So klangen die ersten Meldungen zur Silvesternacht in Köln. Klar ist, dass viele Frauen einen Albtraum an sexistischer Gewalt erleben mussten. Doch die Geschichte wird für eine massive rassistische Kampagne missbraucht." /> So klangen die ersten Meldungen zur Silvesternacht in Köln. Klar ist, dass viele Frauen einen Albtraum an sexistischer Gewalt erleben mussten. Doch die Geschichte wird für eine massive rassistische Kampagne missbraucht." /> Auch nach Köln: Gegen Sexismus und Rassismus!

Auch nach Köln: Gegen Sexismus und Rassismus!

07.01.2016, Lesezeit 8 Min.
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„Tausend besoffene Flüchtlinge überfallen massenhaft deutsche Frauen." So klangen die ersten Meldungen zur Silvesternacht in Köln. Klar ist, dass viele Frauen einen Albtraum an sexistischer Gewalt erleben mussten. Doch die Geschichte wird für eine massive rassistische Kampagne missbraucht.

Die Silvesternacht in Köln ist in aller Munde: Mindestens 75 Frauen erfuhren dort sexuelle Gewalt, in der Öffentlichkeit, an einem Ort voller Menschen, als sie eigentlich nur fröhlich das neue Jahr begrüßen wollten. Jedes Mal, dass so etwas passiert, ist einmal zu viel. Es ist eine Qual für die betroffenen Frauen, viele leiden noch Jahre später unter dem Übergriff. Und es schafft ein Klima der Angst für alle Frauen, welches es ihnen schwerer macht, ihr Leben unbeschwert zu genießen. Gewalt an Frauen festigt auch immer eine Ordnung, in der öffentliche Räume männliche Räume sind und Frauen potentielle Opfer.

Die Silvesternacht in Köln und die Reaktionen

Sexuelle Übergriffe sind schlimm für die Betroffenen, egal von wem sie ausgeübt werden. Aber es ist glasklarer Rassismus, wenn Sexismus nur bei Migranten erkannt und skandalisiert wird, um dann – den Sexismus von weißen Deutschen ignorierend – von der eigenen „kulturellen Überlegenheit“ zu phantasieren. Beobachten lässt sich auch das bei den Ereignissen in Köln.

Was ist genau passiert? In der Silvesternacht soll sich vor dem Kölner Dom eine Gruppe von ca. 1000 Männern – wobei die Angabe stark schwanken – versammelt haben. Einige von ihnen sollen im Schutz der Masse Frauen sexuell belästigt und dabei ausgeraubt haben, auch eine Vergewaltigung soll stattgefunden haben. Die Lokalpresse berichtete und knapp eine Woche danach sind die Ereignisse in aller Munde. Es wurden bereits mehr als 100 Anzeigen erstattet, mindestens 75 davon sprechen von sexueller Belästigung und Übergriffen. Weitere Informationen werden noch gesammelt, über eine wird bereits heiß diskutiert: Nach Zeugenaussagen sollen die Täter einen nordafrikanischen Migrationshintergrund haben. Dies lieferte natürlich eine Steilvorlage für das rechte Lager, das allein die Herkunft als ausschlaggebend für die Übergriffe ansieht. Sobald Rassismus mit vermeintlichen Fakten unterlegt werden kann, gilt er als gesellschaftsfähig.

Klar ist also, das es sich um krasse Fälle von Sexismus und Gewalt an Frauen handelt, die absolut zu verurteilen sind. Klar ist aber auch, dass nun eine ungeheure Instrumentalisierung durch Rassist*innen stattfindet. Der CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte eine sofortige Abschiebung von Geflüchteten, die sexuelle Gewalt ausüben, der CDUler Jens Spahn forderte einen neuen „Aufschrei“, den es sonst doch bei jedem kleinen „Dirndlwitz“ gebe.

Doch es gab nicht nur solche widerwärtigen Reaktionen: Am Dienstag abend gingen in Köln mehrere Hundert Menschen auf die Straße, um gegen Gewalt an Frauen, aber auch gegen die rassistische Instrumentalisierung zu protestieren. Dabei hielten sie Schilder mit der Aufschrift „Gegen Sexismus – Gegen Rassismus“ hoch. „Die Ereignisse in der Silvesternacht waren ein krasser Auszug sexueller Gewalt gegen Frauen. Das ist schlimm, aber die Gewalt gegen Frauen ist ein Alltagsphänomen, dem viele ausgesetzt sind“, meinte eine Teilnehmerin. Die Moderatorin der Veranstaltung, Tanja Wiesenhof, sagte: „Das Problem von Männergewalt ist kein Einzelfall und schon gar keins, das mit Migranten zu tun hat.“

Rassismus und Alltagssexismus

Viele Politiker*innen warnen nun zwar vor einem Generalverdacht gegenüber Migranten, jedoch ist schon allein die Nennung und Fokussierung auf die Herkunft der Täter ein Problem. Denn wer käme auf die Idee, sie bei deutschen Männern zu erwähnen. Das Entsetzten wäre wohl überhaupt nicht so groß, wenn die Täter als bio-deutsch identifiziert worden wären und es ist fraglich, in welchem Ausmaß darüber berichtet würde. Es ist auch fraglich, ob sich die betroffenen Frauen getraut hätten, die Übergriffe überhaupt anzuzeigen. Denn aus gutem Grund wird nur ein Bruchteil der sexuellen Übergriffe in Deutschland angezeigt: Frauen wird oft gar nicht erst geglaubt und ihnen wird selber die Schuld an den Vorfällen gegeben.

Es ist gut, wenn Frauen geglaubt wird, wenn sie von Übergriffen berichten. Er ist aber ein Zeichen für den krassen Rassismus, dass das nur dann der Fall ist, wenn weiße Frauen Migranten anzeigen. Es wird so getan, als ob Migranten und Geflüchtete prinzipiell Sexisten sind – und als ob Gewalt an Frauen durch „Bio-Deutsche“ die Ausnahme wäre. Dabei gehören sexuelle Übergriffe zum Alltag von Frauen, die in Deutschland leben, egal welcher Herkunft. Und sie finden in allen Teilen der Gesellschaft statt. Frauen sehen sich am Arbeitsplatz und auf der Straße, meist aber im Privaten, in der Familie, sexuellen Übergriffen ausgesetzt, werden zudem permanent mit sexistischen Witzen und Werbungen konfrontiert. Der #Aufschrei, der vor zwei Jahren Alltagssexismus thematisierte, stieß zwar auf viel Resonanz, aber auch auf mindestens so viel Gegenwehr. Das zeigt die Akzeptanz, die Sexismus in der Gesellschaft hat.

Das wird in Köln gerade im Karneval, Jahraus Jahrein das Fest des normalisierten sexuellen Übergriffs, deutlich. Tradition des rheinischen Karnevals ist zum Beispiel das Bützchen: Oft junge Frauen werden von Männern aus dem Karnevalsumzug dazu gedrängt, ihnen einen Kuss auf die Wange zu geben – wer nicht mitmacht, ist eine Spielverderberin. Die Kölnische Rundschau verkündet unbekümmert: „Das Bützchen […] gehört dem DAV zufolge aber zum Brauchtum. Wer das als sexuelle Belästigung auffasst, sollte dem Karneval fernbleiben.” So kann man sich die Welt auch zurecht biegen: Sexuelle Gewalt wird nur anerkannt, wenn sie durch „die Anderen“ verübt wird, wenn deutsche Männer sie ausüben – und dann sogar noch als Teil unserer guten deutschen Tradition! – sind die Frauen selber schuld, wenn sie sich dem aussetzen. Das ist klassisches Victim Blaming.

In eine ähnliche Kerbe schlagen nun auch die Vorschläge der Oberbürgermeisterin von Köln. Es solle nun Verhaltensregeln für Frauen und Mädchen für Großevents geben – als ob es in der Verantwortung der Opfer läge, sich vor Sexismus zu schützen. Und es solle „Verhaltensregeln für Karnevalisten ‚aus anderen Kulturkreisen‘ geben, ‚damit hier nicht verwechselt wird, was ein fröhliches Verhalten ist in Köln und was mit Offenheit, insbesondere sexueller Offenheit überhaupt nichts zu tun hat.'“ Klar, es ist eben nicht immer leicht zu erkennen, welches der Sexismus ist, der eigentlich keiner ist, weil er ja normalisiert und von Traditionen gedeckt ist.

In Abgrenzung zu anderen Ländern gilt die hiesige Gleichberechtigung dann aber als Vorzeigeprojekt. Kristina Schröder meldet sich mal wieder aus dem Off und fordert nun eine Auseinandersetzung mit „gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen anderer Kulturen“, die rechte „Feministin“ Alice Schwarzer setzt ihre rassistische Hetze fort und spricht von einer falschen Toleranz gegenüber muslimischen Männern, die ihrer Meinung nach nun Terror und Krieg nach Köln brächten und die westliche Errungenschaft der Gleichstellung in Gefahr brächten.

Gemeinsam gegen Sexismus und Rassismus

Auch der rechte Mob von Pegida und Co. interessiert sich nur dann für Frauenrechte, wenn er es für die eigene rassistische Agenda nutzen kann. Dabei schert er sich sonst nicht im Geringsten um das Wohlergehen von Frauen, wenn er sie zum Beispiel in ihre traditionelle Rolle in der Familie zurückdrängen oder ihnen den Zugang zu Abtreibung verweigern will. Ihre Besorgnis um die sexuelle und körperliche Selbstbestimmung von Frauen ist also vorgeschoben und zynisch. Das wird auch klar, wenn man bedenkt, dass nur deutsche weiße Frauen damit gemeint sind – zum Beispiel die geflüchteten Frauen, die ins Elend abgeschoben werden sollen, sollen nämlich nicht beschützt werden.

Rechte „Feminist*innen“ um Alice Schwarzer schaffen es meist besser, sich als die Verteidiger*innen der Frauen darzustellen. Dabei interessieren sie sich nicht für die echten Probleme der Mehrheit der Frauen. Sie befürworten imperialistische Interventionen und kümmern sich nicht darum, welches Elend das für Frauen in den betroffenen Ländern bedeutet. Vor allem befeuern sie mit dieser Unterstützung aber auch den Rassismus im eigenen Land und spielen so Frauen in Deutschland gegeneinander aus. Sie tun dies, weil ihre Interessen nicht denen der Mehrheit der Frauen entsprechen und sie ein vollkommen anderes Leben mit anderen Möglichkeiten leben – die Millionen die Alice Schwarzer in der Schweiz geparkt hat, sprechen hier Bände.

Um dem Sexismus zu begegnen müssen sich hingegen Frauen, und solidarische Männer jedweder Herkunft ohne sich spalten zu lassen gegen Gewalt an Frauen, gegen sexuelle Übergriffe und gegen sexistische Ideologien und ihre Grundlage organisieren. Dafür müssen sie sich aber auch gegen Rassismus stellen. Denn nur der gemeinsame Kampf kann erfolgreich sein. Die Demonstration gegen Gewalt an Frauen am Dienstag in Köln kann ein Auftakt für eine solche Gegenwehr sein. Alle anderen Wege führen entweder zur Relativierung der ungeheuren Vorfälle von Köln, oder leisten der aktuellen rassistischen Stimmung noch weiteren Vorschub.

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