Automatisierung und das „Ende der Arbeit“: Sind wir in der Zukunft angekommen?

08.05.2021, Lesezeit 35 Min.
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Illustration: @lllludmllll

Das Buch „Automation and the Future of Work“ von Aaron Benanav ist eine gute Gelegenheit, die sehr kontrovers geführte Diskussion über die Auswirkung von technologischen Entwicklungen – wie künstliche Intelligenz und Robotisierung – auf die Zukunft der Arbeit, wieder aufzugreifen.

Wie sich die künstliche Intelligenz, Robotisierung und andere technologische Entwicklungen auf die Zukunft der Arbeit auswirken werden, wird unter Wissenschaftler:innen kontrovers diskutiert. Technikoptimist:innen und Technikpessimist:innen stehen sich gegenüber, wenn es um die Einschätzung geht, ob die angekündigte „neue Revolution“ in der Produktion vor der Tür steht oder ob die Geschwindigkeit der Anwendung und die erwarteten Auswirkungen der Innovationen übertrieben sind. Die gleichen Differenzen ergeben sich bei der Frage, ob die Arbeitsplätze, die in einigen Wirtschaftszweigen durch die angekündigte Automatisierung verschwinden, durch neue Arbeitsplätze in anderen Bereichen in ausreichender Quantität – und „Qualität“ – ersetzt werden oder ob die Vernichtung von Arbeitsplätzen in einem Tempo und Ausmaß erfolge, wie es sie noch nie gegeben hat.

Dies sind alles Fragen, die noch lange nicht geklärt sind. Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Automatisierung der Produktion sowohl in der Fertigung als auch im Dienstleistungsbereich sprunghaft voranschreitet und in naher Zukunft sich noch schneller entwickeln wird. Damit einhergehend erscheint auch für viele die Annahme von einem bevorstehenden „Ende der Arbeit“ als unumstößlich. Das Buch Automation and the Future of Work von Aaron Benanav1 macht sich daran, diesen „Automatisierungsdiskurs“, wie ihn der Autor nennt, zu hinterfragen und zu zeigen, dass er auf Annahmen über die Auswirkungen neuer Technologien auf die Produktivität beruht, die nicht mit der tatsächlichen Realität übereinstimmt.

Die Perspektive der Automatisierung

Die Vorstellung, dass eine bevorstehende Automatisierung einen bedeutenden Teil der bestehenden Arbeitsplätze dauerhaft vernichten könnte, so wie auch Benanav argumentiert, impliziert eine Art qualitativen Sprung in einem Prozess, der die gesamte Geschichte des Kapitalismus begleitet hat, wie z. B. die Einführung von Veränderungen in der Produktion, die auf eine Steigerung der Produktivität abzielen, verstanden als die Veränderung der Menge an Gütern und Dienstleistungen, die die Arbeitskräfte zu produzieren imstande sind.2

Die Produktivitätssteigerung, die die notwendige Zeit für die Produktion der benötigten Waren reduziert und potentiell eine befreiende Möglichkeit für die Menschheit in sich trägt, ist im Kapitalismus eine notwendige Bedingung wegen der Umkehrung dieser Möglichkeit: Durch die Verminderung der für die Produktion aller Waren benötigten Zeit, steigt für die Kapitalist:innen der Ertrag des Mehrwerts, der die einzige Quelle des Profits ist. Die Geschichte des Kapitalismus hat Perioden beschleunigter Produktivitätssteigerungen – die aufeinanderfolgenden „technologischen Revolutionen“, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute stattfanden3 – und andere, die diese verlangsamten.

Die Aussicht auf eine bevorstehende Automatisierung impliziert eine Beschleunigung dieses Prozesses der Innovation und Produktivitätssteigerung – was immer eine „relative“ Verringerung der notwendigen Arbeitskräfte vermuten lässt, da trotz ihrer Reduktion, die gleiche physische Produktion wie zuvor erreichbar wird -, kann aber auch als qualitative Veränderung verstanden werden. „Die Automatisierung kann von anderen Formen arbeitssparender technischer Innovationen dadurch unterschieden werden, dass Automatisierungstechnologien die menschliche Arbeit vollständig ersetzen, anstatt einfach die menschlichen Produktionskapazitäten zu erhöhen“. Aber die Grenze zwischen Technologien, die die menschliche Arbeit verbessern, und solchen, die sie vollständig ersetzen, ist fließender als man vielleicht annimmt. „Wenn ein Einzelhändler vier Self-Checkout-Automaten installiert, die von einem einzigen Mitarbeiter überwacht und periodisch eingestellt werden, bedeutet dies das Ende dieser Arbeitsform, oder bedient jede/-r Kassierer:in jetzt drei zusätzliche Kassen?“, fragt Benanav. Haben die Roboter, die bei Amazon Bestellungen ausliefern, die Arbeit im Lager ersetzt, oder haben sie die Skalierung erhöht, so dass weniger Arbeitskräfte die gleichen Pakete schneller bearbeiten können? Es gibt mehrere ähnliche Beispiele, bei denen die Antwort nur auf den ersten Blick einfach erscheint, es aber nicht ist. Die unterschiedlichen Einstufungen, ob bestimmte Technologien eine vollständige Automatisierung beinhalten oder nicht, erklärt die Bandbreite der Prognosen über die Anzahl der Berufe, die in den kommenden Jahren gefährdet sein könnten.4 Die Grenze ist wiederum nicht eindeutig, wenn es darum geht, wie man technologische Transformationen messen kann; ob sie nun Arbeit ersetzen oder verbessern, es ist die Steigerung des Produktivitätswachstums, die der einzige Indikator ist, den wir haben, um zu beobachten, ob die Einführung von Fortschritten jeglicher Art sich beschleunigt. Dieses höhere Produktivitätswachstum ist etwas, das nicht stattfindet, so Benanav.

Stagnierte Produktion

Benanav teilt mit den von ihm kritisierten Vertreter:innen des Automatisierungsdiskurses, die Vorstellung, dass die Existenz einer „konstant niedrigen Nachfrage nach Arbeitsplätzen“ heute ein Problem ist, dessen Gründe analysiert werden müssen. Aber er wendet sich gegen eine Erklärung, die dies als Ergebnis eines „beispiellosen Sprungs in der technologischen Innovation“ versteht. Im Gegenteil, war das Produktivitätswachstum in den letzten Jahren in allen am weitesten entwickelten Ländern auf dem niedrigsten Stand seit 1950.

Dennoch ist die Produktivität mitverantwortlich für die Schwinden der Arbeitskräfte, so der Autor. Das liegt aber nicht daran, dass die Produktivität gestiegen ist, sondern daran, dass die Produktion – der andere Faktor, der die Beschäftigung bestimmt – nur sehr langsam gewachsen ist. Das Argument basiert auf einer sehr einfachen ökonomischen Gleichung: Für jeden Wirtschaftszweig entspricht die Wachstumsrate des Produktion abzüglich der Wachstumsrate der Produktivität der Wachstumsrate der Beschäftigung.

Der Anstieg der Produktion treibt die Nachfrage nach Arbeitskräften in die Höhe, während der Produktivitätsanstieg in die entgegengesetzte Richtung wirkt, sodass zur Steigerung der Produktion die gleiche oder eine geringere Menge an Arbeitskräften benötigt wird als zuvor. Aufgrund der Kombination dieser beiden gegensätzlichen Tendenzen kann es durchaus vorkommen, dass die Produktion steigt, aber gleichzeitig die Nachfrage nach Beschäftigung nicht steigt – oder sogar sinkt.

Diese Gleichung ist per Definition gültig, was bedeutet, dass die Veränderung der Beschäftigung immer durch das Ergebnis dieser beiden Raten erklärt wird.

Benanav bietet ein einfaches Beispiel für diese typische Form der Innovation in der Automobilbranche. „Wenn zum Beispiel neue Maschinen zu einem Fertigungsband hinzugefügt werden, wird die Fließbandarbeit effizienter, ohne die Fließbandarbeit als solches abzuschaffen; es werden insgesamt weniger Fließbandarbeiter benötigt, um eine bestimmte Anzahl von Autos zu produzieren.“ Entscheidend dafür, was mit der Beschäftigung passiert, wenn Produktionsveränderungen dieser Art in der gesamten Wirtschaft stattfinden, ist das Ausmaß, in dem dieser „relative Rückgang“ durch den Gesamtanstieg der Investitionen – sowohl in konstantes als auch in variables Kapital – ausgeglichen wird, die dazu bestimmt sind, das Produktionsvolumen zu erhöhen.

Ob ein solcher technischer Wandel zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führt, hängt von der relativen Geschwindigkeit des Produktivitäts- und Produktionswachstums in der Autoindustrie ab: Wenn die Produktion langsamer wächst als die Produktivität, was häufig der Fall ist, […] dann wird die Zahl der Arbeitsplätze sinken.

Mit anderen Worten, ein Rückgang der Arbeitsplätze kann auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden. Sie kann a) auf eine Verringerung der Produktion zurückzuführen sein, die (in Zeiten der Rezession) sinkt oder nur sehr langsam wächst, oder b) sie kann durch eine Beschleunigung des Produktivitätswachstums verursacht werden, die den Anstieg der Produktion übersteigt, so dass die Produktion mit einer gleichen oder geringeren Anzahl von Arbeitskräften durchgeführt werden kann. Während der Automatisierungsdiskurs davon ausgeht, dass der Fall b) eintritt, zeigt Benanav, dass es im Gegenteil der erste Fall ist, der sich der Praxis bewährt.

Benanavs Ausgangspunkt ist die Frage, was mit diesem Selbstverständnis im industriellen Bereich passiert ist. Der erste Grund, den er dafür anführt, ist, dass “Theoretiker:innen oft auf die Industrie als Präzedenzfall verweisen, was ihrer Meinung nach im Dienstleistungssektor beginnt“. Aber wie wir sehen werden, gehen die Gründe des Autors für den Fokus auf die Industrie viel weiter. Die Hauptthese des Buches ist, dass der Mangel an Dynamik, den die kapitalistische Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, entgegengesetzte zu den Behauptungen der Vertreter des Automatisierungsdiskurses steht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Verlust, den die Industrie in der Wirtschaft und bei der Beschäftigung verzeichnete, nicht durch einen Motor von gleichwertiger Dynamik ersetzt wurde. Der Dienstleistungssektor hat zwar an Gewicht gewonnen, weißt aber nicht das Potenzial zur Produktivitätssteigerung auf wie das verarbeitende Gewerbe – und kann es auch nicht, so Benanav. In Anlehnung an die Fachliteratur bezeichnet der Autor diesen Rückgang des Anteils des verarbeitenden Gewerbes an der Gesamtbeschäftigung als Deindustrialisierung. In den am weitesten entwickelten Ländern, seien es die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Italien, ist der Rückgang nicht nur proportional, sondern auch absolut gesehen ein Rückgang der in der Industrie beschäftigten Arbeitskräfte zu verzeichnen.

Die Industrieproduktion wächst zwar, aber nur schwach, die Produktivität wächst etwas schneller und das Ergebnis ist ein Rückgang der Nachfrage nach Beschäftigung. Was der Automatisierungsdiskurs als Ergebnis der Beschleunigung des zweiten Aspektes interpretiert, ist in Wirklichkeit ein Ergebnis der Verlangsamung des Ersten.

In den USA blieb die industrielle Produktivität stets bei einem jährlichen Wachstum von annähernd 3 Prozent5; die Industrieproduktion hatte jedoch ein durchschnittliches Wachstum von 4,4 Prozent im Zeitraum 1950-1973, 3,1 Prozent im Zeitraum 1974-2000 und 1,2 Prozent im Zeitraum 2001-2017. Einen ähnlichen Trend beobachten wir in Deutschland und Japan, wobei erschwerend hinzukommt, dass in diesen Ländern die Produktivitätssteigerungen in der letzten Periode deutlich geringer ausfallen.

Die Erklärung des Buches für diesen globalen Trend einer sich verlangsamenden Industrieproduktion verweist auf die Existenz einer zunehmend ausgeprägten Überkapazität auf den Märkten für Industriegüter. In Anlehnung an den ursprünglich von dem marxistischen Historiker Robert Brenner in The Economics of Global Turbulence ausgearbeiteten Ansatz weist Benanav darauf hin, dass das globale verarbeitende Gewerbe seit den 1960er Jahren, als Japan und Deutschland begannen, als Konkurrenten der USA aufzutreten, unter chronischen Überkapazitäten leidet. Dies wurde durch die Entwicklung der so genannten südostasiatischen Tigerstaaten verschärft, die im Gegensatz zu anderen von der Industrialisierung abhängigen Ländern, wie z. B. denen in Lateinamerika, eine exportorientierte Produktion entwickelten und damit diese globalen Überkapazitäten noch verschärften. Als der Erfolg Koreas und der anderen Länder zu einem „Modell“ wurde, das vom Rest der Welt nachgeahmt werden sollte, stiegen die globalen produktiven Überkapazitäten noch weiter an – und es wurde für diese Länder immer schwieriger, die Ergebnisse der ersteren zu wiederholen.

Als zusätzliche Produktionskapazitäten entstanden und in den internationalen Wettbewerb eintraten, breitete sich der Rückgang der Wachstumsraten in der verarbeitenden Industrie und die daraus resultierende Deindustrialisierung der Arbeitskräfte auf weitere Regionen aus: Lateinamerika, dem Nahen Osten, Asien und Afrika sowie der Weltwirtschaft insgesamt.

Die Verlagerung der Produktion durch multinationale Unternehmen aus den imperialistischen Ländern war eine Reaktion auf die Verschärfung des Wettbewerbs und die Entstehung von Überkapazitäten, die diesen schließlich noch verschärfen würden. Ab Mitte der 1970er Jahre

wurde deutlich, dass eine hohe Arbeitsproduktivität nicht mehr als Schutzschild gegen die Konkurrenz aus Niedriglohnländern dienen würde. Die Unternehmen, die in diesem Zusammenhang am besten abschnitten, waren diejenigen, die mit einer Globalisierung der Produktion reagierten. Angesichts des Preiswettbewerbs bauten die multinationalen US-Konzerne (MNCs) internationale Lieferketten auf, verlagerten die arbeitsintensivsten Komponenten ihrer Produktionsprozesse ins Ausland und ließen die Lieferanten gegeneinander antreten, um die besten Preise zu erzielen.

Benanav argumentiert, dass die Deindustrialisierung nicht nur in höher entwickelten Ländern stattfindet.

In den späten 1970er Jahren erreichte die Deindustrialisierung Südeuropa; große Teile Lateinamerikas, Teile Ost- und Südostasiens und das südliche Afrika folgten in den 1980er und 1990er Jahren. Die Spitzenwerte der Industrialisierung in vielen ärmeren Ländern waren so niedrig, dass es vielleicht zutreffender ist zu sagen, dass sie überhaupt nie industrialisiert wurden.

Benanav stellt fest, dass selbst in China, der Fertigungswerkstatt der Welt, die weitgehend „auf Kosten“ der Deindustrialisierung im Rest der Welt wuchs, der Prozentsatz der in der Industrie beschäftigten Arbeitskräfte zu sinken begann, nachdem er in der Mitte des letzten Jahrzehnts seinen Höhepunkt erreicht hatte. Zwischen 2013 und 2018 sank der Anteil der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe an der Gesamtbeschäftigung von 19,3 Prozent auf 17,2 Prozent.

Hier scheint es uns, dass der Autor Phänomene, die nicht vergleichbar sind, in der gleichen Tendenz zusammenfasst. Länder wie Argentinien oder Brasilien, die seit den 1930er Jahren eine erhebliche Industrialisierung erlebt haben, haben eindeutig einen Prozess der Deindustrialisierung durchlaufen. Richtig ist auch, dass es vielen armen Ländern erst in jüngster Zeit gelungen ist, einige Glieder der globalen Wertschöpfungsketten zu erobern und dass dies ihre Produktionsstruktur nicht wesentlich verändert hat. Aber es gibt andere Länder, vor allem in Südostasien, wo viel widersprüchlichere Trends am Werk sind. Sie entwickelten industrielle Prozesse von einer gewissen Komplexität, die natürlich den durch Wertschöpfungsketten und globale Marktorientierung auferlegten Entflechtungen unterworfen waren, was mit einem beträchtlichen Wachstum der industriellen Arbeitskraft einherging. Dies führte jedoch nicht zu einer zahlenmäßigen Erhöhung der im industriellen Sektor beschäftigten Arbeitskräfte, da die aus dem ländlichen Sektor verdrängten Kontingente schneller wuchsen und weder von der Industrie, noch in vielen Fällen von Dienstleistungen jeglicher Art absorbiert wurden und in die Informalität schwammen.

Die Betonung der Deindustrialisierung als globales Phänomen führt dazu, dass der Neuheit einer Arbeitskraft von Hunderten von Millionen, die direkt oder indirekt vom multinationalen Kapital in der Industrie der abhängigen Länder beschäftigt wurde, nicht genügend Bedeutung beigemessen wird. All dies in die gleiche Tasche der Deindustrialisierung zu stecken, als ob die Zeiten und die Phänomene dieselben wären, kann dazu führen, nicht zu sehen, wie die Akkumulation des Kapitals an neuen Punkten die Konzentrationen der Arbeitskraft geschaffen hat, die in den imperialistischen Ländern abgenommen haben oder verschwunden sind und die die Protagonist:innen wichtiger Kämpfe waren. Dies ist ein Schlüsselproblem für das globale Kapital, das die Orte, die es gestern noch eifrig besucht hat, auf der verzweifelten Suche nach neuen Grenzen, in denen es über billige Arbeitskraft verfügen kann, schnell wieder verlässt. Mit der Erschöpfung der „unberührten Gebiete“ stellt sich die kritische Frage, wo die neuen „Mekkas“ für multinationale Unternehmen entstehen werden.

Die Verlagerung zur Ausnutzung billiger Arbeitskräfte in abhängige und weniger entwickelte Länder hat negative Folgen für die Kapitalakkumulation in den weiter entwickelten Ländern. Indem es Kostensenkungen durch niedrigere Lohnkosten ermöglichte, nahm es den Druck, Investitionen zur Produktivitätssteigerung zu vertiefen, um durch kürzere Produktionszeiten wettbewerbsfähig zu werden. Überkapazitäten und die Verlagerung der Produktion in andere Länder erklären die schwache Kapitalakkumulation, die seit den 1980er Jahren im verarbeitenden Gewerbe der Industrieländer stattgefunden hat, was das beobachtete geringere Produktivitätswachstum bestimmt. „Das liegt daran, dass arbeitssparende Innovationen in der Regel in Investitionsgütern verankert sind oder aber komplementäre Investitionen in Investitionsgüter erfordern, um realisiert zu werden.

Die Betonung dessen, was in der Industrie geschah, beruht auf der Tatsache, dass „kein anderer Sektor in die Lage kam, um die Industrie als Hauptmotor des Wirtschaftswachstums zu ersetzen.“ Stattdessen „ging die Verlangsamung der Wachstumsraten des verarbeitenden Gewerbes mit einer Verlangsamung der Wachstumsraten des gesamten BIP einher“. Nach Benanavs Ansicht ist dieser Rückgang in der Industrie nicht auf eine Entschlossenheit zurückzuführen, die mit der Existenz der technologischen Entwicklungsgrenze zusammenhängt: „es ist wahrscheinlicher, dass die niedrigen Wachstumsraten der industriellen Produktivität das Ergebnis des langsameren Expansionstempos der Industrie sind, und nicht umgekehrt“. Hier grenzt sich der Autor von Thesen wie der von Robert Gordon ab, für den der Niedergang des Wirtschaftswachstums mit der zunehmenden Einschränkung zu tun hat, dass neue Technologien eine verallgemeinernde Wirkung auf die Wirtschaft zeigen, wie es das Aufkommen der Elektrizität oder des Verbrennungsmotors tat. Im Prinzip gibt es keine feste Grenze für das, was unter den industriellen Sektor fallen kann: „Die Industrie besteht aus allen wirtschaftlichen Aktivitäten, die mittels eines industriellen Prozesses durchgeführt werden können, und im Laufe der Zeit werden immer mehr Aktivitäten auf diese Weise durchgeführt“. Eine der Formen, die die Industrialisierung von Dienstleistungen annahm, war die Umwandlung von Dienstleistungen in Haushaltsgeräte für den Heimgebrauch, wie Jonathan Gershuny beobachtet. Dies geschah mit „der Waschmaschine, die den Wäscheservice ersetzt, dem Rasierapparat, der die Rasur beim Barbier ersetzt, dem Automobil, das den öffentlichen Verkehr ersetzt“6. Daraus folgt, dass der Dienstleistungssektor, der einen zunehmenden Teil der Arbeitskräfte beschäftigt, all jene Bereiche umfasst, die das Kapital nicht industrialisiert hat. Diese Industrialisierung findet nicht statt, bekräftigt Benanav, wegen der globalen Überkapazitäten, die die Schwäche der Kapitalakkumulation bestimmen.

Benanav kommt zu dem Schluss, dass wir in diesen Jahrzehnten das Gegenteil von dem beobachten können, was in Zeiten kräftigerer kapitalistischer Entwicklung geschah: „Anstatt einer Umverteilung von Arbeitern von Arbeitsplätzen mit niedriger Produktivität zu Arbeitsplätzen mit hoher Produktivität tritt das Gegenteil ein. Die Arbeiter sind in Arbeitsplätzen mit niedriger Produktivität, hauptsächlich im Dienstleistungssektor, angesiedelt“. Diese These wird durch eine klassische Studie des Ökonomen William Baumol unterstützt, der argumentiert, dass der Dienstleistungssektor von der „Kostenkrankheit“ befallen ist. Baumol wies darauf hin, dass der Dienstleistungssektor, anders als die Industrie, bei der Entwicklung von Skaleneffekten und der Umsetzung von Prozessverbesserungen, die zu starken Produktivitätssteigerungen führen, behindert wird; er ist ein relativ „stagnierender“ Sektor.7 Während Güter des verarbeitenden Gewerbes aufgrund von Produktivitätssteigerungen tendenziell billiger werden, ist dies im Dienstleistungssektor nicht oder nur in geringerem Maße der Fall. Der Preis für letztere steigt dann tendenziell relativ zu den Industriegütern, und die einzige Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, besteht darin, „den Arbeitern weniger zu zahlen oder ihr Lohnwachstum relativ zu den mageren Steigerungen ihrer Produktivität, die im Laufe der Zeit erzielt werden, zu unterdrücken“.

Benanav kommt zu dem Schluss, dass es „einen klaren Zusammenhang zwischen der globalen Expansion dieses stagnierenden Wirtschaftssektors und der zunehmenden Stagnation der Weltwirtschaft“ gibt.

Nach dieser Argumentation, hebt er erneut das Element der Wahrheit im Automatisierungsdiskurs hervor. Wenn sich das Produktivitätswachstum nicht beschleunigt, ist es dennoch höher als das Produktionswachstum.

Auch wenn die Automatisierung an sich nicht die Hauptursache für die geringe Nachfrage nach Arbeitskräften ist, gilt dennoch, dass der technologische Wandel in einer langsam wachsenden Wirtschaft zu einer massiven Vernichtung von Arbeitsplätzen führen kann: Schauen wir uns zum Beispiel den rasanten Abbau von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe in den USA zwischen 2000 und 2010 an. Wenn die Wirtschaft schnell wachsen würde, könnten leicht neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um die verlorenen zu ersetzen.

Die Unterbeschäftigung

Ein Aspekt, der bei der Automatisierung… hervorsticht ist, dass die schwache Nachfrage nach Beschäftigung, die durch das geringe Wachstum der Produktion bestimmt wird, begleitet von begrenzten Produktivitätssteigerungen, sich nicht in einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, sondern in zunehmend schlechteren Beschäftigungsbedingungen für Teile der Erwerbsbevölkerung niederschlägt. Weniger Stunden zu arbeiten als gewünscht, oder unter schlechteren Bedingungen als die, die als normal angesehen werden, ist für immer größere Teile der arbeitenden Bevölkerung zur Norm geworden. „Wie viele Kommentare bereits erkannt haben, steuern wir eher auf eine ’schlechtere Arbeitszukunft‘ als auf eine ‚arbeitslose‘ zu.“ In Europa stieg der Anteil der „Nicht-Standard“-Beschäftigung stark an: zwischen 1985 und 2013 stieg er von 21 Prozent der Gesamtbeschäftigung auf 34 Prozent in Frankreich; in Deutschland stieg er von 25 Prozent auf 39 Prozent; in Italien von 29 Prozent auf 40 Prozent; in Großbritannien stieg er von 30 Prozent auf 34 Prozent. In Japan stieg die „nicht reguläre Beschäftigung“ von 17 Prozent im Jahr 1986 auf 34 Prozent im Jahr 2008. Die OECD stellt fest, dass 60 Prozent der in den 1990er und 2000er Jahren geschaffenen Arbeitsplätze nicht standardisiert waren. Im Fall der USA sind „Erfahrungen wirtschaftlicher Prekarität in der gesamten der aktiven Bevölkerung weit verbreitet. Selbst Arbeiter in den USA, die in einem regulären Arbeitsverhältnis stehen, sind in hohem Maße einem potenziellen Arbeitsplatzverlust ausgesetzt“ und „können jederzeit entlassen werden“.

Gegenpunkte

Automatisierung und die Zukunft der Arbeit ist ein Buch, das eine Sichtweise vorschlägt, die sich von den gängigsten Anschauungen unterscheidet. Der Autor weist auf Tendenzen hin, die es bei der Kapitalakkumulation zu berücksichtigen gilt und die der Perspektive einer immanenten Automatisierung widersprechen. Er versucht auch, die Subjekte in den Mittelpunkt zu stellen, die Träger einer Alternative zu derjenigen sein können, die der Kapitalismus anbietet, in der die Zukunft nicht in der Automatisierung, sondern in der immer mehr entwürdigenden Beschäftigung besteht. Obwohl ihn dieser Versuch von vielen der Antikapitalist:innen, gegen die er polemisiert, unterscheidet, ist es in Wahrheit so, dass das Buch eine Vision vermittelt, in der es nicht viel Aussicht auf eine Erholung von der Niederlage der Arbeiter:innenklasse gibt. „Die Hoffnung auf das emanzipatorische Potenzial der heutigen sozialen Kämpfe zu verlieren, ist nicht unvernünftig“ argumentiert er. „Es bräuchte eine massive und anhaltende Mobilisierung, um die Flut des brutalen Neoliberalismus zu wenden, aber die einzige Bewegung, die die Größe und Stärke hat, diese Aufgabe zu übernehmen – die historische Arbeiterbewegung – wurde völlig besiegt.“ Obwohl er auf den letzten Seiten des Buches auf zahlreiche Symptome einer Wiederbelebung der Arbeiter:innenbewegung in der ganzen Welt hinweist und zu Recht die Herausforderungen skizziert, die vor uns liegen, wenn die Arbeiter:innenklasse zu einem emanzipatorischen Subjekt werden soll, neigt er dazu, das Bild einer Arbeiter:innenklasse zu betonen, die auch durch die „Zersetzung“ des Motors des Wirtschaftswachstums degradiert wird.

Diese Charakterisierung durchzieht die Lektüre des Buches über Technisierung und Kapitalakkumulation, die immer von Klassenkampf durchzogen und umkämpft sind, dem Benanav in der Analyse nicht genügend Platz einräumt. Er erwähnt hier und da den Widerstand als eine Kraft, die sich als ziemlich ohnmächtig erwiesen hat, aber auf eine fast anekdotische Weise. Es ist ein Buch, das zwar kurz und eher konzeptionell sein will, aber man kann in dieser Abwesenheit eine eher defätistische Position erahnen. Verstärkt wird dies durch die Charakterisierung der Deindustrialisierung als globales Phänomen, was dazu führt, dass den Entwicklungen des Proletariats in einigen historisch „peripheren“ Ländern, die zu Anziehungspunkten für die Akkumulation des globalen Kapitals geworden sind, weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als ihnen gebührt.

Es gibt weitere Kritikpunkte an Benanavs These, die uns relevant erscheinen. Manchmal rutscht er in eine eher lineare Perspektive ab, ein Einwand, auf den ihn Kim Moody hinwies. Moody, der sich seit Jahrzehnten mit der Zusammensetzung der US-amerikanischen und weltweiten Arbeiter:innenklasse beschäftigt, rezensierte zwei Artikel in der New Left Review, in denen Benanav die Thesen, die er in Automation…. aufstellt, weiterentwickelt.8

Moody präsentiert drei zentrale Einwände. Der erste bezieht sich auf die „im Wesentlichen lineare Natur, in der die Ursachen für den Verlust von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe in seiner Erzählung einfach als langfristige Verlangsamung des Wachstums dargestellt werden“9. Dies, so stellt er fest, „verschleiert die Rolle von Krisen und Produktivität bei der Arbeitsplatzvernichtung“. Der Rückgang der Industriearbeitsplätze wird aufgrund der industriellen Überkapazitäten nicht als gerade Abwärtslinie dargestellt. Vielmehr „hat sie sich gewaltsam entwickelt, vor allem in den vier großen Rezessionen der neoliberalen Ära“. Auch die Produktivität ist keine stationäre Variable. „Die Produktivität steigt, fällt und steigt wieder, je nach den Turbulenzen in der Wirtschaft, mit Konsequenzen für die mögliche Erholung von Arbeitsplätzen, die in Rezessionen verloren gehen.“ Folglich „war es nicht einfach die Verlangsamung der Produktionsleistung oder der Wirtschaft im Allgemeinen im Laufe der Zeit, die diese Arbeitsplätze ausgelöscht hat. Es war der doppelte Schlag von Rezessionen und Produktivität.“ Es sollte gesagt werden, dass Benanav in dem Buch, das nicht die von Moody rezensierte Version ist, auf die Große Rezession sowie die Post-Covid-Krise als Auslöser für hohe Arbeitslosenquoten (in der Industrie und in der gesamten Wirtschaft) verweist, die sich nur langsam umkehren werden, was ein Bild der immer schlimmer werdenden Unterbeschäftigung hinterlässt. Das Risiko einer linearen Betrachtung von Trends, vor dem Moody warnt, ist jedoch weiterhin vorhanden.

Das zweite Problem, das Moody findet, „ist die Charakterisierung der Hauptfolge der Verlangsamung des Beschäftigungswachstums als ‚Unterbeschäftigung‘ und ‚unsichere Arbeit‘ hauptsächlich im Dienstleistungssektor der entwickelten Volkswirtschaften“. Erstens warnt Moody, dass es eine Debatte darüber geben sollte, ob der Schwerpunkt von der Arbeitslosigkeit auf die Unterbeschäftigung verlagert werden sollte, wenn im Durchschnitt 30 Prozent der Arbeitslosen in den OECD-Ländern und mehr als 40 Prozent in der Europäischen Union „ab 2019, nach einem Jahrzehnt des Aufschwungs und vor der Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit im Jahr 2020, ein Jahr oder länger arbeitslos waren.“ Mit anderen Worten: Unter den Formen der Degradierung spielt die Arbeitslosigkeit heute eine größere Rolle, als Benanav ihr zugestehen würde. Allgemeiner betrachtet Moody die von Benanav angeführte Gleichsetzung von „Nicht-Standard-Arbeit“ mit Unterbeschäftigung oder prekärer Beschäftigung als unbegründet und bietet eine detaillierte alternative Interpretation der Statistiken, auf die sich Automation stützt Letztlich können wir seine Kritik so interpretieren, dass er darauf hinweist, dass sowohl Arbeitslosigkeit als auch Unterbeschäftigung durch den Konjunkturzyklus bestimmt werden. Moody fügt hinzu, dass es weder bei „Nicht-Standard“-Jobs noch in Wirtschaftssektoren wie dem Dienstleistungssektor besondere Hindernisse für die gewerkschaftliche Organisierung oder ähnliches gibt. In diesen Sektoren wie in der Industrie werden die Bedingungen davon abhängen, was das Kapital durchsetzen kann und was die Arbeiter:innenklasse widerstehen kann. Wir denken, dass Moodys Warnungen vor der Tendenz, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen als linearen säkularen Trend zu sehen, der sich ungestört entwickelt, richtig sind, aber seine Betonung, dass es sich dabei um immanente Phänomene der Funktionsweise des Kapitalismus handelt, kann dazu führen, dass die Bedeutung der Überlegung heruntergespielt wird, wie die anhaltende Schwäche der Kapitalakkumulation in den imperialistischen Ländern neue Probleme für die Bedingungen der Arbeiter:innenklasse aufwirft, die über die Krisen hinaus dauerhafte Belastungen hinterlassen.

Die vielleicht wichtigste Frage, die Moody aufwirft, ist die nach den Gründen des Kapitals, sich dem Dienstleistungssektor zuzuwenden. Seiner Ansicht nach ist dies nicht einfach, wie Benanav argumentiert, eine Folge der industriellen Erschöpfung angesichts der globalen Überkapazitäten.

Im Laufe der Jahrzehnte ist das Kapital unaufhaltsam in die so genannten Dienstleistungsindustrien und sogar in das Herz der sozialen Reproduktion vorgedrungen, weil sich mit dem, was zu den Notwendigkeiten des heutigen Lebens geworden ist, ein Gewinn erzielen lässt. Ein weiterer Grund für die Ausweitung der Dienstleistungen ist, dass die Produktion von Gütern in dem Maße, wie sie effizienter wird, auch komplexer, geographisch verteilter und abhängig von Transport, Kommunikation, Finanzen usw. wird und daher mehr Dienstleistungen benötigt.

„Ein lineares Verständnis einer turbulenten Realität wird uns nicht helfen, die Möglichkeiten zu erfassen und mit den Schwierigkeiten des Übergangs und eines neuen Wiederauflebens von sozialen und Klassenkonflikten umzugehen“, schließt Moody. Bei den vorgebrachten Einwänden müssen wir uns vor der Gefahr der linearen Hochrechnung hüten. Sie entkräften nicht Benanavs schärfste Kritiken am Automatisierungsdiskurs, die in einem Bild aufgegriffen werden müssen, indem verstanden wird, dass die Trends und Perspektiven komplexer und widersprüchlicher sind.

Was tun?

Nach der Diskussion der Charakterisierung geht Benanav in den letzten Kapiteln auf die Alternativen ein, die als Antwort auf diese Perspektive der Automatisierung vorgestellt werden. So wie der Automatisierungsdiskurs Vertreter quer durch das ideologische Spektrum hat, so reichen auch die „Lösungen“ für das, was als unaufhaltsame Beschäftigungskrise angesehen wird, vom „Wiederbelebten Keynesianismus “ zur Stimulierung der Nachfrage bis hin zum Vorschlag, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu fordern (das wiederum Befürworter von rechts und von der postkapitalistischen Linken hat, die ihm unterschiedliche Bedeutungen geben). Der Autor weist auf mehrere Einwände gegen diese Vorschläge hin, denen wir zustimmen können, und die wir in anderen Artikeln entwickelt haben. Die Vorschläge, die Benanav kritisiert, werden von ihren Befürworter:innen als eine Art „Wunderwaffe“ präsentiert, als ob eine oder eine Reihe von großen Maßnahmen des Staates die Probleme lösen würden, deren Ursachen in den Wurzeln der Funktionsweise des Kapitalismus liegen. Dennoch warnt Benanav von Anfang an, dass er mehr „mit dem linken Flügel des Automatisierungsdiskurses als mit irgendeinem seiner Kritiker“ sympathisiert, und zeigt damit seine Sympathie für die Perspektive, die viele der Autoren, mit denen er polemisiert, anstreben. Der Autor urteilt, dass „wenn sich die von ihnen angebotene Erklärung als unzureichend erweist, haben die Automatisierungstheoretiker zumindest die Aufmerksamkeit der Welt auf das wirkliche Problem einer konstant niedrigen Nachfrage nach Arbeitskräften gelenkt“, und sie haben sich auch „in ihren Bemühungen hervorgetan, sich Lösungen für dieses Problem vorzustellen, die im Großen und Ganzen emanzipatorischen Charakter haben“, obwohl die Visionen, die sie einsetzen, „von den technokratischen Fantasien der Autoren befreit werden müssen, wie ein konstruktiver sozialer Wandel stattfinden könnte.“

Benanav widmet das letzte Kapitel gerade der Darstellung einer von diesen technokratischen Phantasien befreiten Perspektive. Ausgehend von den Möglichkeiten und Widersprüchen, die die Entwicklung der Technik im Kapitalismus kennzeichnen und die er im gesamten Buch diskutiert, skizziert er die Umrisse einer möglichen Welt, in der sich zwar nicht unbedingt die Automatisierung durchsetzen wird, aber die Arbeitsbelastung durch die Nutzung der vorhandenen Technik sinnvoll reduziert werden kann, während gleichzeitig die noch zu leistende Arbeit gerecht verteilt wird. Auf diese Weise kann jede:r die Aktivitäten ausführen, die er wirklich machen möchte.

Anders als bei vielen postkapitalistischen Autor:innen, bei denen eine Kluft zwischen der Perspektive des Endes des Kapitalismus und dem unmittelbaren Programm besteht, das sie im Kampf für diese Perspektive vorlegen, legt Benanav den Schwerpunkt auf die Notwendigkeit, dass die Arbeiter:innenklasse in der Lage sein muss, soziale Allianzen zu bilden, die es ihr ermöglichen, die Hegemonie über den Rest der Klassen zu erlangen, um für das Ende dieses Systems zu kämpfen und diese alternative Zukunft anstatt einer kapitalistischen Dystopie zu verwirklichen. Der Schlüssel liegt nicht in der bloßen technischen Veränderung, sondern in der „Eroberung der Produktion“, d.h. in der „Abschaffung des Privateigentums und des Geldtausches zugunsten der geplanten Kooperation“. Indem er die Ausarbeitungen von Marx und Engels wieder aufgreift und auch auf utopische Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts sowie auf einige der besten Intuitionen der Postkapitalist:innen zurückgreift, zeichnet Benanav eine kurze Skizze der Hauptträger:innen, entlang derer sich der Übergang vom Reich der Notwendigkeit zum Reich der Freiheit vollziehen könnte. Was Benanavs Ansatz schwächt, ist die Erfahrung der UdSSR als Übergang zum Sozialismus – abgeschnitten durch die stalinistische Bürokratisierung, die die Bedingungen für die kapitalistische Restauration schuf – als eine Belastung zu betrachten und nicht als eine, aus der man lernen kann, wenn man bedenkt, dass zentralisierte Planung und stalinistische Bürokratie synonym sind. In dieser Frage teilt er die Ansichten vieler Post-Kapitalist:innen. Das führt dazu, dass er viele der Lehren aus dem Aufbau der Übergangsgesellschaft in den ersten Jahren der Revolution und aus dem anschließenden Kampf gegen die Bürokratisierung und die stalinistische Konterrevolution, der von der Linken Opposition initiiert wurde, verwirft, die wichtige Lehren für den Kampf zum Aufbau einer Gesellschaft ohne Ausbeuter:innen und Ausgebeutete sind. Ausarbeitungen wie Leo Trotzkis Die Verratene Revolution verdichten eine strategische Reflexion, die Probleme betrifft, mit denen jede siegreiche Revolution konfrontiert sein wird, die die Bourgeoisie enteignet und den Übergang zum Sozialismus einleitet. Wir glauben, dass es nicht erzwungen ist, eine Parallele zwischen dieser Abwertung der Frage der Planung und der von Benanav aufgezeigten degradierten Sichtweise der Arbeiter:innenklasse, wie wir sie oben dargelegt haben, herzustellen.

Nichtsdestotrotz und jenseits des „Pessimismus der Vernunft“, der ihn charakterisiert, ist es Benanavs Verdienst, dass er auf die Notwendigkeit einer Veränderung der gesamten Produktionsverhältnisse hinweist. Wie er in der Schlussfolgerung warnt: „Ohne einen massiven sozialen Kampf zum Aufbau einer Post-Knappheits-Welt werden die Visionäre des Spätkapitalismus bloße techno-utopische Mystiker bleiben“. Diese Transformation, die Anfechtung des Befehls der Produktion, die heute in den Händen der Kapitalist:innen liegt, ist etwas, das nur von der Arbeiter:innenklasse im Bündnis mit allen ausgebeuteten und unterdrückten Sektoren durchgeführt werden kann. Nur so wird es möglich sein, dem unheilvollen Szenario des Kapitalismus ein Ende zu setzen, unter dessen Herrschaft die Entwicklungen der Technologie, sich gegen die Arbeiter:innenklasse richtet und uns von den Lasten der Arbeit zu befreien.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Spanisch bei Ideas de Izquierda.

Fußnoten

1. London, Verso, 2020. Die Zitate aus dem Buch sind meine eigene Übersetzung.

2. Nationale Statistiken erheben in der Regel für die Wirtschaft als Ganzes und für die verschiedenen Sektoren, in die sie unterteilt ist, die Produktivität pro Beschäftigtem und pro Erwerbstätigem, Maße, die es uns erlauben, verschiedene Seiten des Phänomens zu sehen.

3. Heute würden wir die dritte oder vierte dieser industriellen Revolutionen durchlaufen, je nach den verschiedenen Kriterien der Periodisierung, die verwendet werden. Wie bei allem, was mit Technologie und ihren Auswirkungen zu tun hat, ist auch dies eine Frage der Debatte.

4. Eine berühmte Studie ging vor einigen Jahren davon aus, dass bis zu 47 Prozent der US-Arbeitsplätze durch Automatisierung gefährdet sind. Siehe Carl Frey und Michael A. Osborne, „The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerization?“, Technological Forecasting and Social Change vol. 114, 2017.

5. Benanav stellt fest, dass die Statistik das Produktivitätswachstum in den letzten stark überschätzt. Der Grund dafür ist, dass sie die Produktion von Computern mit höherer Verarbeitungsgeschwindigkeit als gleichwertig mit der Produktion von mehr Computern erfassen. Dies steigert die Produktivität des Teilsektors Computer und Elektronik und damit die Produktivität der gesamten Branche.

6. Jonathan Gershuny, After Industrial Society? The Emerging Self-Service Economy, London, Macmillian, 1978, S. 56f.

7. William Baumol et al., „Unbalanced Growth Revisited: Asymptotic Stagnancy and New Evidence“, American Economics Review, Bd. 75, Nr. 4, 1985, S. 806.

8. Moody veröffentlichte 2017 On New Terrain: How Capital is Reshaping the Battleground of Class War, ein Buch, das von Benanav in einer Notiz rezensiert wurde, die mit einigen seiner Charakterisierungen und Schlussfolgerungen polemisiert und auf dem Blog des Autors gelesen werden kann. Dieser kritische Austausch durch die Cross-Reviews ermöglicht es uns, einige der Schwachpunkte in den Argumenten beider Autoren sichtbar zu machen und so die wichtigen Beiträge ihrer Arbeit besser zu würdigen.

9. Kim Moody, “Capitalism Was Always Like This”, Jacobin, 06.02.2020. Im Folgenden in diesem Abschnitt sind alle Zitate aus dem Artikel von Moody.

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