Bautzen: Das deutsche Regime schämt sich weniger für seine Nazis
Der rassistische Mob tobt in Bautzen und Schuld daran sind... die Geflüchteten. So jedenfalls die Lesart einiger führender Medien und Politiker*innen. Der öffentliche Diskurs wird rauer.
Ein rassistischer Mob tobt, die BILD titelt: „Der Ort, für den sich Deutschland schämt.“ Das war vor einem Jahr in Freital. Aber jetzt ist Bautzen. Die BILD schreibt: „Das Problem mit jungen Flüchtlingen!“ Die Stimmung hat sich in diesem Jahr merklich geändert. Medien und Politik übernehmen immer stärker den rassistischen Diskurs von AfD, Pegida und Co.. In der Berichterstattung zu Bautzen steht weniger im Mittelpunkt, dass Hunderte Nazis von Nah und Fern zusammenrotten und zur Jagd auf Geflüchtete verabreden. Schuld seien schon die Geflüchteten selbst, wenn sie „pöbelnd in der Stadt rumlungern“ – oder zumindest genauso Schuld wie die Faschos. In der Presseschau klingt das dann so:
Die Zeit: Bautzen: Gewalt ging von alkoholisierten Asylbewerbern aus
FAZ:Flüchtlinge und Einheimische geraten aneinander
Süddeutsche Zeitung: Bautzen: Flüchtlinge griffen Rechte zuerst an
Spiegel Online: Rechte und Flüchtlinge gehen aufeinander los
Focus: Polizei verlässt Bautzen – doch die Probleme mit Rechtsextremisten und Flüchtlingen bleiben
Polizei und Nazis Hand in Hand
Ein häufiges Muster in den großen Blättern: einfach die Polizeimeldungen abschreiben. Das hat auch das Lower Class Magazine festgestellt. Trotz einer Polizei, die in vielen Teilen rechtsradikales Gedankengut teilt,
gelten vielen Journalisten – nicht nur im Falle Bautzens – die Meldungen diverser Polizeisprecher als a priori zutreffende und wahre Tatsachenbeschreibung, die man kaum hinterfragt – oder nur dann, wenn nicht mehr zu leugnen ist, dass sie unhaltbar sind.
Das liegt auch an einer Medienlandschaft, die durch Einsparungen immer mehr Richtung Copy and Paste geht statt eigene Recherche zu betreiben. Das erklärt aber noch nicht die rassistische Ausrichtung, die so manche Schlagzeile bietet.
Gewiss gibt es sehr wohl genauso Stimmen, die hervorheben, dass in Bautzen Nazis Jagd auf Migrant*innen machen. Trotzdem hat sich der Ton verändert: Die empörte Distanzierung von rechten Krawallen, die noch die Diskussionen in den führenden Medien zu Freital bestimmte, ist nicht mehr so eindeutig. Mit den Maßnahmen, Geflüchteten Ausgangssperren zu verteilen, Alkoholverbote zu geben und einige Personen in andere Städte zu verlegen, wurde der Wille des rechten Mobs erfüllt. Während Geflüchtete ihre Unterkunft nicht verlassen durften, feierte die lokale Neonaziszene am Wochenende ein „Sportfest“, um ihre Stärke zu zeigen.
Wenn die Bundesregierung beteuert, rassistische Ausschreitungen seien „unseres Landes nicht würdig“, so ist das reine Heuchelei. Vor Ort in Bautzen greifen Bürgermeister und Polizei den Nazis mehr unter die Arme, als sie zurückzudrängen.
Die kleinbürgerliche Basis bricht weg
Das bundesdeutsche Regime sieht seine kleinbürgerliche Basis immer stärker zum rechten Lager hin tendieren. Viele Mitglieder der AfD kommen ursprünglich aus der CDU. Horst Seehofer hat das schon vor Monaten erkannt und Merkel für ihre Politik der offenen Grenzen angegriffen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer schlug zuletzt offen rechtsradikale Töne an:
Entschuldigen S‘ die Sprache, das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist – weil den wirst Du nie wieder abschieben. Aber für den ist das Asylrecht nicht gemacht, sondern der ist Wirtschaftsflüchtling.
Nun hat sich Merkel nach monatelangem Druck insbesondere aus der CSU und den kleinbürgerlichen Teilen ihrer Basis von dem „Wir schaffen das“ ein Stück weit distanziert – ein Satz, den sie „kaum noch wiederholen“ würde. Denn ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl und nach dem schlechten Abschneiden bei den Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern setzt Merkel darauf, die Union hinter sich wieder zu einigen – nach rechts.
Die Rechtswende des deutschen Regimes ist seit letztem Jahr kontinuierlich. Merkels verbale Neuausrichtung spiegelt sich auch im medialen Diskurs. Deutschland schämt sich jetzt weniger für seine Nazis.