Arbeitskampf am Boden
Sicherheitsmitarbeiter an Berliner Flughäfen fordern deutliche Lohnsteigerungen. Vor allem Gehaltsunterschiede sollen schrumpfen. Ab Oktober ist der Arbeitskampf möglich.
„Tegel platzt aus allen Nähten“ erzählt Sylvia Wallace, Beschäftigte bei der Firma Securitas. „Wir erfahren das aus der Zeitung, aber genauso erfahren wir das am eigenen Leib.“ Die private Sicherheitsfirma macht die Kontrollen an den Berliner Flughäfen – allein am Flughafen Tegel sind rund 1.500 Mitarbeiter im Einsatz. Es kommen Jahr für Jahr mehr Passagiere, die ihre Gürtel ausziehen und kleine Shampoo-Flaschen auspacken müssen. Und was viele nicht wissen: Auch das Flughafenpersonal muss durch ähnliche Kontrollen auf dem Weg zur Arbeit. Die Arbeitsbelastung wird immer größer.
Bald könnte jedoch Abhilfe kommen. Denn Ende September läuft der Tarifvertrag für die Sicherheitskräfte an den Flughäfen im Bezirk-Berlin Brandenburg aus. Ende Dezember gilt das auch für den Rest der Branche mit insgesamt 21.000 Beschäftigten in ganz Deutschland.
Schon ab dem 1. Oktober wären Arbeitsniederlegungen an den Berliner Flughäfen möglich. Und aktuell sieht das nicht unwahrscheinlich aus. Denn die Gewerkschaft ver.di fordert deutliche Lohnsteigerungen: „Die Gehälter sollen um bis zu 40 Prozent erhöht werden“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung alarmiert schriebt. Das Zentralorgan der deutschen Bourgeoisie zitiert Harald Olschok vom Bundesverband der Deutschen Sicherheitswirtschaft: „Mit normaler Tarifpolitik hat das hier nichts mehr zu tun.“ In diesem Fall soll „normal“ wohl die Beibehaltung von Niedriglöhnen bedeuten.
Im Frühjahr hatte ver.di eine Umfrage gemacht, „nicht nur unter den Gewerkschaftsmitgliedern, sondern in der gesamten Belegschaft“, wie Olaf Kattner von der Tarifkommission erzählt. Die Beschäftigten wollen Lohnerhöhungen, aber auch um eine Verringerung der Lohnschere zwischen den drei verschiedenen Berufsgruppen mit sehr ähnlichen Namen: Luftsicherheitsassistenten, Luftsicherheitskontrollkräfte und Sicherheitsmitarbeiter.
„Es sind fast identische Tätigkeiten“, erläutert Kattner. Manche arbeiten im Auftrag der Bundespolizei, andere im Auftrag der Flughäfen. Manche kontrollieren Passagiere, andere das Flughafenpersonal. Doch wie Wallace ergänzt: „Sie machen die gleiche Arbeit, sie haben die gleiche Ausbildung und legen die gleichen Prüfungen ab.“
Die Sicherheitsmitarbeiter – die am schlechtesten bezahlte Gruppe – verdienen aktuell 11,62 Euro pro Stunde. ver.di fordert eine Erhöhung auf 16 Euro. Die Lücke zu den anderen Berufsgruppen soll nicht ganz geschlossen, aber verkleinert werden. Für Personenkontrolleure an den Sicherheitsschleusen soll der Lohn im Pilotbezirk Berlin-Brandenburg von 15,64 Euro auf 19 Euro steigen.
Die Regelarbeitszeit beträgt 8,5 Stunden. Aber „extrem oft“ müssen Sicherheitskräfte wegen Flugverspätungen länger auf Arbeit bleiben, so Kattner. 15 solche Schichten in einem Monat seien eine große Belastung, „vor allem bei diesen klimatischen Bedingungen“, denn die Klimaanlagen an den veralteten Flughäfen werden nicht erneuert.
Der FAZ-Artikel macht den Eindruck, dass eine Hetzkampagne gegen Streikende vorbereitet wird. Ein Arbeitskampf würde demnach nur auf den Rücken der Passagiere ausgetragen, und dabei würde sich die große Gewerkschaft ver.di „wie Sparten- oder Berufsgewerkschaften“ verhalten. Spekuliert wird über politische Motive: Will die Gewerkschaft die privaten Sicherheitsdienste aus den Flughäfen vertreiben und durch Beschäftigte des öffentlichen Diensts ersetzen?
Die FAZ rechnet vor, dass die Sicherheitskräfte nach der geforderten Tariferhöhung so viel verdienen würden wie ein junger Kommissar der Bundespolizei – und vergisst dabei, dass Beamte nicht in die Rentenversicherung einzahlen müssen.
Unklar bleibt die Rolle der mit ver.di konkurrierenden Gewerkschaft Verband private Sicherheit vps/komba, die zum dbb tarifunion gehört. Diese fordert sogar 5 Cent mehr pro Stunde als ver.di. Aber sie wird nicht vom BDSW angegriffen. Im Gegenteil: Aus ver.di-Kreisen ist zu hören, dass die Arbeitgeber die Zusammenarbeit mit der kleineren Gewerkschaft loben.
„Sie kopieren ver.di-Forderungen und helfen dem Arbeitgeber, die Beschäftigten auszuspielen“, so ein ver. di-Funktionär über den VPS. Die Gewerkschaft selbst weist den Vorwurf weit von sich und betonte am 15. Juli in einer Pressemitteilung zum Tarifauftakt, dass sich die Verhandlungskommission des DBB nach langer Diskussion mit deutlicher Mehrheit gegen die Forderung einer Vorteilsregelung für die eigenen Mitglieder ausgesprochen hat. „Wir wollen keinen Vorteil für eine Gruppe auf Kosten aller anderen Beschäftigte“, heißt es dort. Sie rief zur Zusammenarbeit der verschiedenen Gewerkschaften in den Betrieben auf.
Ehrenamtliche Gewerkschaftsmitglieder halten trotzdem nicht viel von der Konkurrenz: Diese hätte vor zwei Jahren Mitglieder mit dem Versprechen gewonnen, dass sie Beamte werden. Doch verbeamtet worden ist niemand, weshalb die „arbeitgeberfreundliche“ vps nun wieder rückläufige Zahlen habe. Im Arbeitskampf wird sich zeigen, ob es sich um eine kämpferische Spartengewerkschaft oder um eine handzahme gelbe Vereinigung handelt, die auf Kompromiss setzt und Konfrontation meidet.
Bei der letzten Tarifrunde in Berlin hat das Sicherheitspersonal nur einen zweistündigen Warnstreik durchgeführt. Die neue Auseinandersetzung könnte härter werden.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der jungen Welt.