Aufrüstung: Fast 500 Personen demonstrieren gegen „Eine-Billion-Euro-Sitzung“ des Bundestags

19.03.2025, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Nathaniel Flakin

Über 30 Organisationen protestierten am Dienstagnachmittag auf der Wiese vor dem Reichstag gegen die Grundgesetzänderung für mehr Aufrüstung.

Während Israel mit Unterstützung der USA wieder Gaza bombardiert und hunderte Menschen ermordet, haben CDU/CSU, SPD, und Grünen in einer Sondersitzung des Bundestags am Dienstag eine Grundgesetzänderung beschlossen, um Rüstungsausgaben von der Schuldenbremse auszunehmen und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro Infrastrukturinvestitionen über 10 Jahre aufzusetzen. Das sind die größten Ausgaben, die jemals in einer Bundestagssitzung beschlossen wurden. Dabei werden die Ausgaben für die Infrastruktur nicht vor allem in Krankenhäuser, Schulen oder bezahlbaren Wohnraum gehen, sondern in Straßen, Brücken und Schienen für Waffen und Panzer. Die von der Tagesschau so genannte “Eine-Billion-Euro-Sitzung” war damit eine Sitzung für Krieg und Aufrüstung. Am Freitag muss nun noch der Bundesrat mit einer 2/3-Mehrheit der Grundgesetzänderung zustimmen, was aber als fast sicher gilt.
Gegen diese Militarisierung demonstrierten circa 450 Leute vor dem Bundestag auf der Kundgebung “Schluss mit den Kriegskrediten!”, zu der ein breites Bündnis linker Gruppen aufgerufen hatte, darunter Klasse Gegen Klasse/RIO, Revolutionär Sozialistische Organisation, Migrantifa Berlin, Jüdische Stimme für einen Gerechten Frieden, Rheinmetall Entwaffnen, MLPD und viele weitere. Viele Studierende, aber auch Beschäftigte aus den Krankenhäusern oder aus Bildung und Sozialem waren vor Ort, auch von den Kundgebungen gegen den Genozid in Gaza kamen viele zu den Demonstrierenden hinzu. In 15 Reden stellten sich alle Gruppen gegen die Kriegskredite und die Folgen von Krieg und Aufrüstung.

Tabea Krug von der Studierendengruppe Waffen der Kritik, ging auf die Kürzungen an Universitäten ein, die Folge der Kriegsfinanzierung sind und sein werden. Das steht im krassen Kontrast zu den Repressionen, die Studierende an den Universitäten in ihren Kämpfen gegen den Genozid in Gaza erleben mussten. Alle Studierenden müssen sich jetzt klar gegen die Militarisierung und Aufrüstung der Universitäten stellen, sowie gegen die Streichung und Kürzung von Instituten und Stellen, die darauf folgen. Denn „während wir an der Uni für unsere Zukunft lernen, planen Politiker:innen hier eine ganz andere Zukunft für uns – eine, in der wir nicht in Hörsälen sitzen, sondern in Kasernen marschieren. Eine, in der wir nicht mit Stift und Papier arbeiten, sondern mit Gewehren und Drohnen.“

Auch Inés Heider, Sozialarbeiterin, ehemalige Bundestagskandidatin von Klasse Gegen Klasse/RIO und Aktivistin der jungen GEW, trat auf und forderte “Keinen Cent, kein Mensch und keine Waffen – für die Bundeswehr, die NATO oder irgendeine EU-Armee”. Mit einem historischen Vergleich zum Jahr 1914, als die SPD den damaligen Kriegskrediten zustimmte, skandierte sie zusammen mit der Menge den traditionellen, aber wieder hochaktuellen, revolutionären Ruf: “Wer hat uns verraten? – „Sozialdemokraten!“ und fügte hinzu: “Und wer war mit dabei? – Die Grüne Partei”. Sie klagte die Angriffe der Regierung durch Kürzungen und Reallohnverluste an und forderte alle Anwesenden klar auf, sich dagegen zu organisieren.

Besonders betonte Inés die Verantwortung der Partei Die Linke sowie der Gewerkschaftsführungen. Während Inés scharf die Unterstützung des DGB-Vorstands für die Aufrüstung anprangerte, kritisierte sie in Bezug auf die Linkspartei, dass Ihre Gallionsfigur Gregor Gysi – auf der gleichen Linie wie die Regierung – von „europäischer Verteidigungsfähigkeit“ spricht und zuvor die Ausdehnung der NATO gutgeheißen hatte. Zwar hat Die Linke im Bundestag gegen das Aufrüstungspaket gestimmt, was Inés explizit begrüßte. Jedoch reicht das Vertrauen in Klagen vor dem Verfassungsgericht nicht aus: „Die Linke muss ihre Zehntausenden neuen Mitglieder und Millionen Wähler:innen gegen die Aufrüstung mit uns auf die Straße bringen“, so Inés.  

Für Die Linke hatte zuvor der baldige Bundestagsabgeordneten Ferat Koçak aus Neukölln gesprochen und ebenfalls die Aufrüstung scharf angeprangert. Sein Bezirksverband ebenso wie die Linksjugend Berlin, der SDS Berlin und einzelne Linke-AGs hatten auch zur Kundgebung aufgerufen, was ein wichtiges Zeichen setzte. Von einer Großmobilisierung der Linkspartei-Anhänger:innen konnte jedoch nicht die Rede sein – der Berliner Linke-Verband hatte sogar erst in letzter Minute überhaupt zu einer anderen Kundgebung am Vormittag aufgerufen, bei der nur wenige hundert Menschen zusammenkamen. 

Weitere Reden berichteten vom Schulstreik gegen Aufrüstung, der am Morgen 100 Schüler:innen auf die Straße brachte, prangerten wie Migrantifa die rassistische Hetze und Polizeigewalt an, oder sprachen wie Udi Raz von der Jüdischen Stimme in einer kraftvollen Rede über den Widerstand gegen den andauernden Genozid in Gaza.

Wir von Klasse gegen Klasse bedanken uns, dass so viele unserer Einladung zu dem Bündnis gefolgt sind. Gemeinsam konnten wir ein Zeichen gegen die Kriegspolitik der Regierung setzen. Jetzt, wo der Staat die Gesellschaft auf Kriegskurs drillt, müssen wir beharrlich, gegen den Strom, unseren Standpunkt vertreten: die Arbeiter:innenklasse  und die Jugend hat durch die Kriege der Mächtigen und Reichen nichts zu gewinnen. Es ist heute umso mehr notwendig, aus den widerständigen Teilen der Linken und radikalen Linken und den Gewerkschaften eine Perspektive gegen Merz und die Kriegspolitik zu formulieren. Es braucht jetzt umso mehr Versammlungen in den Betrieben und Unis, um über die Kriegspolitik zu diskutieren und einen Widerstand vorzubereiten. Die aktuellen Streiks wie im öffentlichen Dienst müssen ausgeweitet werden und sich gegen die Aufrüstung insgesamt wenden.

Wir laden dafür jede:n Interessierte:n ein, zu unserer Versammlung in Berlin am Donnerstag, 20.03.2025 zu kommen und über eine gemeinsame Strategie gegen Rechts und den Militarismus zu diskutieren.

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