Baerbock rüstet auf: Stahlhelme gibt’s jetzt auch in Grün

24.03.2022, Lesezeit 6 Min.
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Fotos von Paul Lovis Wagner / Campact

Eine EU-Armee, angestoßen durch Deutschland, Aufrüstung gegen Russland und China und eine bessere Vernetzung zwischen Kriminalämtern und Bundeswehr: Die Bundesregierung nutzt den Krieg in der Ukraine, um Deutschland für den militärischen Kampf um wirtschaftliche Interessen zu rüsten.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hielt letzten Freitag bei einer Auftaktveranstaltung zur Entwicklung einer Nationalen Sicherheitsstrategie eine Rede, die Pläne für ein neues Zeitalter des deutschen Imperialismus beschreibt.

Zu Beginn ihrer Rede zeigte Baerbock deutlich, wofür die Führung der Grünen eigentlich steht: Es werden schöne Reden über Menschenrechte und Werte geschwungen, nur um diese dann zu Gunsten wirtschaftlicher Interessen mit Füßen zu treten.

Ich möchte daher erneut Desmond Tutu zitieren: ‚If you are neutral in situations of injustice, you have chosen the side of the oppressor.‘ Das gilt für unseren Umgang mit Russland. Das gilt aber auch für unseren Umgang mit anderen autokratischen, diktatorischen Regimen, die Freiheit und Demokratie und Sicherheit in Frage stellen, die unsere internationalen Regeln brechen. Und ich glaube – auch in diesen so wahnsinnig schwierigen Tagen, wo wir Entscheidungen innerhalb von wenigen Stunden treffen – müssen wir immer wieder reflektieren und aufpassen, dass wir nicht die alten Fehler der Vergangenheit erneut wiederholen: Dass es gute und schlechte Diktatoren gibt.

Um dann aber die Energieshoppingtour ihres Parteikollegen Habeck in Katar, die kurz nach Baerbocks Rede bekannt wurde, zu rechtfertigen, erklärte die Außenministerin gleich im nächsten Satz: „Das heißt natürlich müssen wir – und hier sind viele im Raum, die das seit Jahren und Jahrzehnten genau so machen – auch mit autoritären Regimen sprechen.“

In Katar sind laut Guardian in den letzten Jahren mindestens 6.500 Gastarbeiter:innen gestorben sind. Vor allem weibliche Hausangestelte sind dort einem erhöhtem Maß an körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt sind, Homosexualität ist verboten und steht unter Gefängnis- beziehungsweise teilweise Todesstrafe. Geschäfte mit einem solchen Regime zu machen, scheint für die „feministische“ Außenpolitik der Grünen aber wohl kein Widerspruch zu sein.

Die EU-Armee als Stützpfeiler des deutschen Militarismus

Dann gab Baerbock in ihrer Rede bekannt, dass Deutschland, und zwar schon vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine, den Anstoß gegeben hat, eine EU-Armee aufzubauen. Noch nennt es sich militärische Eingreiftruppe und soll bis zu 5.000 Soldat:innen umfassen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) hat ebenfalls angeboten, im Jahr 2025 den Kern der Truppe zu stellen.

Eine solche Eingreiftruppe existiert zwar bereits und umfasst zur Zeit 1.500 Soldat:innen mit wechselnden Kontingenten aus den verschieden Mitgliedstaaten. Zum Einsatz gekommen ist diese bisher aber noch nicht. Der Ukraine-Krieg hat dieses Umdenken dabei sicher maßgeblich beschleunigt. Denn er zeigt, dass Konflikte zwischen den Großmächten wieder vermehrt militärisch ausgetragen werden. Gerade gegen den in Zukunft möglichen Block Russland/China reicht es für den deutschen Imperialismus nicht mehr, militärisch einfach nur am Rockzipfel der USA zu hängen.

Der Hintergedanke ist also auch: Deutschland soll militärisch unabhängiger von den USA werden, soll wohl selbst militärisch in andere Länder eingreifen können, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Daran schließt auch die Aufrüstung der Bundeswehr mit einem Sonderetat von 100 Milliarden Euro und die Erhöhung der jährlichen Militärausgaben auf über zwei Prozent des BIP, wodurch Deutschland das weltweit drittgrößte Militärbudget bekommen soll.

Außerdem betont Baerbock die Wichtigkeit der NATO und versichert, weiterhin Aufrüstung zu deren Gunsten zu betreiben. Das bedeutet nach Baerbock auch, in allen südosteuropäischen Ländern NATO-Truppen zu stationieren. Deutsche Truppen werden vor allem in die Slowakei kommen.

Gleichzeitig forderte Baerbock eine neue China-Strategie, wie es bereits der Koalitionsvertrag in Aussicht gestellt hatte. Zwar führte Baerbock dies in ihrer Rede kaum weiter aus, stellte diese Frage aber in den Kontext chinesischer Investitionen in die Stromversorgung etwa in Afrika oder im indopazifischen Raum. Dem Spiegel berichtete eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, man wolle „China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen“. Die Zeichen stehen also auf zunehmende Konfrontation.

Trotzdem bleibt China für zentrale Sektoren des deutschen Kapitals von strategischer Bedeutung. Doch nicht zuletzt die Unterbrechung der Lieferketten in der Corona-Pandemie hat die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China deutlich zu Tage treten lassen. So formulierte Baerbock in ihren Ausführungen zu China auch, man könne nur eigenständig agieren, wenn man nicht komplett abhängig von anderen sei.

Dass die von Baerbock verteidigte „feministische Außenpolitik“ letztlich den Fokus auf wirtschaftliche Interessen beibehält, nur eben schöner klingend, sagte Baerbock selbst: „Eine wertegeleitete Außenpolitik bedeutet, gleichzeitig Werte und Interessen – auch wirtschaftliche Interessen – zu verteidigen.“

Im Zuge der von Baerbock betonten Notwendigkeit, sich gegen Cyberangriffe aus Russland oder China zu schützen, vor sogenannten „Hacktivisten“, erwähnt sie in einem Nebensatz, dass sich „ein Teil unserer Arbeit an der nationalen Sicherheitsstrategie […] auch mit den Kompetenzen zwischen Bundeswehr und nationalen Sicherheitsbehörden“ beschäftigt. Die nationalen Sicherheitsbehörden, die von rechtem Terror Betroffene nicht warnen, dass Morddrohungen gegen sie vorliegen, sollen nun also noch enger mit dem deutschen Militär zusammenarbeiten, das wegen dem Auffliegen rechter Gruppen und dem Diebstahl von großen Mengen Munition Schlagzeilen macht.

Zusammengefasst: Die selbsternannte „Fortschritts-Koalition“ setzt alles daran, vor allem bei der Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen, voranzukommen. Wir lehnen die imperialistische Aufrüstung Deutschlands ab, da weder die NATO, noch der deutsche Militarismus progressiv sein können. Kriege können nur durch eine Bewegung der internationalen Arbeiter:innenklasse nachhaltig beendet werden. Für Baerbock, Scholz & Co. dient der Verweis auf „Solidarität“ oder „Menschenrechte“ nur dazu, die Interessen der deutschen Wirtschaft auf Kosten der Arbeiter:innen weltweit zu legitimieren.

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