Armut unter Studierenden: Bezahlbares Wohnen auch in WGs nicht möglich

19.04.2023, Lesezeit 4 Min.
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Mehr als 700 Euro für ein WG-Zimmer? Was in München bereits die Regel ist, könnte einer neuen Studie zufolge bald in immer mehr Städten der Fall sein. In ganz Deutschland, aber besonders in Berlin, steigen die Preise rasant. Dass dieser Entwicklung kein Einhalt geboten wird, haben die Regierungen zu verantworten.

Krise folgt auf Krise, die Inflation verteuert die Notwendigkeiten des Alltags, Löhne stagnieren – das trifft Arme, darunter viele junge Menschen und Studierende, besonders hart. Wie eine neue Studie des Moses-Mendelssohn-Instituts (MMI) nun zeigt: Auch das Zusammenleben in Wohngemeinschaften (WGs) wird immer teurer. Während der bundesweite Durchschnitt binnen kürzester Zeit um 23 Euro auf 458 Euro gestiegen ist, zeigt sich die Mietenentwicklung in vollster Drastik vor allem in Großstädten und an Universitätsstandorten. In München, schon lange Spitzenreiter in Sachen Miete, zahlt man für ein WG-Zimmer im Schnitt stolze 720 Euro. In der bayerischen Landeshauptstadt stehen 15.000 Menschen auf den Wartelisten des Studierendenwerks. Berlin hat sich inzwischen auf Platz zwei hochgearbeitet – hier stiegen die Mieten innerhalb eines Jahres um 28 Prozent von 500 auf 640 Euro. Auch hier warten 4.600 Studierende auf eine Unterkunft des Studierendenwerks. In folgenden Städten erhöhten sich die Mieten in den letzten zwölf Monaten um mindestens zehn bis über 20 Prozent: Erfurt, Magdeburg, Passau, Leipzig, Bonn, Lüneburg, Köln, Hamburg, Essen, Oldenburg, Mainz, Freiburg, Düsseldorf und Mannheim. Diese Entwicklung bedeutet nahezu eine Verdopplung der Mieten innerhalb zweier Studierendengenerationen.

Studierende werden von den Regierungen vernachlässigt

Die schlechte Lage der Studierendenschaft ist in allen möglichen Dimensionen nachweisbar. Laut Statistischem Bundesamt waren 2021 knapp 38 Prozent der Studierenden armutsgefährdet – für das vergangene Jahr müssten es viel mehr sein. Gleichzeitig erhalten nur unter zwölf Prozent der Studierenden BAföG – dabei ist BAföG meistens, wenn es denn nun ausgezahlt wird, nicht annähernd ausreichend. In den Krisen der letzten Jahre wurden Studierende mit mickrigen und hochgradig bürokratischen Einmalzahlungen abgespeist. Bezeichnend ist darüber hinaus, dass eine studentische Anstellung keineswegs vor Armut schützt: Über drei Viertel der studentischen Hilfskräfte sind armutsgefährdet, wie eine aktuelle Studie zeigt. Wie Studis Online kommentieren: „Wenn Nachwuchswissenschaftler das akademische Prekariat an den Hochschulen bilden, haben studentische Hilfskräfte den Status des Fußabtreters.“ Deswegen engagieren wir uns als Klasse Gegen Klasse in der bundesweiten Initiative studentischer Beschäftigter zur Erkämpfung eines Tarifvertrags.

Natürlich sind steigende WG-Preise kein exklusiv studentisches Problem. „Auf dem freien Markt werden Wohngemeinschaften mittlerweile auch stärker von jüngeren Berufstätigen und älteren Mietern der Generation 60 plus nachgefragt“, sagt Annegret Mülbaier vom Internetportal WG-gesucht.de. Das erhöht einerseits den Druck auf den sowieso schon überspannten WG-Wohnungsmarkt, andererseits ist die Entwicklung selbst ein Ausdruck steigender Armut in der Gesamtbevölkerung.

Regierungen in der Verantwortung

Die kapitalistische Logik hat auch im Bereich Wohnen einen Freifahrtschein. Mangelnde Regulierung durch Bund und Länder sind das Resultat enger Zusammenarbeit der Immobilienlobby mit Parteien und führenden Politiker:innen. Dementsprechend ist es auch wenig verwunderlich, dass die Mietsteigerungen auch in den Verantwortungsbereich der amtierenden Ampelkoalition fallen. Noch eindrücklicher ist das handfeste Versagen der inzwischen abgewählten rot-grün-roten Landesregierung in Berlin. Schließlich war es hauptsächliche Amtshandlung dieser Regierung, den demokratischen Volksentscheid, große Wohnungskonzerne zu enteignen, zu verschleppen. Während sich die abgewählte Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) für Spenden aus der Immobilienlobby bedankte, beteuerte sie abermals: „Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, mich für Enteignungen einzusetzen.“ Was für Giffey eine moralische Frage ist, ist für uns harte Realität. Wir spüren die Ergebnisse dieser horrenden Politik am eigenen Leib. Wir müssen uns organisieren, damit wir das, was die Regierungen heute versäumen, morgen selbst in die Hand nehmen können!

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