Argentinische Kongressabgeordnete Myriam Bregman erhält Todesdrohungen

19.09.2016, Lesezeit 6 Min.
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Zu Beginn letzter Woche erhielt die renommierte Menschenrechtsanwältin und Kongressabgeordnete der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen (PTS) Myriam BregmanTodesdrohungen, nachdem sie die bürokratische Führung der argentinischen Gewerkschaft der Ölarbeiter*innen kritisierte und die Arbeitsmarktreformen scharf attackierte.

Am 7. September hielt die Kongressabgeordnete Myriam Bregman eine Rede auf der Ausschusssitzung des Kongresses. In dieser kritisierte sie den neuen Entwurf der Regierung zum Jugendarbeitsgesetz. Der Entwurf plant die Löhne für junge Arbeiter*innen zu senken, bestehende Tarifverträge zu untergraben und Unternehmen, die junge Arbeiter*innen unter den neuen Bestimmungen beschäftigen, Hungerlöhnen und Steuersenkungen anzubieten. Dieses Gesetz würde ebenfalls Zuschüsse für internationale Unternehmen wie McDonalds beinhalten, indem sie mit billigen Arbeitskräften und Millionen US-Dollar staatlicher Unterstützung versorgt werden.

Während der selben Sitzung kritisierte sie die bürokratische Führung der Öl- und Gasarbeiter*innengewerkschaft der Stadt Avellaneda (Sindicato del Petróleo y Gas Privado de Avellaneda) für ihre Zerschlagung einer bürokratie-kritischen Gruppe einfacher Arbeiter*innen. Sie sagte:“Meine Genoss*innen aus der Shell-Raffinerie gingen zum Gewerkschaftsbüro um sich registrieren zu lassen, aber das Büro war geschlossen. So war es ihnen nicht möglich ihre Gruppe für die nächste Wahl anzumelden. Selbiges geschah vor zwei Jahren, als Aranguren (damaliger Generaldirektor von Shell-Argentinien und derzeitiger Energie-Minister) den Vorfall nutze um die Arbeiter*innen vor die Tür setzen zu können.“

Die Gruppe setzt sich aus einfachen Arbeiter*innen zusammen die sich gegen die Gewerkschaftsbürokratie der Öl- und Gasarbeiter*innengewerkschaft organisierten. Die Gewerkschaft wird von Alberto Roberti geführt. Dieser ist ebenfalls Präsident des Kongress-Ausschuss, in dem über die neuen Reformen des Arbeitsgesetz beraten wird.

Todesdrohungen gegen Linke

Noch während der stundenlangen Sitzung erhielt Myriam Bregman einen anonymen Anruf in ihrem Abgeordneten-Büro: „Du Kommunistensau, wir stechen Dich ab“.

Solche Drohungen kommen heute in Argentinien nur noch relativ selten vor. Wesentlich häufiger waren sie während der argentinischen Militärdiktatur von 1976-1982, in der es eine systematisch durchgeführte Reihe von Entführungen, Folterungen und Verschwinden lassen von annähernd 30.000 Personen gab – vor allem Studierende, Gewerkschaftsfunktionär*innen und Linke.

Die Nachricht über die Todesdrohung die Myriam Bregman erhielt, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien und es dauerte nicht lange, bis sie auch die größeren Medienunternehmen in ganz Argentinien erreichten. Eine der größten Nachrichtenagenturen (Cronica TV) brachte die Schlagzeile „Kongressabgeordnete Myriam Bregman erhält Todesdrohungen“. Die Mainstream-Medien wie auch die unabhängigen und alternativen Medien und die regionalen Medien berichteten über den Vorfall. Hunderte von Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, sozialen Bewegungen, Journalist*innen und Kongressabgeordneten aus allen Provinzen des Landes bekundeten öffentlich ihre Empörung über die Drohungen gegen Myriam Bregman.

Anwältin gegen die Militärdiktatur

Bregman hat die landesweite Anerkennung als eine Stimme der sozialen Kämpfe, der Rechte der Arbeiter*innen, der Frauen, der LGBTI* und der Jugend erhalten. Sie hat gegen staatliche Spionage und Terror, gegen Frauenmorde und für das freie und umfassende Recht auf Abtreibung gekämpft.

Sie ist Mitbegründerin des „Centro de Profesionales por los Derechos Humanos“ (Zentrum für Menschrechtsanwält*innen), einer Gruppe von Anwält*innen die die Rechte von Arbeiter*innen verteidigen und bei schweren Fällen staatlicher Repression tätig werden. Ebenfalls ist sie Mitbegründerin von Justica Ya! (Gerechtigkeit jetzt!) die Gerichtsverfahren gegen ehemalige Mitglieder der Militär-Diktatur anführen.

2006 führte sie die Ermittlungen im prominenten Strafprozess gegen ehemalige Militärführer während der Diktatur. Viele der leitenden Führungskräfte und Straftäter, die während der Militärdiktatur die systematische Vernichtung politischer Gegner durchführten, laufen auch heute noch frei umher, ohne je von der Justiz behelligt worden zu sein. Jorge Julio Lopez bot sich als Hauptzeuge an. Er erzählte von seinen eigenen eindrücklichen Erfahrungen, von seiner Entführung und Folter. Doch bevor er seine endgültige Zeugenaussage tätigen konnte verschwand er erneut. Bis heute ist er nicht wieder aufgetaucht.

Bregman führte ebenfalls die Ermittlungen gegen Miguel Osvaldo Etchecolatz, einer zentralen Führungsfigur während der Diktatur. Er wurde endgültig wegen Mord, Entführung und Folter zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Bregman ist eine der Führungsfiguren der Partido des los Trabajadores (Partei Sozialistischer Arbeiter*innen). Sie wurde 2013 über das sozialistische Wahlbündnis Front der Linken und der Arbeiter*innen (FIT) ins Parlament gewählt. Während der letzten Präsidentschaftswahl war sie die Kandidatin zur Vize-Präsidentin der Front der Linken und der Arbeiter*innen. Sie wurde bekannt für ihre energische Kritik an der derzeitigen konservativen Regierung unter Präsident Macri, aber auch an den vorherigen peronistischen Regierungen.

Ein Angriff auf alle

Die Todesdrohungen gegen Myriam Bregman geschehen inmitten einer politischen Kehrtwende in Lateinamerika, mit dem Staatsstreich in Brasilien und den Attacken gegen die Lebensbedingungen der argentinischen Arbeiter*innen. Diese nötigen die Arbeiter*innen dazu sich gegen die Sparpolitik ihrer Regierung zu wehren, wegen der bereits Tausende ihre Arbeit verloren haben und Millionen in Armut leben müssen. Die Kongressabgeordneten der FIT und der PTS kämpfen an vorderster Front und verurteilen die Angriffe gegen die Arbeiter*innen. Die aktuellen Drohungen gegen die politische Opposition ergänzen die Sparpolitik von Präsident Macri und die Repressionen gegen den Widerstand der Arbeiter*innen.

Die Front der Linken und der Arbeiter*innen fordert im Kongress von Argentinien Ermittlungen wegen der Drohungen.

Wir, die Autor*innen und Redaktion von Klasse Gegen Klasse, unterstützen die Forderung und treten voller Inbrunst dem Bündnis der zahlreichen Gewerkschaften, sozialistischer Organisationen, prominenter Personen, Kongressabgeordneten und aller anderen bei, die diese Bedrohung verurteilen. Wir sehen diese Drohung als ein Angriff auf alle Arbeiter*innen, Aktivist*innen und Kommunist*innen, die Bregman in ihrer Tätigkeit als Kongressabgeordnete vertritt. Ein Angriff auf eine von uns, ist ein Angriff auf alle.

Briefe und Solidaritäts-Bekundungen können gesendet werden an info@klassegegenklasse.org

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