Argentinien: Großer Triumph der Arbeiter:innen im Gesundheitwesen nach wochenlangen Streiks und Straßenblockaden
Die Arbeiter:innen aus Neuquén, einer Provinz im argentinischen Patagonien, haben einen großen Sieg errungen. Nach zwei Monaten des Kampfes und mehr als 20 Tagen Straßenblockaden waren Selbstorganisation und die immense Unterstützung durch die Bevölkerung der Schlüssel zum Sieg.
Der Sieg der Arbeiter:innen im Gesundheitswesen in Neuquén in ihrem Arbeitskampf ist ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, zu kämpfen und zu gewinnen. Während die Gewerkschaftsführung, die sie „vertritt“, sich weigerte, für ihre Forderungen zu kämpfen, organisierten sie sich selbst und errangen eine Lohnerhöhung für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst.
„Nachdem wir von der Regierung eine Gehaltserhöhung für alle Staatsangestellten erhalten haben – auch wenn das Angebot immer noch ungenügend war –, beschlossen wir die Straßen zu verlassen, aber nicht den Kampf“, versicherte der Sprecher der selbstorganierten Versammlung, Marco Campos.
Die erste Lektion aus dem Kampf des Gesundheitspersonals in der Provinz Patagonien ist, dass man kämpfen kann, es mit radikalen Methoden machen kann und vor allem, dass man die Gewerkschaftsführung überwinden kann, wenn sie nicht zum Kampf bereit sind.
So begann der Konflikt der Neuquén. Die Gewerkschaftsführung der Staatsangestellten der Provinz, die Vereinigung der Staatsbediensteten (La Asociación de Trabajadores del Estado (ATE)), fing an das Gesunheitspersonal zu diskreditieren, die nach einem Jahr der Krise und unzähligen Opfern aufgrund der Pandemie eine miserable Lohnerhöhung von Seiten der Regierung ablehnten.
Der Gewerkschaftschef der ATE machte sich sogar über sie lustig und nannte sie verächtlich „Elefanten“. Er sagte, mit den Arbeiter:innen zu streiten, die für einen existenzsicheren und würdigen Lohn kämpfen, sei „wie mit einem Elefanten zu tanzen, man weißt nicht, ob man ihm am Schwanz oder am Rüssel packen soll, weil er nicht weiß, wie man diskutiert.“
Das Gesundheitspersonal, welches bereits eine erhebliche Unterstützung von der Bevölkerung hatte, schrieb sich diesen Beinamen auf die Fahne und erwiderte, dass sie „Elefanten“ seien, weil sie stark auftreten, ein Gedächtnis hatten und in Herden liefen. Und sie verstärkten ihren Kampf noch.
Als schon 35 Tage des Kampfes in der Provinzhauptstadt und den wichtigsten Städten vorbei waren, radikalisierten die Arbeiter:innen, die sich angesichts des Verrats der Gewerkschaftsführung bereits selbstorganisiert hatten, die Methode ihres Kampfes und gingen hinaus, um die Straße zu blockieren.
Aber sie blockierten nicht irgendeine Straße, sondern diejenigen, die zum Öl- und Gasfeld Vaca Muerta führen. Es handelt sich hierbei um eine der wichtigsten Lagerstätten nach der Fracking-Methode im Land und der Haupteinnahmequelle der Provinz.
So hat nach 60 Tagen eines historischen Kampfes und mehr als 20 Tagen Straßenblockaden der Route nach Vaca Muerta die Provinzregierung der Movimiento Popular Neuquino, die sich geweigert hatte sie zu empfangen, schließlich nachgegeben und ihnen eine Gehalterhöhung gewährt. Die Regierung musste nach diesem historischen Kampf in der Provinz von ihrer harten Haltung abrücken, und die Gewerkschaftsbürokratie der ATE, die den Kampf von Anfang an boykottiert hat, ist nun geschwächt und angeschlagen.
So war der Kampf und die Organisation
Die „Elefanten“ von Neuquén führten den härtesten Kampf der aktuellen Welle des Widerstands von Arbeiter:innen in Argentinien. Sie streikten ohne die Unterstützung einer Gewerkschaftführung, sie organisierten sich in krankenhausübergreifenden Versammlungen, hielten Märsche mit der Gemeinde ab und legten mit fast 30 Mahnwachen in der gesamten Provinz Neuquén die Öl- und Gasförderung in Vaca Muerta für 22 Tage lahm.
Das erreichten sie, in dem sie sich mit den Mapuche-Gemeinden und der Bevölkerung in den Ölstädten verbündeten.
Sie gaben nicht auf und sie rebellierten nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die Gewerkschaftsbürokratie, die vom ersten Tag an gegen sie spielte. Ein großartiges Beispiel für den Kampf und die Organisation für die ganze Arbeiter:innenklasse.
Aus einer Vereinbarung von 12 Prozent, die zwischen der Regierung und den Gewerkschaftführer:innen der UPCN und ATE unterzeichnet worden war, wurde nach 55 Tagen des Kampfes ein Gesamtangebot von 53 Prozent, das aber erst im März 2022 ausgezahlt werden sollte. Angesichts der Ablehnung durch die Versammlungen musste die Regierung das Angebot nachbessern, sodass nun die gesamte Erhöhung im Jahr 2021 ausgezahlt wird. Obwohl sie deutlich machten, dass sie mehr wollen, sowohl beim Gehalt als auch bei den Arbeitsbedingungen, durchbrach der krankenhausübergreifende Sektor die Gehaltsobergrenze für alle Staatsangestellten in Neuquén.
Die krankenhausübergreifende Versammlung, die am vergangenen Mittwoch an der Streikpostenlinie in der Stadt Fortin de Piedra stattfand, beschloss, die Straßensperren aufzuheben, aber mit energischen Maßnahmen fortzufahren und die Straßenblockaden am internationalen Pass in Villa La Angostura aufrecht zu erhalten. Dann zogen sie in einer Karawane von der Stadt Añelo (wo sich Vaca Muerta befindet) nach Neuquén und endeten im Zentrum der Stadt, wo „die Elefanten“ mit enormer Unterstützung der Bevölkerung empfangen wurden.
„Heute haben wir in einer krankenhausübergreifenden Versammlung beschlossen, die Straßenblockaden in Vaca Muerta zu beenden, nach 22 ununterbrochenen Tagen, die die Gas- und Ölproduktion lahmgelegt haben und darauf hinweisen, wo die millionenschweren Ressourcen der Provinz liegen, die aber Tag für Tag von den multinationalen Konzerne geplündert werden. Wir haben dies in Anbetracht der Tatsache beschlossen, dass die Regierung nach 60 Tagen Kampf und drei Wochen Straßenblockaden von ihrer harten Haltung abrücken und eine Lohnerhöhung auf das Grundgehalt gewähren musste – und zwar nicht nur für das Gesundheitswesen, sondern für alle Staatsangestellten der Provinz. Auch wenn sie uns nicht empfangen wollten und alles hinter geschlossenen Türen mit der Bürokratie von ATE ausgehandelt haben, weiß jeder, dass es sich um eine Eroberung des Kampfes der selbstorganisierten Versammlung handelt“, sagte Marco Campos, Referent der selbstorganisierten Versammlung des Krankenhauses Castro Randón in der Provinzhaupstadt.
Campos fügte hinzu: „Diese Entscheidung ist vor allem eine Geste gegenüber der ganzen Gemeinde, die uns unterstützt hat und uns diese 22 Tage auf den Straßen begleitet hat, indem sie uns Feuerholz, Wasser, Nahrung und vor allem Ermutigung gebracht hat, nicht aufzugeben, wie die Gemeinde Añelo und die Mapuche-Gemeinden. Auch weil sie sich in Neuquén und allen Ortschaften in Fackelmärschen, Karawanen mobilisierten oder kamen, um Lebensmittel zu den Streikposten zu bringen. Die Unterstützung durch die Gemeinde war für uns grundlegend.“
Schließlich sagte der Anführer der selbstorganisierten Versammlung, dass „die heutige Entscheidung der krankenhausübergreifenden Versammlung eine neue Etappe unsere Kampfes eröffnet, die hier nicht endet. Neben der fortgesetzten Forderung nach Verringerung der Abstände zwischen den Lohnerhöhungen warten wir immer noch auf die Wiedereinstellung vieler Gelegenheitsarbeiter:innen, die Erstattung der abgezogenen Streiktage, die Aufhebung der bestehenden Schnellverfahren und keine Einleitung von Strafverfahren oder Schnellverfahren gegen irgendjemanden von denen, die auf den Straßen waren. Daher fordern wir, dass die Regierung sich mit der Vertreter:innen der selbstorganisierten Versammlungen zusammensetzt. Und vor allem müssen wir die provinzielle Organisation der selbstorganisierten Versammlungen stärken, die uns hierher gebracht hat und dem Gesundheitskampf Kraft gegeben hat, als wir von der Gewerkschaftsbürokratie verraten wurde.“