Argentinien: Harter Arbeitskampf in den Klassenzimmern

05.04.2017, Lesezeit 4 Min.
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Seit über einem Monat streiken die Lehrer*innen Argentiniens für eine Anpassung der Löhne an die Inflation. Die Regierung bleibt hart und reagiert mit dreisten Vorschlägen. Am Donnerstag steht ein Generalstreik an.

Der Arbeitskampf der Lehrer*innen in Argentinien geht inzwischen in die fünfte Woche. Die Kolleg*innen kämpfen für eine Lohnerhöhung, die mindestens die Lohnverluste durch die Inflation der letzten anderthalb Jahre übersteigt.

Nachdem die rechte Macri-Regierung im vergangenen Jahr den argentinischen Peso massiv entwertet hatte, betrug die Inflation, also die durchschnittliche Erhöhung der Preise, 2016 40 Prozent. In diesem Jahr werden es mindestens 18 Prozent sein. Dem gegenüber stand im letzten Jahr eine Erhöhung des Mindestlohns für Lehrer*innen um nur 18 Prozent, was massive Reallohnverluste bedeutete.

Die Tarifverhandlungen der Lehrer*innen sind in Argentinien Sache der Provinzen, jedoch kann das nationale Bildungsministerium zu nationalen Tarifverhandlungen aufrufen, um eine Mindesterhöhung festzulegen. Die Regierung weigert sich jedoch bisher, das zu tun – sie will die Lehrer*innen am ausgestreckten Arm verhungern lassen.

Streikbrecher*innenangebot durch die Regierung

In Buenos Aires, der wichtigsten Provinz des Landes, in der fast die Hälfte aller Lehrer*innen angestellt sind, bietet die rechte Provinzregierung unter Gouverneurin Maria Eugenia Vidal auch nach über einem Monat Streik bisher nur 19 Prozent an – während die Gewerkschaften mindestens 35 Prozent fordern.

Dutzende Streiks und mehrtägige landesweite Streiktage brachten Hunderttausende Lehrer*innen auf die Straße, doch die Regierung bleibt hart und will den Konflikt aussitzen. Doch nicht nur das: Immer wieder zeigen Regierungsvertreter*innen ihre dreiste Verachtung gegenüber den Lehrer*innen. Anstelle auf die Forderungen der Kolleg*innen einzugehen, forderte die Gouverneurin Vidal die Lehrer*innen zu „Präsenz“ auf und bot dafür Prämien an – das heißt im Klartext finanziert sie Streikbruch und bestraft gleichzeitig diejenigen Lehrer*innen, die aus Krankheitsgründen fehlen. Und das, obwohl 80 Prozent aller Lehrer*innen zugeben, dass sie auch krank zur Arbeit kommen, während 20 Prozent aller Lehrer*innen, die längere Fehlzeiten haben, unter Krankheiten leiden, die aus ihrer Arbeit in den Klassenzimmern stammen. Als wäre das noch nicht dreist genug: Als Vidal noch Parlamentspräsidentin in der Stadt Buenos Aires war, fehlte sie zwischen 2012 und 2014 bei 65 Prozent aller Parlamentssitzungen.

Nun steht der Kampf vor einem Scheideweg: Am Donnerstag findet ein landesweiter Generalstreik gegen die Kürzungspolitik der nationalen Regierung statt – der erste seit Amtsantritt des rechten Neoliberalen Mauricio Macri als Präsident. Der Kampf der Lehrer*innen könnte sich dort mit den restlichen Sektoren im Kampf verbinden und neuen Druck auf die Regierung ausüben.

Multiple-Choice-Befragung der Gewerkschaftsbürokratie

Jedoch scheinen die Gewerkschaftsbürokratien der verschiedenen Lehrer*innengewerkschaften einen Schritt zurück gehen zu wollen: Sie schlugen für diese Woche eine „Multiple Choice“-Abstimmung über den weiteren Streikverlauf ab, bei der jede*r einzelne Lehrer*in individuell zwischen verschiedenen Optionen wählen soll. Unter den Optionen befindet sich aber beispielsweise nicht die Möglichkeit, jeden Abschluss abzulehnen, der nicht die Bezahlung der Streiktage durch die Regierung beinhaltet.

Doch noch mehr als das Fehlen einiger Abstimmungsmöglichkeiten ist die Methode selbst skandalös: Die Bürokratie will die bisherige Funktionsweise der Abstimmung in Vollversammlungen durch einen Fragebogen ersetzen und so der geballten Kraft der kämpferischen Delegierten die Vereinzelung entgegensetzen – was es ihr erleichtert, auf bürokratische Weise den Kampf abzubrechen.

In der nun fünften Woche des Konfliktes geht es also nun nicht mehr nur darum, die Regierung zum Einlenken zu zwingen, sondern auch, den Manövern der Bürokratie die Selbstorganisation der Lehrer*innen entgegenzusetzen. Die kämpferischen Teile der Gewerkschaft SUTEBA, in der unter anderem unsere Genoss*innen der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen organisiert sind, hat die Methoden der Bürokratie zurückgewiesen und die Entscheidung über den weiteren Kampfplan in Vollversammlungen jedes Bezirks und auf einem provinzweiten Plenum gefordert.
Die kommenden Tage versprechen heiß zu werden.

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