Argentinien: Der Widerstand gegen die brutalen Sparpläne der neuen rechten Regierung hat begonnen

21.12.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: La Izquierda Diario

Nur zehn Tage nach ihrem Amtsantritt protestierten Tausende in Buenos Aires inmitten massiver Polizeirepression gegen die Regierung. Im Anschluss erließ Präsident Milei ein noch brutaleres Kürzungspaket, gegen das am Abend spontane Massenproteste ausbrachen.

Erst seit wenigen Tagen ist die rechte ultraliberale Regierung von La Libertad Avanza („Die Freiheit schreitet voran“) und Präsident Javier Milei im Amt. Doch schon jetzt ist klar, dass sie vorhat, auf autoritäre und brutale Weise gegen die großen Mehrheiten vorzugehen – wenn nötig, mit Hilfe von Notfalldekreten und Repression. Schon kurz nach Amtsantritt kündigte Milei mit seinen rechten Minister:innen wie Patricia Bullrich und Luis Caputo einen brutalen wirtschaftlichen Anpassungsplan an: die stärkste Währungsabwertung der letzten 20 Jahre, eine starke Haushaltsanpassung, Preissteigerungen für Strom, Gas, Mieten und öffentlichen Nahverkehr, und Entlassungen.

Gegen diese Pläne gingen am Mittwoch in der Hauptstadt Buenos Aires Tausende von Menschen auf die Straße und liefen mit großer Moral zur zentralen Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast. Dabei setzten sie sich gegen massive Polizeirepression und Einschüchterungsversuche durch, nachdem „Sicherheits“-Ministerin Bullrich praktisch einen Belagerungszustand ausgerufen hatte. Die Demonstration, an der dutzende soziale, gewerkschaftliche und politische Organisationen teilnahmen – darunter auch die Parteien der Front der Linken und der Arbeiter:innen (FITU) –, war ein erster wichtiger Schritt, um den Widerstand gegen die sozialen Angriffe der Regierung zu vervielfachen. Die Perspektive besteht darin, auf Koordination zu setzen, einen landesweiten Streik und einen Kampfplan von den Gewerkschaften zu fordern, so wie einen Generalstreik gegen diese neue Ausplünderung im Dienste des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu organisieren.

Ihre extremen Anpassungspläne hat die angebliche „Freiheits“-Regierung schon in den ersten Tagen ihrer Amtszeit mit harten Angriffen auf grundlegende demokratische Freiheiten wie das Demonstrations- und Versammlungsrechts ergänzt. So hatte die Regierung ein „Anti-Blockade-Protokoll“ eingesetzt, um Straßenblockaden durch Proteste zu verhindern – seit der letzten argentinischen MIlitärdiktatur hatte niemand ein ausdrückliches Verbot von Straßenprotesten dieser Art rechtlich festgehalten. Doch damit nicht genug: Die Staatsmacht setzte auch Drohung und Erpressung ein. Sie nutzte Propaganda-Lautsprecher in Bahnhöfen, um die auf Sozialleistungen angewiesenen Teile der Bevölkerung zu terrorisieren, indem sie sagten: „Wer die Straße blockiert, erhält keine Leistungen“. Sie führten Polizeieinsätze und Filmaufnahmen in Bussen durch und setzten Gendarmerie und Bundespolizei auf dem Gebiet der Autonomen Stadt Buenos Aires ein. Sogar der nationale Kongressabgeordnete Nicolás del Caño (PTS-FITU) wurde von einer Gruppe von Polizeibeamt:innen der Bundes- und Stadtpolizei angegriffen, während sie die Demonstrant:innen, die sich in der Gegend aufhielten, schlugen, schubsten, niederwarfen und mit Tränengas beschossen. Del Caño konnte dem Angriff entkommen, nachdem es seinen Genoss:innen gelungen war, das gewaltsame Vorgehen der Polizei zu stoppen.

Die Regierung inszenierte eine Show rund um die repressive Operation, indem sie eine Art „Bunker“ im Hauptquartier der Bundespolizei zeigte, von dem aus die Aktionen der Bundeskräfte überwacht wurden. Präsident Javier Milei, Sicherheitsministerin Patricia Bullrich und „Ministerin für Humankapital“ Sandra Pettovello waren vor Ort. Auf diese Weise bestätigten sie noch einmal, dass die Anpassung nur mit Repression erfolgen kann.

Am Nachmittag war die Wut auf die Regierung auf der Straße zu spüren: Trotz des massiven Polizeieinsatzes und der Drohkampagne der Regierung, die von einem Teil der Mainstream-Medien unterstützt wurde, zog eine große Mobilisierung durch die Straßen von Buenos Aires. Dutzende von Organisationen nahmen teil, um das Recht auf Protest zu verteidigen und die brutalen Sparmaßnahmen gegen die arbeitende Bevölkerung anzuprangern. Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Stadtpolizei, der Bundespolizei und der Gendarmerie. Nachdem die Protestzüge sich gegen die Polizei durchsetzen konnten, versammelten sich die Demonstrant:innen auf der Plaza de Mayo. Die Parteien der Front der Linken und der Arbeiter:innen (FITU) haben die Mobilisierung mit vorbereitet, indem sie auch gezeigt hat, dass die Parole „Es gibt kein Geld“ eine Erpressung ist: Sie verschleiert die Tatsache, dass das internationale Finanzkapital, die Banken, die Lebensmittelkonzerne, die Bergbauunternehmen und die Großgrundbesitzer:innen ein Vermögen einstecken.

Noch am selben Abend der großen Demonstration ging die Milei-Regierung erneut zum Angriff über: Im nationalen Fernsehen verkündete er ein „Mega-Dekret“ der „Notwendigkeit und Dringlichkeit“, das unter anderem die Aufhebung des Mietgesetzes, die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und die Flexibilisierung der Arbeit vorsieht. Javier Milei beabsichtigt, wie ein Monarch zu regieren, der die öffentliche Macht konzentrieren will, und er wendet auch einen Wahlbetrug an: Seine Angriffe gehen nicht gegen die „Kaste“, wie er im Wahlkampf behauptete, sondern gegen die arbeitenden Massen, die Frauen, die Jugend und die Rentner:innen.

Der Präsident regiert schon in den ersten Tagen seiner Amtszeit per Dekret, weil es für ihn unmöglich wäre, im Kongress Maßnahmen zu verabschieden, die die große Mehrheit betreffen. Die Änderungen, die er durchsetzen will, sind Teil des von Wirtschaftsminister Luis Caputo angekündigten Kriegsplans gegen die Werktätigen. Die Ankündigung erfolgte am selben Tag, an dem sie zusammen mit Sicherheitsministerin Bullrich eine große Operation vorbereiteten, um all jene in Angst und Schrecken zu versetzen, die gegen die Regierung mobilisieren wollen.

Milei nutzte mit der Ankündigung des Dekrets erneut erpresserische Methoden: Diese Maßnahmen, die sie umsetzen wollen, würden dazu dienen, „die schlimmste Krise in unserer Geschichte zu vermeiden“. Es handelt sich jedoch um eine Kombination von Maßnahmen, die Privatisierungen, einer stärkeren Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und der Freiheit der Kapitalist:innen, Preise nach eigenem Gutdünken zu gestalten, Tür und Tor öffnet. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören: eine Arbeitsreform und das Verbot des Streikrechts für große Teile der Arbeiter:innen, die Aufhebung des Mietgesetzes, die Umwandlung aller staatlichen Unternehmen in Aktiengesellschaften und ihre Privatisierung, die Abschaffung des Industrieförderungsgesetzes und wichtige Reformen im Gesundheitsbereich.

Der nationale Abgeordnete der PTS-FITU Christian Castillo prangerte das Dekret an: „Es gibt weder eine Notwendigkeit noch eine Dringlichkeit. Es ist eine Art Putsch im Parlament im Stil [des neoliberalen peruanischen Ex-Präsidenten] Fujimori, um die Rechte der Arbeiter:innen zu beseitigen und den Großunternehmen neue Vorteile zu verschaffen. Es braucht einen Streik und Kampfplan jetzt gegen das Dekret.“ Es ist notwendig, Versammlungen und Kampfpläne zwischen den verschiedenen Sektoren und die breiteste Einheit der Arbeiter:innenklasse – egal ob mit oder ohne Beschäftigung – zu organisieren und zu koordinieren, um der Regierung entgegenzutreten und den Gewerkschaftszentralen einen Kampfplan und einen landesweiten Streik aufzuzwingen.

Dieser Artikel basiert auf Informationen unserer argentinischen Schwesterzeitung La Izquierda Diario.

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