Arbeitslose verbrennen in Neapel ihre Rechnungen: „Wir können sie nicht bezahlen“

08.09.2022, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Movimento di Lotta - Disoccupati "7 Novembre" auf Facebook

Mit einer öffentlichen Verbrennung von Rechnungen hat eine Arbeitslosenorganisation in Neapel gegen die explodierenden Strom-, Wasser- und Gaspreise protestiert.

Vergangenen Freitag organisierte die Arbeitslosenorganisation „Bewegung 7. November“ auf der Piazza Matteotti vor dem Hauptpostamt in Neapel einen „fuocarazzo“: Mehr als einhundert Personen zündeten ein Feuer an, um gegen die in die Höhe geschossenen Strom-, Wasser- und Gasrechnungen zu protestieren. Sie schlossen sich damit an ein ähnliches Feuer an, das vor einigen Tagen in den Straßen von Glasgow in Schottland organisiert wurde.

„ Wir haben die leeren Versprechungen satt. Seit Jahren warten wir auf einen Job und heute können wir die dreifachen Beträge nicht bezahlen“, beklagten sich die Arbeitslosen in Neapel.

„Wir sind hier, weil die Arbeiter:innen müde sind, wie es in Glasgow und in vielen anderen europäischen Ländern der Fall ist. Wir können nicht länger für ihre Krise, ihren Krieg, ihre Spekulationen bezahlen“, sagt Eddy Sorge, Vorsitzender der „Bewegung 7. November“ und der Basisgewerkschaft Si Cobas. „Es sind nicht nur die Rechnungen, die steigen, sondern die Lebenshaltungskosten insgesamt, auch die Preise für Lebensmittel, Benzin und Dienstleistungen steigen. Es ist nicht mehr möglich zu überleben.“

„In der Zwischenzeit findet ein Wahlkampf statt, der weit von den konkreten Bedürfnissen der Millionen von Arbeiter:innen im Land entfernt ist“, so Sorge weiter. „Wir appellieren an alle: Lasst uns gemeinsam aufstehen und kämpfen . Nach dem 25. September wird sich nichts ändern, wenn es hier keine Massenbewegung gibt, die unsere Bedürfnisse garantiert. Diese sind garantierte Löhne, Arbeit für alle und weniger Arbeit.“ Nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi und der darauf folgenden Auflösung des Parlaments finden am 25. September vorgezogene Wahlen statt.

Nach ihrer Kundgebung zogen die Protestierenden weiter zum Palazzo San Giacomo, dem Sitz der Stadtregierung. Dort unterbrachen sie die Sitzung des Stadtrats und trafen nach einem Austausch mit Bürgermeister Geatano Manfredi und der städtischen Referentin für Arbeit Chiara Marciani mit allen Ratsmitgliedern zusammen.

Die Arbeitslosen forderten die Einhaltung der zuvor mit der Verwaltung, abgeschlossenen Arbeitsverträge. Außerdem prangerten sie den heuchlerischen und kriminellen Charakter des Geredes über die „Revision“ des Bürgergeldes an, während die Militärausgaben erhöht werden und keine wirksamen Maßnahmen gegen die Inflation und die Lebenshaltungskosten ergriffen werden. Diese treffen gerade die ärmeren Teile des Proletariats, die eine mehr oder weniger feste Langzeitarbeitslosigkeit erleben und die nicht einmal mehr die Mittel haben, um „wesentliche“ Ausgaben wie Rechnungen zu bezahlen.

In Bezug auf den Kampf vom 7. November haben sich Manfredi und Marciani, wie auf ihrer Facebook-Seite nachzulesen ist, verpflichtet, eine Absichtserklärung zu verfassen, die dem Arbeitsministerium vorgelegt werden soll. Der Stadtrat stimmte einstimmig für ein Dokument zur Unterstützung des Kampfs und für die Einbeziehung politischer Kräfte auf nationaler Ebene: ein weiteres leicht gegebenes Versprechen, vor allem in Wahlkampfzeiten, aber eines, das den Aktivist:innen hilft, den Unterschied zwischen den Worten und Taten der Regierungsparteien auf allen Ebenen aufzuzeigen.

In Fortsetzung der Aktion am Freitag stürzte sich die Bewegung am Samstag auf die Kundgebungen der PD, der Fratelli d’Italia und der Fünf-Sterne-Bewegung, wobei sie im letzteren Fall Giuseppe Conte in Ponticelli, einem von Arbeitslosigkeit und der Camorra heimgesuchten Viertel, gegenüberstand. Auch bei diesen Gelegenheiten wurden die Beweggründe der Bewegung vorgetragen, die zum Aufbau einer Massenbewegung gegen die verschiedenen Parteien der herrschenden Klasse aufruft, in deren Mittelpunkt die Bedürfnisse der Arbeiter:innenklasse und der Armen stehen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 3. September bei La Voce Delle Lotte.

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