Auch Therapeut*innen gegen Outsourcing
Therapeut*innen am Berliner Universitätsklinikum wollen gleiches Geld für gleiche Arbeit. Nach den Streiks an der Charité Facility Management (CFM) steht nun ein Arbeitskampf an der Charité Physiotherapie und Präventionszentrum GmbH (CPPZ) an.
Stephan Straßer ist Experte für das sogenannte Weaning. Der englischsprachige Begriff bezeichnet den Vorgang, mit dem Krankenhauspatient*innen von Beatmungsgeräten entwöhnt werden. Sie sollen frühestmöglich wieder mit eigener Kraft atmen, um mobil und alltagstauglich zu werden. „Das ist ein langer Prozess“, sagt Straßer, und „kann manchmal Monate oder Jahre dauern“.
Der 34-jährige Physiotherapeut arbeitet seit 2013 in einer Intensivstation am Universitätsklinikum Charité. Aber im Gegensatz zu den Ärzt*innen und Pflegekräften, mit denen er permanent zusammenarbeitet, ist Straßer nicht bei der Charité angestellt. Seinen Arbeitsvertrag hat er bei der Charité Physiotherapie- und Präventionszentrum GmbH (CPPZ), einer hundertprozentigen Tochterfirma des Krankenhauses. Während seine Arbeitskolleg*innen nach dem entsprechenden Tarifvertrag des öffentlicher Dienstes (TVöD) bezahlt werden, bekommen CPPZ-Beschäftigte 600 oder sogar 1000 Euro weniger im Monat.
Seit 2009 werden Therapeut*innen an der Charité nur noch über die CPPZ eingestellt. Geschäftszweck der Tochter ist offenbar Tarifflucht – ähnlich wie bei der Charité Facility Management (CFM), in der das Servicepersonal des Krankenhauses outgesourct wurde. Heute arbeiten knapp 200 Menschen fürs CPPZ: Physiotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen, Sporttherapeut*innen und weitere. 80 haben einen Arbeitsvertrag mit der Charité, weil sie bereits 2008 dort angestellt waren. Diese „gestellten“ Kolleg*innen werden von der Charité ans CPPZ entliehen – deswegen erhalten sie weiterhin Tariflöhne.“ Es ist einfach nicht vermittelbar, dass der Kollege neben dir für die gleiche Tätigkeit 600 Euro mehr bekommt“, sagt Straßer.
Aber Straßer beschäftigt sich nicht nur mit Weaning, sondern auch mit Arbeitsrecht. 2015 gründete die CPPZ-Belegschaft einen Betriebsrat und wählte Straßer zum Vorsitzenden. Obwohl sein Arbeitsplatz in Mitte ist, hat die Geschäftsführung das Betriebsratsbüro letztes Jahr zum Campus Benjamin Franklin in Steglitz verlegt. Nun muss der Interessensvertreter mehrmals am Tag die einstündige Fahrt hinter sich bringen. „Einen guten Teil meines Arbeitstages verbringe ich im Bus M85“ sagt Straßer. Jeden Freitag bleibt er diesem Büro allerdings fern – denn die Arbeit an der Intensivstation findet er im Vergleich zur Betriebsratstätigkeit „erholsam“. Ein ständiges Problem sind befristete Verträge – bis zu 30 Prozent der Kolleg*innen hat einen sachgrundlos befristeten Vertrag.
Die CPPZ-Geschäftsführung ließ eine Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Aber die Therapeut*innen reden mit den Parteien im Abgeordnetenhaus. Die CPPZ-Beschäftigten haben sich, zusammen mit den ebenfalls outgesourcten Therapeut*innen des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes, bereits mit Vertreter*innen von SPD, LINKE und Grünen zusammengesetzt. Im Mai ist eine weitere Runde geplant. Der Senat will sich erst um die bis Jahresende geplante Rekommunalisierung der CFM kümmern, und danach „wird über weitere Eingliederungsschritte in der Koalition diskutiert“, so Tobias Schulze, Wissenschaftsexperte der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Im Vordergrund steht für ihn eine Verbesserung der tariflichen Situation. Wenn nämlich von Tochterunternehmen keine Niedriglöhne mehr gezahlt werden, „dürfte einer der Hauptgründe für das Outsourcing wegfallen“, argumentiert Schulze.
An der CFM wurde vor wenigen Wochen eine geringfügige Lohnerhöhung verkündet. Doch Tariflöhne und eine Wiedereingliederung im Krankenhaus sind trotz der Wahlkampfversprechen von Rot-Rot-Grün in weiter Ferne. Die bisherigen Verbesserungen kamen nur durch Arbeitskämpfe zustande.
Sind Streiks auch bei der CPPZ denkbar? „Auf jeden Fall“, sagt Straßer. Der Grad der Organisierung in der Gewerkschaft und die Streikbereitschaft seien hoch. Sogar gestellte Kolleg*innen, die nicht von einer Gehaltserhöhung profitieren würden, zeigen ihre Bereitschaft, aus Solidarität mit in den Arbeitskampf zu treten. „Auch sie leiden darunter, dass zu wenig Personal da ist, dass die Kollegen ständig wechseln, dass immer jemand neues eingearbeitet werden muss“, erzählt Straßer.
Als Physiotherapeut ist Stepahn Straßer für „Mobilisierung“ der Patienten zuständig. Und jetzt auch als Gewerkschaftsmitglied wird er auch seine Kolleg*innen mobilisieren müssen.