Arbeiter*innenpartei
Debattenbeitrag anlässlich der Konferenz "15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?" | von Elisa Nowak
Was bedeutet es, mit der Linkspartei zu brechen und eine neue revolutionär-sozialistische Partei aufzubauen? Wie sieht diese aus und welchen Charakter hat sie? Während die Linkspartei als neoreformistische Organisation den Anspruch erhebt, für die Arbeiter*innen Partei zu ergreifen, wird jedoch auch immer wieder betont, für das Kleinbürger*innentum einzustehen. Die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ wird als treibende Kraft für eine neoreformistische Verwaltung des Staates anerkannt, was sich im realpolitischen Agieren der Linkspartei niederschlägt. Genuine Politik für die (ökonomisch) unterdrückte Klasse, das heißt der Arbeiter*innenklasse, wird durch eine hierarchische Verschiebung verhindert, wonach man sich von den Unterdrückten der Gesellschaft entfremdet. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Linkspartei keine starke Verankerung in der Arbeiter*innenklasse (mehr) hat und letztere aufgrund einer fehlenden theoretischen Ausrichtung auf ihre Interesse Rechtsnationalist*innen wie der AfD ihre Stimme bei parlamentarischen Wahlen gibt. Das Fehlen einer Partei für die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung wird durch das Versagen der Linkspartei deutlich, die in ihrer Entwicklung von einer stalinistischen Staatspartei in der DDR zur heutigen neoreformistischen Partei kleinbürgerlicher Interessen kein politisches Zuhause mehr für die Arbeiter*innenklasse bietet.
Ein theoretischer als auch organisatorischer Bruch mit dieser Partei wirft also die zwingende Frage auf, was an ihre Stelle kommen muss. Eine Arbeiter*innenpartei, die ihrem Verständnis nach eine revolutionär-sozialistische Theorie als auch Praxis verfolgt, ist die logische Schlussfolgerung, die die Partei nicht mehr als karrieristische Organisation versteht. Die Organisierung der Arbeiter*innenklasse, welche freilich multiethnisch ist und sich für die Interessen und Rechte aller Unterdrückten der Gesellschaft einsetzt (das heißt unter anderem der Jugend, der proletarisierten Student*innen, der Migrant*innen und queeren Menschen), darf dabei weder ein reiner Debattierclub werden noch eine theorielose Verkörperung utopischer Entfremdungen von den Massen der Bevölkerung. Die Aufgabe der Arbeiter*innenpartei erfüllt mehrere Funktionen: die theoretische Schulung im wissenschaftlichen Sozialismus, die Förderung des Bewusstseins der Arbeiter*innenklasse als treibende Kraft zum Umsturz des Kapitalismus und eine propagandistischen Agitation. Dabei handelt es sich um keinen Formalismus, sondern eine Wechselbeziehung subjektiver als auch objektiver Bedingungen, die keine mechanische, sondern eine dialektische Herangehensweise ist.
Die revolutionär-sozialistische Arbeiter*innenpartei grenzt sich sowohl von ultralinker als auch zentristischer Politik ab. Der Linksradikalismus, der von Lenin als die „Kinderkrankheit des Kommunismus“ bezeichnet wurde, lehnt Wahlen im Parlamentarismus unisono ab und plädiert für „reine“ Parteien, die sich letztlich in ihrer Taktik von der überwältigenden Masse der Arbeiter*innenklasse entfernt. Der Zentrismus negiert die Notwendigkeit einer revolutionären Partei und versteht sich als Brücke zum (Neo-)Reformismus, der durch diesen theoretischen Zickzack-Kurs keine Antwort auf die Krise des Kapitalismus und Imperialismus hat. Die aufzubauende Arbeiter*innenpartei distanziert sich von diesen Strömungen und bietet stattdessen eine auf dem Marxismus fußende Antwort, die einerseits die Unabhängigkeit der revolutionären Partei betont, andere die Verankerung in den Massen nicht ablehnt, was beispielsweise auch eine Wahlfront mit anderen revolutionären Kräften bei parlamentarischen Wahlen miteinschließt. Das Ziel ist es nicht, Regierungsverantwortung in einem bürgerlichen Staat zu erlangen, sondern eine konsequent sozialistische Oppositionspolitik zu betreiben. Eine Arbeiter*innenpartei ohne dieses Werkzeug des Marxismus sowie eine fehlenden Verankerung in der Arbeiter*innenklasse hat keinerlei Existenzberechtigung. Die Partei versteht sich dabei nicht als reine Interessenvertretung, sondern erfüllt die historische Aufgabe, die sozialistische Revolution zur Überwindung des Kapitalismus voranzutreiben und gibt der Avantgarde der Arbeiter*innenklasse ein Instrument in die Hand, diesen Schritt zu vollziehen.
Sie ist sowohl Schule als auch Werkzeug der Arbeiter*innenklasse. Um keiner stalinistischen Bürokratisierung anheimzufallen, ist die Freiheit der Debatte und Kontroverse ein unabdingbares Element, die jedoch nicht zur Beliebigkeit werden darf. Getreu der Erfahrung der bolschewistischen Partei in Russland vor der stalinistischen Degeneration, darf keine Macht in die Hand eines Einzelnen gelegt werden; die Leitung der Partei ist eine kollektive Aufgabe, die von der Avantgarde übernommen wird. Um einem Machtmissbrauch entgegenzukommen, wird eine Rechenschaftspflicht der Funktionär*innen gegenüber den Massen obligatorisch, die sich in der Konsequenz auch in der permanenten Wahl und Abwahl widerspiegelt: an die Stelle des freien Mandats des Bürger*innentums wird das imperative Mandat etabliert, wonach die Funktionär*innen nicht ihrem eigenen Interesse, sondern den Interessen der Arbeiter*innen und der Revolution verpflichtet sind. Der demokratischen Rechenschaftspflicht und permanenter (Ab-)Wählbarkeit steht der Zentralismus zur Seite, der die Funktionsfähigkeit der revolutionären Partei ermöglicht. Diese demokratisch-zentralistische Doktrin ist nicht gleichzusetzen mit der Stalinisierung der Partei, die einen Verrat an der genuinen Doktrin darstellt.
Die revolutionär-sozialistische Arbeiter*innenpartei, die mit dem Bruch mit der Linkspartei und dem Jugendverband Solid einhergehen muss, ist das einzige Mittel, die Organisierung der Arbeiter*innenklasse und der Unterdrückten der Gesellschaft zu ermöglichen sowie eine optimistisch-realistische Antwort zu liefern, wie mit der Krise des Kapitalismus und Imperialismus sowohl in der BRD als auch in allen anderen Teilen der Welt umgegangen werden muss. Den Arbeiter*innen fehlt dieses Werkzeug und diese Organisation, die durch die Gewerkschaften nur eklektisch erfüllt werden. Der Bruch mit dem Reformismus, der Zerschlagung des bürgerlichen Staates und der Aufbau und Kampf für eine befreite, klassenlose Gesellschaft ist der einzige Weg, die Arbeiter*innen und überwältigende Mehrheit der Bevölkerung zu befreien. Als Revolutionär*innen in der BRD ist es daher unsere Pflicht, diesen Schritt zu gehen. Die Linkspartei ist dafür kein Anhaltspunkt mehr. Wer es mit dem Sozialismus und der Revolution ernst meint, muss die entsprechende Schlussfolgerung schließen und handeln.
Debatten über einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid
Zur Vorbereitung der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ am 14./15. Januar 2023 wurden von verschiedenen Organisationen und Einzelpersonen Debattenbeiträge geschrieben. Hier geht es zu allen Beiträgen.