wissenschaftler:in an einer bayerischen Hochschule kann in Zukunft sicher sein, dass die eigene Forschungsleistung nicht den Kriegsvorbereitungen des deutschen Imperialismus zu Gute kommt. Dreist ist es, was sich der Abgeordnete Wolfgang Fackler (CSU) in der Eröffnungsrede der Debatte zusammenfantasierte. Wenn sich Universitäten mit einer Zivilklausel selbst verbieten, in alle Richtungen forschen zu dürfen, dann sei das eine Einschränkung ihrer Wissenschaftsfreiheit. 

„Jeder Bürger eines Staates ist auch der geborene Verteidiger dieses Staates“

Sogar mit einem Zitat des preußischen Militärtheoretikers Carl von Clausewitz wartete Fackler auf: „Jeder Bürger eines Staates ist auch der geborene Verteidiger dieses Staates.“ Damit begründete er eine Änderung des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesens. Fortan dürfen Karriereberater:innen und Jugendoffizier:innen der Bundeswehr ganz selbstverständlich in Schulen für den Krieg werben. 

Das Gesetz wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien CSU und Freie Wähler sowie den Stimmen der allzeit loyalen Sozialdemokratie beschlossen. Als Kritik fiel Markus Rinderspacher (SPD) nur ein, dass Forschungsergebnisse an NATO-Mitgliedsstaaten weitergegeben würden. „Ich denke an unseren NATO-Partner Ungarn; ihm möchte ich, zumindest im Moment, auf keinen Fall solche wissenschaftlichen Erkenntnisse aus bayerischen Hochschulen zukommen lassen.“ Gemeint war damit wohl, dass die bayerische Sozialdemokratie fürchtet, die Forschung käme letztlich Russland zu Gute.

Die Fraktion der Grünen stimmte dagegen. Als eine Ablehnung des Militarismus darf man die Abstimmung jedoch nicht verstehen. Das Gesetz sei verfassungswidrig, so Benjamin Adjei, weil es die Hochschulautonomie nicht achte. Unnütz sei es, weil es an keiner bayerischen Universität eine Zivilklausel gibt. Gleichzeitig lobte Adjei für seine Partei die Maßnahmen zur Kriegsvorbereitung der Bundesregierung. 

Die AfD-Fraktion enthielt sich und gerierte sich damit weiter als angebliche Friedenspartei. Dieter Arnold erklärte, seine Partei stehe für die Förderung und Stärkung der Bundeswehr: „Wir stehen fest und stolz an der Seite unserer Soldaten. Wir sind aber klar gegen diese politische Kriegstreiberei.“

Der Kampf gegen die Militarisierung geht weiter

Kritik hatte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vorgebracht. In einer ausführlichen Stellungnahme erklärte der bayerische Landesverband der GEW: 

Der sicherheitspolitische Kontext begründet die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht, noch begründen sich dadurch die vorgeschlagenen Änderungen im Bildungs- und Forschungsbereich. Die verfassungsrechtlichen Bedenken zur Freiheit von Forschung und Lehre bei Annahme und Umsetzung des Gesetzentwurfes und die pädagogischen Einwände gegen die Umsetzung der Zielstellung des Gesetzentwurfes im Wirkungsfeld von Schulen und damit bei Kindern und Jugendlichen lassen uns den vorliegenden Entwurf negativ bewerten.

Am 7. Juni hatte im Münchner Universitätsviertel eine Demonstration gegen das Gesetzesvorhaben stattgefunden. Dort sprachen neben Vertreter:innen verschiedener Fachschaften sowie der ver.di-Betriebsgruppe an der Technischen Universität München auch die Vorsitzende der GEW Bayern, Martina Borgendale. Der Großteil der Teilnehmer:innen kamen jedoch aus der Bewegung in Solidarität mit Palästina. Darunter waren zahlreiche Studierende, die sich in den vergangenen Monaten an dem Protestcamp vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität beteiligt hatten. Sie verstehen schließlich am besten, wofür die Rüstungsforschung in Deutschland in der Praxis eingesetzt wird. Deutschland ist nach den USA einer der wichtigsten Waffenlieferanten für Israel. Nötig ist es andersherum aber auch, dass die deutschen Gewerkschaften ihren internationalen Verbänden folgen und sich endlich für ein Ende des Mordens in Gaza einsetzen.

Was in Bayern nun beschlossen ist, könnte spätestens unter einer unionsgeführten Bundesregierung im ganzen Land drohen. In der Debatte betonte Wolfgang Fackler (CSU): „Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz hat Vorbildfunktion.“ In Bayern will die GEW nun versuchen, das Gesetz im Nachhinein noch per Klage zu verhindern. Zuvor hatte sie eine Petition gegen das Vorhaben mit über 1.500 Unterschriften vorgelegt. Ob eine Klage jedoch Aussicht auf Erfolg hat, ist völlig unklar. Umso dringender ist es, den Widerstand gegen die Militarisierung der Schulen und Hochschulen im ganzen Land zu organisieren und mit der Bewegung gegen den Genozid in Gaza zusammenzuführen. Die bereits existierende Vernetzung von Fachschaftsvertreter:innen mit Gewerkschaften kann hierfür einen Ansatz bieten. Nötig ist es aber, in den Gewerkschaften dafür einzutreten, dass sie nicht nur mit Petitionen und Klagen kämpft. Letztlich braucht es politische Streiks gegen die Militarisierung.

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