Auch im Knast ungebrochen: Der Widerstand iranischer Gewerkschafter
Reza Shahabi, Vorstandsmitglied der Busfahrer*innen-Gewerkschaft in Teheran, wurde zum zweiten Mal inhaftiert. Am ersten Tag seiner Haft schloss er sich einem Hungerstreik an.
Reza Shahabi ist Mitbegründer der Busfahrer*innen-Gewerkschaft in Teheran. Sie wurde im Jahr 2005 mit einen Kampf der ArbeiterInnen der staatlichen Busunternehmen in Teheran „Sherkat e Vahed“ wiedergegründet. Der Bus-Streik 2005 war der erste große Streik nach der systematischen Zerschlagung von Gewerkschaften und sowie der Inhaftierung und Ermordung ihrer Führer*innen in den 80er und 90er Jahren.
Jeder zweite Bus in Teheran stand still
Die unabhängige Busfahrer*innen-Gewerkschaft wurde aber sofort nach ihrer Gründung verboten. Und die Arbeiter*innen, die sich dadurch unabhängig für ihre Rechte organisieren wollten, kriminalisiert. Einige Führungsmitglieder der Gewerkschaft, darunter der Vorsitzende Mansour Osanlu, wurden 2006 inhaftiert. Nach der Inhaftierungen haben die ArbeiterInnen der Busfahrer*innengewerkschaft einen Massenstreik organisiert, wobei es erneut zur Verhaftung von mehr als Hunderte Arbeiter*innen kam.
Die Forderungen der Arbeiter*innen im Streik waren aber nicht auf die Freilassung der Gefangenen beschränkt. Sie forderten auch Lohnerhöhungen, die Auszahlung von Überstunden und das Recht auf eine unabhängige Gewerkschaft.
Bei diesem Massenstreik standen laut iranischen Medien die Hälfte der Busse in Teheran still. Der Teheraner Bürgermeister sagte daraufhin die Erfüllung aller Forderungen zu, einige Inhaftierten wurden freigelassen. Osanlu aber wurde weiterhin im Gefängnis festgehalten, ihm wurden Spionage und Zusammenarbeit mit der Opposition im Ausland vorgeworfen. Die Reaktion des Regimes auf die Proteste war, wie erwartet, harte Repression. Teilweise wurden sogar die Familienangehörige der Arbeiter*innen festgenommen.
Die Repression geht weiter – der Widerstand auch
Trotz der teilweisen Erfüllung der Forderungen des Streiks, ging die Repression weiter. Reza Shahabi ist einer der Vorstandsmitglieder der Busfahrer*innen-Gewerkschaft, die immer noch unter diesen harten Repressionen leiden und dennoch Widerstand leisten.
Er wurde zuerst im Juni 2010 festgenommen und 2012 zum sechs Jahren Gefängnis verurteilt, außerdem gekündigt und musste 6.000 Euro Geldstrafe zahlen. Die Vorwürfe gegen ihn lauteten: „Versammlung und Vereinigung gegen staatliche Sicherheit“ und „Verbreitung von Propaganda gegen das System“. In einem Gefängnis-Brief, den er am 26. Dezember 2010 abschickte, schreibt Shahabi:
Seit meiner Verhaftung und während meines Hungerstreiks wurde ich von Arbeitern aus aller Welt unterstützt. Ich schätze diese Unterstützung und bedanke mich bei allen. Ich hoffe, dass wir Arbeiter es schaffen, mit zunehmender Solidarität, Empathie und Einigkeit unserer Ansprüche ein menschenwürdiges Leben in Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit zu erreichen, schließlich erfolgreich die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse überwinden und unsere Rechte erlangen. Ich hoffe, dass wir alle eines Tages in Frieden, ohne Krieg und Blutvergießen ein menschenwürdiges und ehrenhaftes Leben miteinander führen werden.
Isolationshaft und Folter gehören immer noch zu den Haftbedingungen im Iran. Die letzten fünf Monate Gefängnis wurden Shahabi wegen der gesundheitlichen Folgen von Folter auf Bewährung ausgesetzt. Weil er seine gewerkschaftliche Aktivität nach der Entlassung aber nicht eingestellt hat, wurde er erneut verhaftet und muss nun weitere 17 Monaten hinter Gitter.
Seit über 40 Tagen im Hungerstreik
Neben Reza Shahabi sitzen immer noch viele weitere Arbeiter*innen, die für das Recht auf eine unabhängige Organisation kämpfen, im Gefängnis. Seit über vierzig Tagen befinden sich politische Gefangene des Gohardasht-Gefängnisses (auch Rajai-Shahr-Gefängnis genannt) im Hungerstreik. Am Tag seiner erneuten Verhaftung schloss sich Shahabi ihrem da bereits zehntägigen Hungerstreik an, der inzwischen über 40 Tage dauert.
Einige Arbeiter*innen mussten den Hungerstreik inzwischen aus gesundheitlichen Gründen abbrechen, darunter Pirooz Mansouri, Mitglied einer illegalen ArbeiterInnenplattform, die sich nach dem Busstreik bildete. Er sitzt seit drei Jahren wegen der Teilnahme an einem Gedenksverantsaltung für die im Iran der 80er Jahre ermordeten Marxist*innen ein.
Der Staatsanwaltschaft von Teheran reagierte auf den Hungerstreik der Gefangenen zynisch: „Wir lassen uns von dem Hungerstreik der Gefangenen nicht einschüchtern.“
Die Forderungen der hungerstreikenden Gefangenen richten sich hauptsächlich gegen die miserablen Haftbedingungen für politische Gefangene, welche ihren Widerstand brechen sollen. Darüber hinaus wollen sie in einer Zeit, in der die Industrieländer nach dem Atomabkommen mit dem Iran plötzlich von einem „moderaten Iran“ sprechen, auf die schlechte politische Lage im Iran hinweisen, indem sie ihren eigenen Körper als letztes Mittel des Kampfes in der Gefangenschaft wahrnehmen. Dient die systematische Zerschlagung von Gewerkschaften doch nicht nur der nationalen Bourgeoisie, sondern auch den Interessen der imperialistischen Konzerne, welchen seit dem Atomabkommen Tür und Tor geöffnet sind.