Antifaschismus in die Betriebe: So schlagen wir die Rechten
In einer Zeit, in der die Rechte international stärker wird, können wir deutlich beobachten, dass die Linke ihren Wahlerfolgen keine effektive Strategie und Taktik entgegensetzt. Wie können wir aus der Defensive gegen die Faschist:innen in eine Offensive gegen Rechtsruck, Kapital und Staat kommen?
Verschiedene Ansätze des Kampfes gegen Rechts
Angesichts des Aufstiegs der Rechten haben viele die Befürchtung, dass wir uns in eine ähnliche Phase wie die 1930er bewegen. Besonders deutlich wird diese Sorge, wenn man sich die großen Mobilisierungen zu Beginn des Jahres und gegen den AfD-Bundesparteitag ansieht. Vielfach wird von Linken weiter gefordert, breite Proteste gegen die AfD zu organisieren und eine Einheit aller Demokrat:innen heraufbeschworen. In der Konsequenz heißt das: Anti-Nazi-Bündnisse von der Ampel bis zur CDU gemeinsam mit NGOs und den Gewerkschaften aufbauen.
Ebenfalls populär unter autonomen Antifa-Gruppen ist das sogenannte „Feuerwehrkonzept“. Dabei unterstützen Aktivist:innen aus Städten, in denen es bereits aktive Antifa-Strukturen und Bündnisse gibt, auch kleinere Orte, wenn es dort zu Mobilisierungen von Rechten kommt und stellen häufig alleine in fremden Städten die Basis für Gegenproteste. Diese Taktik ist aus der Not heraus entstanden, da sich Nazi-Organisationen häufig gerade in ländlichen Regionen ausbreiten, wo traditionell konservative Ideen vorherrschen. Ein besonders gutes Beispiel dafür war zuletzt in Solingen zu sehen: Dort waren es vor allem Aktivist:innen aus dem Umland, die es geschafft haben, sich schützend vor Geflüchtetenunterkünfte zu stellen, während Nazi-Mobs durch die Stadt marodierten. Dennoch muss man als Aktivist:in anerkennen, dass diese Taktik keinen tiefgehenden, antifaschistischen Widerstand ersetzen kann. Sie ist für die Aktivist:innen kaum nachhaltig, da es eine enorme Kraftanstrengung erfordert, in Zeiten des Rechtsrucks an jedem kleinen Brandherd präsent zu sein, ohne dabei vor Ort verankerte Strukturen aufzubauen. Der Flächenbrand ist bereits entfacht. Zu glauben, man müsse sein eigenes Leben aufopfern, indem man in einem individuellen Akt nicht zur Arbeit, zur Vorlesung oder zum Unterricht erscheint, ist Ausdruck der Selbstüberschätzung der Autonomen, den Faschismus aus eigener Kraft besiegen zu können. Zugleich muss man anerkennen, dass diese Praxis aktuell notwendig erscheint, um den Aufbau eines verankerten Selbstschutzes überhaupt erst zu ermöglichen. Der erste Schritt besteht darin, Brandherde wie Solingen oder andere Aufmärsche der Nazis zu identifizieren und zu nutzen, um Verbindungen zu lokalen Organisationen, einzelnen Aktivist:innen und Gewerkschaften zu knüpfen. Gemeinsam gilt es, strategische Vorschläge zu erarbeiten, wie der Faschismus besiegt werden kann und lokal verankerte Organisationen dabei unterstützen.
Die derzeitigen Ansätze des militanten Antifaschismus bieten uns jedoch nur vorübergehende Notlösungen. Die praktische Trennung zwischen militanten Aktivist:innen und Arbeiter:innen erleichtert es den bürgerlichen Medien, diese Spaltung weiter zu vertiefen – obwohl sie nicht notwendig ist. Dadurch wird es auch dem Staat einfacher, die gesamte Bewegung mit starken Schlägen zu treffen und zu kriminalisieren.
Keine Militanz um jeden Preis
Ein Beispiel hierfür ist der Fall „Antifa Ost“. So heldenhaft der Ansatz auch ist, Nazi-Kader mit allen Mitteln anzugreifen und einzuschüchtern, sodass sie Angst haben, sich öffentlich politisch zu betätigen, macht er uns zugleich angreifbar und isoliert uns. Individualisierte Militanz mag im Kampf gegen militante Nazis wie „Der III. Weg“, „Die Rechte“ und „Die Heimat“ (ehemals NPD) sinnvoll erscheinen. Angesichts wiederholter Waffenfunde bei Neonazis und Reichsbürgern ist es auch nachvollziehbar, dass man ihre Taktiken spiegelt und sich selbst wehrfähig macht. Doch handelt es sich dabei faktisch nur um Symptombekämpfung. Vielerorts ist die Stimmung in der Bevölkerung dermaßen vergiftet, dass sich Faschist:innen in diesem Vakuum offen und zahlreich mit ihren Schlägertrupps zeigen können. Wir können nicht länger nur einzelne Politiker:innen angreifen, zumal die Rädelsführer der politisch gefährlichsten Kraft, der AfD, unter Polizeischutz stehen. Ihre Versammlungen sind inzwischen gut besucht und ziehen auch gewaltbereite Anhänger:innen an. Die zentrale Frage in diesem Kontext ist nicht, ob Militanz das richtige Mittel ist, sondern wann und in welcher Form Militanz das geeignete Mittel ist und durch wen sie ausgeübt werden sollte. Wir lehnen Militanz keineswegs ab, doch vielmehr ist es unsere Aufgabe, sie durch unsere Arbeit in den Betrieben zu flankieren. Auch Trotzki sagte in diesem Kontext:
Die taktische, oder wenn man will, ‚technische‘ Aufgabe, war ziemlich einfach – man packt jeden Faschisten oder jede isolierte Gruppe von Faschisten am Kragen und macht sie ein paar Mal mit dem Pflasterboden bekannt, entreißt ihnen die faschistischen Symbole und Dokumente, und ohne die Dinge weiterzuführen, lässt man sie mit ihrem Schrecken und ein paar kräftigen blauen Flecken zurück.
Das sagt Trotzki nicht, weil er ein individualistischer Einzelgänger war, sondern in dem Bewusstsein darüber, dass es organisierte Kommunist:innen gibt, die solche Aktionen gemeinsam mit ihren Arbeitskolleg:innen koordinieren können. Es macht einen massiven Unterschied, ob man anonym und vermummt auf eigene Faust gegen Nazis vorgeht oder ob dies mit breiter Unterstützung und Verankerung in den Betrieben, den Belegschaften oder in den jeweiligen Vierteln geschieht. Unser Ansatz zur Militanz ist in diesem Kontext ein ganz anderer: Wir wollen, dass die Gewerkschaften bei der Organisation von antifaschistischen Massenprotesten zur treibenden Kraft werden und den Widerstand – in konkreten Situationen auch militant – organisieren. Wird ein Protest angegriffen, so müssen wir dafür sorgen, dass die Gewerkschaften zum Schutz der Demonstration vor Naziübergriffen Ordner:innendienste aufstellen und ausbilden, die in der Lage sind, die Nazis eigenständig und ohne die Hilfe der Polizei zurückzuschlagen. Mit dem Anwachsen der Nazibewegung muss sich auch das Aufgabenfeld dieser Ordner:innendienste erweitern. Es gilt, besonders bedrohte Orte wie Geflüchtetenheime, migrantische Geschäfte, queere Treffpunkte und Bars, Moscheen und Synagogen zu schützen. Mit zunehmender Verankerung braucht es freiwillige Arbeiter:innen, die von allen Betriebsgruppen gestellt und gemeinsam in Selbstverteidigungstechniken geschult werden. Gewerkschafter:innen und Arbeiter:innen können gemeinsam mit den Unterdrückten Übergriffe des Nazimobs aktiv zurückschlagen, wie es bei den letzten Ausschreitungen in England vereinzelt zu beobachten war. Lokale Belegschaften müssen sich mit Nachbar:innen zusammentun, um Stützpunkte der Nazis wie Parteibüros und rechte Kulturzentren unermüdlich zu bekämpfen. In ländlichen Regionen werden Faschist:innen ihre Stellungen deutlich länger halten können, aber auch hier bedarf es massenhafter antifaschistischer Aktion. Nachbarschaftspatrouillen und regelmäßige Versammlungen, um die Bekämpfung von Nazistrukturen zu besprechen, müssen organisiert werden. Auch Delegationen von Betriebsgruppen und Arbeiter:innen aus den Städten müssen den lokalen Bewohner:innen auf dem Land ihre Kräfte zur Verfügung stellen, um auch hier die Nazis bei jedem Schritt zu konfrontieren. All das bettet sich ein in eine Zusammenführung mit der Einheitsfront-Taktik.
Panikreaktionen werden die Nazis nicht aufhalten
Außerdem ist es zentral, dass wir keine Trugschlüsse aus der akuten Gefahr des Aufstiegs der Neuen Rechten ziehen und nicht nur mit Panikreaktionen handeln. Ohne die möglichen Folgen einer Regierung unter Beteiligung der AfD verharmlosen zu wollen, müssen wir nüchtern analysieren, welche Fehler im Kampf gegen den Faschismus derzeit gemacht werden, und gleichzeitig verdeutlichen, dass die AfD mit ihrer auf Wahlen ausgerichteten Strategie eine Gefahr darstellt, aber nicht alle unsere Möglichkeiten zunichte machen kann, ihr schwere Schläge zu versetzen – auch wenn sie an der Regierung ist. Die Furcht vieler Menschen vor den scheinbar unvorhersehbaren Folgen einer AfD-Regierung müssen wir ernst nehmen. Allerdings brauchen wir auch eine scharfe Analyse der tatsächlichen Möglichkeiten, die die AfD in der gegenwärtigen Situation überhaupt hat. Nur auf dieser Grundlage können wir langfristig Zeit und Energie in den Aufbau von Strukturen investieren, die rechten Parteien den Nährboden und die Verankerung dauerhaft entziehen. International haben wir bereits viele Erfahrungen mit Regierungen gesammelt, die sich ähnlich verhalten würden wie eine mögliche CDU/AfD-Koalition. Die letzte Amtszeit von Trump in den USA, die Regierung Meloni in Italien, Orbán in Ungarn, die PiS-Partei in Polen, Milei in Argentinien und ganz besonders die FPÖ-Regierung in Österreich zeigen deutlich, womit im Falle einer CDU/AfD-Koalition zu rechnen wäre.
Das Verhalten neuer rechter Parteien in der Regierung wird nicht dasselbe sein wie das Verhalten faschistischer Parteien im Kontext revolutionärer Bewegungen. Erst in solchen Situationen kann der Faschismus sein volles Potenzial als kleinbürgerliche Konterrevolution zur Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung entfalten. Ein entscheidender Faktor, der in Deutschland bisher fehlt, aber in anderen Ländern bereits teilweise vollzogen wurde, ist die offizielle Fusion der AfD mit militanten Nazi-Organisationen und Bewegungen wie Pegida oder der Identitären Bewegung. Diese bleibt allerdings aus, und die AfD ist regelmäßig gezwungen, sich von Mitgliedern zu distanzieren, die zu offen in diese Richtung tendieren.
Allerdings zeigt sich zunehmend, dass die Junge Alternative offen mit der Identitären Bewegung und anderen organisierten Neo-Nazis verbunden ist. In Leipzig sah man wenig überraschend AfD-Fahnen neben Reichskriegsflaggen, und bei Wahlkampfveranstaltungen in Thüringen sind Neo-Nazis inzwischen ein relevanter Teil des Publikums. Mit jeder weiteren „Häutung“ der AfD wird deutlicher, welche Tendenzen sich in der Partei fest etabliert haben.
Es ist zwar ein Erfolg, dass Skandalisierungen und breite Proteste die AfD-Führung immer wieder dazu zwingen, die offensichtlichsten Nazis aus ihren Ämtern zu entfernen. Doch Björn Höcke bleibt weiterhin eine zentrale Figur, insbesondere innerhalb der Jugendorganisation Junge Alternative, die sich zunehmend zu einer „Höcke-Jugend“ entwickelt. Die AfD-Spitze scheint aus Angst, ihre Machtbasen zu verlieren, von einer Trennung von Höcke abzusehen. Parteiführer:innen wie Weidel und Chrupalla präsentieren sich auf Wahlkampfkundgebungen Seite an Seite mit dem Faschisten Höcke und treten als geschlossene Einheit auf. Dies verdeutlicht, dass Faschist:innen eine tragende Säule der AfD sind. Formal ist die AfD eine rechte Sammelpartei, faktisch jedoch trägt die zunehmende Radikalisierung der Partei dazu bei, dass der faschistische Flügel an Einfluss gewinnt.
Die Hetze der AfD und die Übernahme bedeutenden Teilen ihres Programms durch Regierungsparteien sowie CDU/CSU haben das politische Klima so vergiftet, dass die AfD, gemeinsam mit ihrem Jugendflügel und anderen militanten Neo-Nazis, zunehmend selbstbewusst als faschistischer Mob auftritt. Sie machen Jagd auf politische Gegner:innen, Queers, Migrant:innen und Muslime, wie bereits in Bautzen, Magdeburg und Solingen zu beobachten war. Die versuchten Pogrome in Solingen wurden von der Jungen Alternative angemeldet.
Gleichzeitig zeigt sich, dass die AfD derzeit noch nicht in der Lage ist, offen Vorbereitungen für ihre Gewaltfantasien und den dauerhaften Umbau des Staates in ein autoritäres System zu treffen. Dafür braucht sie weiterhin die anderen Parteiflügel als Feigenblätter, um ein bürgerliches Gesicht zu wahren, während der faschistische „Flügel“ im Hintergrund bereits Vorkehrungen zur Übernahme der Partei trifft. Der Faschismus, wie ihn Leo Trotzki analysierte, benötigt zwei Flügel. Einen parlamentarischen Flügel, der der Bewegung ein bürgerliches Gesicht gibt, und einen Straßenflügel, der als tatsächliche Massenbewegung dazu dient, politische Gegner:innen und Marginalisierte zu verfolgen. Anders als damals, verfügt die AfD nicht über dieselbe Bewegung und Macht wie die NSDAP in ihrer Hochphase. Die Partei kann noch nicht offen auf eine faschistische Bewegung auf der Straße zurückgreifen, die mit ihr verbunden ist sowie Terror und Gewalt gegen Migrant:innen, Queers, Gewerkschafter:innen und Linke ausübt.
Es ist davon auszugehen, dass die AfD, ähnlich wie die österreichische FPÖ, versuchen könnte, den Staat von innen heraus gezielt mit faschistischen Kadern zu infiltrieren und umzugestalten, insbesondere in Schlüsselbereichen wie Sicherheit, Justiz und Bildung. Dies würde die Platzierung von Sympathisant:innen oder Parteimitgliedern in wichtigen Positionen beinhalten, um die Politik der Regierung von innen heraus zu beeinflussen. So wie die FPÖ versuchte, Polizei und Bundeswehr zu stärken – was aktiv in rechten Publikationen beworben wurde – und gesetzliche Grundlagen für mehr Überwachung von ihren politischen Gegner:innen zu schaffen, könnte eine ähnliche Entwicklung auch in Deutschland stattfinden.
Was die AfD bislang nicht geschafft hat – ebenso wenig wie die FPÖ – ist, unsere Organisationsarbeit oder unsere Tätigkeit innerhalb der Gewerkschaften zu unterbinden. Dazu müsste sie versuchen, diese historisch gewachsenen und geschützten Organisationen von der Regierungsbank aus zu verbieten, was auf legalem Weg nahezu unmöglich erscheint. Auch wenn die AfD uns auf rechtlichem Wege nicht stoppen kann, müssen wir den Preis einer Regierungsbeteiligung der AfD besonders hoch treiben. Die Gefahr, die von AfD-geführten Ministerien ausgehen würde, ist einfach zu groß. Die „Brandmauer“ gegen Rechts ist faktisch immer nur eine Phrase gewesen. CDU/CSU, die Ampelparteien und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sind Fähnchen im Wind und lassen sich von jeder gesellschaftlichen Stimmung dazu verleiten, selbst rechte Politik zu verschärfen oder diese direkt gemeinsam mit der AfD umzusetzen.
Den Preis einer AfD-Regierung hochtreiben
Auch die NSDAP strebte eine strategische Regierungsbeteiligung an, um weiteren Einfluss zu gewinnen, ohne ihre grundlegenden Positionen zu ändern. Heutzutage müssen Faschist:innen diese Strategie umkehren. Die AfD könnte versuchen, parlamentarische und regierungspolitische Erfolge zu nutzen, um ihre Basis und öffentliche Präsenz weiter auszubauen. So würde sie ihre Position in der politischen Landschaft festigen und den politischen Diskurs weiter nach rechts verschieben – ein Prozess, der bereits mit dem Einzug in den Bundestag begonnen hat.
Es ist über längere Zeit gelungen, durch Massenproteste in deutschen Großstädten der AfD und einzelnen Akteuren die bürgerliche Maske zu entreißen und den Preis für eine potenzielle Regierungsbeteiligung der AfD hochzutreiben. Auf der anderen Seite hat die Offenlegung der Zusammenarbeit mit der faschistischen Identitären Bewegung oder der geplante Putschversuch unter Beteiligung der AfD-Abgeordneten Birgit Malsack-Winkelmann dazu geführt, dass eine Fusion des völkischen Flügels der AfD mit einer militanten Straßenbewegung verhindert wurde. Führende Politiker der AfD mussten sich nach öffentlichen Skandalen zurückziehen oder eigene Projekte gründen.
Im Falle einer AfD-Regierung dürfen wir jedoch nicht resignieren. Stattdessen müssen wir alle Mittel ausschöpfen, die die AfD von der Regierungsbank aus in der derzeitigen Situation nicht einschränken kann. Die großen antifaschistischen Proteste der letzten Jahre haben zwar nicht verhindert, dass die AfD weiterhin parlamentarische Erfolge erzielt und der völkische „Flügel“ sich innerhalb der Partei verankert. In Thüringen sehen wir sogar, dass die Partei mit den Faschisten an der Spitze nicht an Popularität verloren, sondern eher gewonnen hat.
Wir müssen erkennen, dass der Kampf gegen die AfD eine neue Qualität benötigt. Deswegen beteiligen wir uns weiterhin an den bestehenden und immer wieder aufkommenden Massenprotesten. Allerdings sind wir der Überzeugung, dass die Proteste eine zentrale Schwäche aufweisen: Es fehlt eine politische Führung, die es vermag, aus dem defensiven Kampf gegen den Faschismus in einen offensiven Kampf für ein Ende der Zustände überzugehen, welche den Faschisten überhaupt erst einen Nährboden bieten. Denn genau darum sollte es eigentlich bei der Taktik der Einheitsfront gehen.
Missverstandene Einheitsfront-Taktik
Die brennendste Frage, die Linke sich stellen müssen, lautet: „Wie stoppen wie die Rechten?“ Dass die AfD bei Wahlen trotz aller vorher aufgeführten Skandale und Mobilisierungen gegen sie immer weiter wächst, ist Ausdruck zentraler Schwächen der vorherrschenden Strategie. Nicht weil einige ihrer Grundüberlegungen falsch sind und die historischen Bezugspunkte falsch seien, sondern weil sie sich massiv von den ursprünglichen Überlegungen entfernt haben. Dieser Artikel ist kein Plädoyer dafür, aufzuhören, Bündnisse zu schmieden, sondern eine Rückbesinnung darauf, was überhaupt die Stärke der Einheitsfront-Politik war: Der Fuß in den Betrieben und die Zentralität der Arbeiter:innenklasse.
Die Theorie-Tradition der International Socialist Tendency, von der auch Bündnisse wie „Aufstehen gegen Rassismus“ in Deutschland ausgehen, hat innerhalb der antifaschistischen Bewegung zentrale und wichtige Akzente gesetzt. Allerdings propagieren Organisationen aus dieser Tradition, wie Marx21, Sozialismus von unten (SvU) und Revolutionäre Linke (RevoLi), bis heute eine teilweise verkürzte Antwort auf den Aufstieg der Rechten. Diese Antwort hat oft wenig mit den Ursprüngen der Einheitsfrontpolitik der Kommunistischen Internationale zu tun, sondern ähnelt vielmehr einer Volksfrontstrategie auf der Straße.
Karsten Schmitz von der Revolutionären Linken argumentiert in seinem Artikel „Zurück in die Zukunft – Wie wir die AfD stoppen können“, dass gegen den Aufstieg der AfD nur “die Einheit aller notwendig sei, die links von der Mitte stehen“. Er schreibt:
Wenn die AfD erst einmal an der Macht wäre, macht sie keinen Unterschied zwischen Revolutionären und SPD, zwischen Gewerkschaftern, Migranten oder Grünen. Alle würden sich als Mitinsassen in irgendeinem Konzentrationslager wieder begegnen.
Diese drastische Darstellung spiegelt eine Sorge wider, die im Falle einer AfD-Machtergreifung durchaus nachvollziehbar ist. Allerdings ist die Annahme, dass die AfD genauso agieren würde wie historische faschistische Bewegungen, eine Vereinfachung. Solche Vergleiche können zu überzogenen Panikreaktionen führen und die Angst schüren, politisch handlungsunfähig zu sein. Dies wiederum könnte zu unüberlegten, opportunistischen Bündnissen führen. Zudem glaubt die Revolutionäre Linke offensichtlich, dass einzelne Parteien zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie NGOs allein in der Lage wären, eine ausreichende Basis aufzubauen, um den Rechtsruck zu stoppen – Die derzeitige Dynamik widerspricht ihm. Diese Sichtweise vernachlässigt die zentrale Rolle der Arbeiter:innenbewegung in Einheitsfronten. Dieser Ansatz stellt eine Karikatur seiner Ursprünge dar und wirkt in seiner gegenwärtigen Form in der Konsequenz herrschaftsstabilisierend.
Die Grenzen der breiten Protest-Bündnisse
In der Form, wie solche Bündnisse umgesetzt wurden, stößt man immer wieder an die Grenzen des Möglichen. Obwohl man einige kleine lokale Erfolge erzielt hat und eine Kultur des Antifaschistischen Protests innerhalb von einzelnen Stadtgrenzen einführen und ritualisieren kann – wie das Beispiel Münster verdeutlicht –, erfordert die Dynamik des Rechtsrucks eine neue Qualität des Widerstands. In Münster führte die Isolation der AfD durch das Anti-Nazi-Bündnis „Keinen Meter den Nazis“ zu scharfen Fraktionsauseinandersetzungen zwischen dem national-konservativen und dem faschistischen Flügel der AfD. Dies verhinderte, dass die Partei nennenswert Fuß in der Stadt fassen konnte und die Häutungen der AfD weniger gut vertragen konnte. Der vom faschistischen Flügel dominierte Kreisverband ist vollständig in der Stadtgesellschaft isoliert und schaffte es höchstens zur Corona Pandemie Montagsdemonstrationen im Schulterschluss mit Verschwörungstheoretikern aus dem Umland durchzuführen, als wenig Leute sich hinaus getraut haben.
Diese Erfolge sind Zeichen der Wirkungskraft solcher Bündnisse, jedoch zeigt sich, dass sie in der aktuellen Form nicht in der Lage sind, ihre Ressourcen effektiv für eine tiefgreifende Verankerung in der Arbeiter:innenklasse in der gesamten Region zu nutzen. Besonders entscheidend ist die Rolle der Gewerkschaften, die formal Teil des Bündnisses sind, jedoch in der Praxis häufig nur Funktionär:innen zu Protesten mobilisieren können, nicht aber die engagierten Gewerkschafter oder Betriebsgruppen aus den lokalen Betrieben. Lokal mag die Breite der Bündnisses in den Städten selber durch ihre Omnipräsenz und Verankerung ein beachtliches Mobilisierungspotential haben. Dadurch schafft man auch die erwünschte Demoralisierung der lokalen AfD-Kader, jedoch wird diese Art der Symbolpolitik uns nicht in die Lage versetzen, der AfD flächendeckend den Boden zu entziehen. Innerhalb der Münsteraner Bevölkerung ist man sich beispielsweise ziemlich einig darüber, dass die AfD eine reale Gefahr darstellt, doch in den Betrieben des Umlandes ist diese Einsicht nicht so eindeutig.
Ein entscheidender Grund hierfür liegt im faktisch fehlenden Willen, sich von der Gewerkschaft aus auch mit einem antifaschistischen Programm in den umliegenden Betrieben auf dem Land zu verankern und dort die Notwendige aufklärungsarbeit über den Charakter des Faschismus und über rassistische Spaltung offen in Versammlungen zu diskutieren. Die Mobilisierungen der antifaschistischen Proteste sind nichts weiter als ein Ritual aus Sicht der Bürokrat:innen. Sie sind ein Ausdruck dessen, dass die Bürokratie keine Antwort auf den Rechtsruck hat, bis zu dem Zeitpunkt, wo Gewerkschafter:innen selber Opfer der Faschist:innen werden. Diese Hilflosigkeit findet sich auch im Aufruf des Gewerkschaftsrats „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“ der Ver.di wieder, welcher zwar zu Protesten gegen die AfD aufruft, aber an der Umsetzung und der Qualität der Proteste nichts verändert oder Vorschläge dazu macht.
Es genügt nicht, kontinuierlich die Bedeutung breiter Bündnisse zu betonen, ohne die spezifischen Möglichkeiten der einzelnen Organisationen im Bündnis zu betrachten, um Aufklärung zu bieten und breite Teile der Arbeiter:innenklasse zu erreichen. Die Gewerkschaften spielen eine besonders zentrale Rolle für eine Einheitsfront-Politik. Die Fokussierung auf lokale Erfolge und die Mobilisierungsfähigkeit der Bündnisorganisationen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine breite und koordinierte Bewegung, die die Kampfmittel der Arbeiter:innenklasse – insbesondere den Streik – einbezieht, von zentraler Bedeutung ist, um die AfD und ihre Agenda effektiv zu bekämpfen.
Die klare Abgrenzung zwischen der Einheitsfrontpolitik und der Volksfrontpolitik wird in den aktuellen Bündnisstrategien der genannten Gruppen oft verwischt. Eine differenzierte Betrachtung historischer Beispiele kann jedoch helfen, diese Unterscheidung besonders klar herauszuarbeiten und die notwendigen strategischen Anpassungen zu identifizieren. Es gibt eine klare Abgrenzung zwischen der Einheitsfront-Politik und der Volksfront-Politik. Die Unterschiede in der Herangehensweise werden besonders deutlich, wenn wir historische Beispiele heranziehen.
Der Kornilow-Putsch und die erste Einheitsfront
Dabei lohnt sich ein konkreter Blick auf die Art und Weise, wie die Einheitsfront eigentlich konkret angewandt wurde, um zu verstehen, was heute zentrale Fehler sind. Ausgangspunkt der Taktik war der Kornilow-Putsch im August 1917. Dieser markierte einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Russischen Revolution, indem er die taktische Meisterleistung der Bolschewiki und deren Fähigkeit zur Bildung einer Einheitsfront gegen die proto-faschistischen Kräfte um General Kornilow unter Beweis stellte. Trotz vorangegangener Repression durch die provisorische Regierung unter Alexander Kerenski, die zu einem Verbot der Bolschewiki und zur Verhaftung ihrer Anführer:innen geführt hatte, reagierten die Bolschewiki auf den drohenden Militärputsch mit einer außergewöhnlichen Strategie: Sie suchten die Zusammenarbeit mit ihren ehemaligen Gegnern, den Menschewiki und Sozialrevolutionären.
Angesichts der akuten Gefahr eines konterrevolutionären Putsches formierten sie ein „Exekutivkomitee zur Verteidigung der Revolution“, das alle progressiven Kräfte vereinte. Es wurden gemeinsame Abwehreinheiten in Betrieben und Gewerkschaften gegründet, und Arbeiter:innen sowie Soldaten wurden bewaffnet. Durch diese Einheitsfront war es möglich, eine breite Basis zur Verteidigung der Revolution zu mobilisieren und größere Unterstützung innerhalb der Armee und der Arbeiter:innenorganisationen zu gewinnen.
Der Eisenbahnerverband spielte eine entscheidende Rolle, indem er den Truppentransport der Putschisten sabotierte und deren Kommunikationswege unterbrach. Die Eisenbahner, Grafiker und Post- sowie Telegraphenangestellten waren Schlüsselfiguren bei der Überwachung von Kornilows Bewegungen, der Information der Bevölkerung und dem Abfangen der Befehle der Putschisten. Durch diese koordinierten Aktionen brach der Aufstand innerhalb weniger Tage zusammen, und die konterrevolutionären Kräfte wurden isoliert und demoralisiert.
Der gescheiterte Putsch stärkte die Position der Bolschewiki erheblich. In den Augen der Arbeiter:innenklasse und der Soldaten galten sie nun als entschlossene Verteidiger:innen der Revolution und konnten ihre Unterstützung in den Sowjets massiv ausbauen – wohlgemerkt in einer revolutionären Situation. Die Mitgliederzahl der Bolschewiki wuchs von 24.000 im Februar auf 240.000 im Oktober. Dieser Zuwachs an Unterstützung und Organisation festigte ihre Position für die kommende Oktoberrevolution und demonstrierte, dass die Machtübernahme im Oktober 1917 nicht „der Putsch einer Minderheit“, sondern das Ergebnis einer breiten Mobilisierung und des erfolgreichen Kampfes gegen die konterrevolutionären Kräfte war. Aufgrund dieser Erfahrungen organisierten Arbeiter:innenorganisationen und Arbeiter:innenparteien auf Initiative der Kommunistischen Internationale immer wieder Einheitsfronten. Ihre Stärke beruhte darauf, dass sie zentrale Hebel der Produktion und die durch die Arbeiter:innen kontrollierten Dienstleistungen nutzen konnten, unter anderem, um dem Gegner auch militärischen Schaden zuzufügen.
Fehler der „roten Einheitsfront” in den Deutschland
Die Taktik der Einheitsfront ist kontrovers diskutiert worden. Aufgrund verschiedener Ansätze und ihrer Umsetzung. Explizit das Scheitern einer Einheitsfront in Deutschland durch die KPD und SPD in den 1930er Jahren zeigt, wie eine falsche sektiererische Anwendung der Einheitsfront den Sieg des Faschismus ermöglichen kann. Tragischerweise kam keine echte Einheitsfront zustande, da die KPD die Zusammenarbeit mit sozialdemokratischen Arbeiter:innen von einem Bruch mit der SPD abhängig machte – eine Haltung, die als „rote Einheitsfront“ bekannt wurde. Diese Strategie verhinderte eine breitere Einbindung von SPD-Mitgliedern, schwächte den Widerstand gegen den Faschismus und erleichterte letztlich den Nazis die Machtergreifung. Ein zentraler Fehler war das Festhalten an der Sozialfaschismus-These, die die SPD als größere Gefahr als die NSDAP betrachtete – genauso wie umgekehrt die SPD die Kommunisten als „Kozis“ oder „Rot-Faschisten“ diffamierte. Diese Politik führte sogar zu gemeinsamen Streikaktionen der KPD mit der NSDAP, wie etwa beim BVG-Streik 1932. Dabei wurde die Einheitsfront-Strategie von Ernst Thälmann dahingehend angepasst, dass auch nationalsozialistische Arbeiter angesprochen wurden. Die KPD sah weiterhin die Sozialdemokratie als ihren Hauptgegner an und versuchte, durch diese modifizierte Taktik gegen die als „Sozialfaschisten“ bezeichnete SPD vorzugehen.
Der russische Revolutionär Leo Trotzki betonte im Gegensatz dazu die Wichtigkeit, sich gezielt an die verhassten sozialdemokratischen Arbeiter:innen zu wenden, die innerhalb ihrer Organisation verbleiben möchten. Er forderte, dass die überwältigende Mehrheit dieser sozialdemokratischen Arbeiter:innen, die bereit sind, gegen Faschisten zu kämpfen, in die Bewegung integriert werden sollen. Er hielt es für entscheidend, diese Arbeiter:innen zu unterstützen und dabei gleichzeitig die Werte und Führungsprinzipien ihrer Organisationen kritisch zu hinterfragen, speziell in Krisenzeiten. Laut Trotzki entsteht die Notwendigkeit einer Einheitsfront daraus, dass es trotz der existierenden Spaltung innerhalb der Arbeiterklasse wichtig ist, sich im Kampf gegen das Kapital zu vereinen.
Das Konzept der Einheitsfront basiert auf der Notwendigkeit, der Arbeiterklasse trotz der gegenwärtig unvermeidbaren Spaltung ihrer politischen Organisationen die Möglichkeit zu einem vereinten Kampf gegen das Kapital zu bieten
erläuterte Trotzki. Er unterstrich, dass die Kommunistische Partei die Initiative ergreifen muss, um die Realisierung der Einheitsfront im Kampf zu ermöglichen.
Es ist entscheidend, dass die Kommunistische Partei, die potenziell die ganze Arbeiterklasse repräsentiert, nicht zum organisatorischen Hindernis in den Kämpfen des Proletariats wird oder als solches wahrgenommen wird.
Eine Einheitsfront bedeutet nicht den unkritischen Zusammenschluss mit opportunistischen Führern, sondern das Zusammenbringen der Arbeitermassen für gemeinsame Kämpfe.
Das Problem wird dadurch verursacht, dass bedeutende Teile der Arbeiterklasse reformistischen Organisationen angehören oder sie unterstützen. Die klare Abgrenzung von Reformisten und Zentristen, die nicht nach einer Revolution streben, ist ein grundlegender Schritt für die Kommunistische Partei.
Leo Trotzki betonte somit die Notwendigkeit, dass die kommunistische Bewegung ideell und organisatorisch mit Reformist:innen und Zentrist:innen bricht, die nicht auf eine proletarische Revolution hinarbeiten. Damit sieht er die kommunistische Bewegung in einer führenden Rolle bei der Bildung der Einheitsfront, wobei sie gleichzeitig ihre Unabhängigkeit und kritische Perspektive bewahren muss. Die Einheitsfront dient als Mittel, die Arbeiter:innenklasse zu vereinen und punktuell revolutionäre Ziele zu verfolgen, ohne dabei die deutlichen Unterschiede zu reformistischen und opportunistischen Elementen zu ignorieren. Eine echte Einheitsfront muss die Arbeiter:innen als Klasse vereinen und sich gegen jegliche Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen richten, statt nur erweiterten Aktionismus zu bieten.
Die Einheitsfront-Politik muss es schaffen, die Basis von Parteien, die Teil des Bündnisses sind, von ihrer reformistischen Führung zu trennen, um revolutionäre Forderungen gemeinsam umzusetzen. Sozialdemokratische oder grüne Basismitglieder, die erkennen, dass soziale Misere und der Kampf gegen den Faschismus zusammenhängen, sollten selbstverständlich einbezogen werden. Wir dürfen jedoch nicht krampfhaft versuchen, diese zu jedem Preis in unsere Bündnisse zu integrieren und dabei unsere Forderungen aufzuweichen oder zu suggerieren, dass die Parteien, die zur Rechtsentwicklung beigetragen haben, eine Lösung bieten könnten. Der Kampf gegen den Rechtsruck ist auch ein Kampf gegen die Ursachen dieses Rechtsrucks. Das bedeutet, dass wir sozialdemokratische oder grüne Arbeiter:innen direkt mit ihren Führungen konfrontieren müssen. Das Ziel einer Einheitsfront gegen den Faschismus ist es, gemeinsam mit allen, die sich dafür gewinnen lassen, zu kämpfen. Wenn wir Arbeiter:innen, die Teil der SPD oder Grünen sind, nicht über die Parteien in unseren Kampf einbeziehen können, weil diese Parteien keine antikapitalistischen Positionen vertreten, müssen wir die Mobilisierung der Gewerkschaften nutzen, um dies zu erreichen. Revolutionäre müssen die Unzulänglichkeiten ihrer Partei-Führung aufzeigen, um eine breitere Beteiligung und ein geschlossenes Vorgehen gegen den Faschismus zu fördern. Die Lehre aus der Geschichte lautet daher: „Getrennt marschieren, gemeinsam schlagen!“. Dies bedeutet, dass alle Arbeiter:innen zusammen agieren müssen, während sie gleichzeitig die Freiheit für revolutionäre Propaganda und Aktionen bewahren. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu den derzeit vorherrschenden Bündnis-Strukturen.
Der Erfolg des „Battle of Cable Street“
Ein herausragendes Beispiel für die defensive Anwendung der Einheitsfront im Kontext antifaschistischer Mobilisierungen ist der „Battle of Cable Street“ am 4. Oktober 1936 im Londoner East End. Diesem Ereignis gingen verschiedene antifaschistische Mobilisierungen voraus, wie der „Battle of Stockton“, der „Battle of South Street“, der „Battle of De Winton Field“ und, besonders wichtig als Inspiration für die Mobilisierung zum „Battle of Cable Street“, der „Battle of Holbeck Moor“ in Leeds. Letzterer verbreitete die Art der Konfrontation der antifaschistischen Bewegungen in ganz Großbritannien und diente als wichtige Inspiration für die Planung des „Battle of Cable Street“.
Bis heute beziehen sich verschiedene marxistische Strömungen immer wieder auf die Erfahrungen dieses Kampfes, um die Wirksamkeit von Einheitsfronten im Kampf gegen den Faschismus zu unterstreichen. Damals verhinderte eine breit aufgestellte antifaschistische Bewegung, dass die faschistischen „Schwarzhemden“ unter Oswald Mosley durch ein Arbeiter:innenviertel marschierten. Dieser Marsch wurde durch den Zusammenschluss von über 300.000 Menschen – darunter Gewerkschaften, lokale jüdische Communities und diverse politische Gruppen – erfolgreich blockiert. Die „Blackshirts“ – die Straßenbewegung der “British Union of Fascists” (BUF) – planten, inspiriert von italienischen faschistischen Kampfverbänden, gewalttätige Aktionen gegen Juden:Jüdinnen und Linke. Oswald Mosley, Führer der BUF, plante einen Marsch durch das Einwander:innenviertel. Eine Einheitsfront, geführt von der Kommunistischen Partei und mit starker Beteiligung der jüdischen und irischen Bevölkerung der Cable Street, mobilisierte gegen den Aufmarsch der BUF. Ein großes Polizeiaufgebot sollte den Marsch trotz der angekündigten Gegenwehr ermöglichen.
Der Erfolg der antifaschistischen Mobilisierung basierte auf verschiedenen Konzepten, die in modernen Anwendungen vermeintlicher „Einheitsfronten“ bislang ganz fehlen oder verloren gegangen sind. Der Widerstand zeichnete sich durch das gemeinsame Vorgehen verschiedener politischer und Arbeiterorganisationen sowie Selbstorganisationen von Communities aus. Sozialist:innen, Anarchist:innen, Kommunist:innen, irische Einwanderer:innen und die jüdische Community bündelten gemeinsam ihre Kräfte gegen die faschistische Bedrohung. Diese breit aufgestellte Allianz war essentiell für den Erfolg der Aktion. Ganz zentral spielten die Gewerkschaften eine Rolle bei der Organisation des Widerstands. Auf betrieblicher Ebene nutzten die Gewerkschaften ihre Organisationsstrukturen und Ressourcen, um die Mobilisierung effektiv zu koordinieren und zu unterstützen. In den Fabriken und Arbeitsplätzen wurden Versammlungen abgehalten, die die Arbeiter über den bevorstehenden faschistischen Marsch informierten und sie zur Teilnahme am antifaschistischen Widerstand motivierten. In einigen Fällen führte dies zu Arbeitsniederlegungen, um den Widerstand zu stärken.
Wichtig war auch die Kommunikationsweise. Die Bewegung band erfolgreich verschiedene Gemeinschaften ein und fokussierte sich auf eine gemeinsame Botschaft des Widerstands gegen den Faschismus, was eine breite Unterstützung mobilisierte. Man nutzte die personellen Ressourcen durch das Bündnis und die unterschiedlichen Verankerungen verschiedenster Bereiche, um mit Flugblättern und Lautsprecherwagen gemeinsam zu mobilisieren. Lautsprecherwagen fuhren durch die Straßen, um Informationen zu verbreiten und zum Widerstand aufzurufen. Am Tag des geplanten Marsches errichteten die Menschen physische Barrieren. Lokale Hafenarbeiter und andere Beteiligte verwendeten verfügbare Materialien, sogar eine Straßenbahn wurde umgekippt, um die Durchführung des Marsches zu verhindern. Als die Faschisten und die Polizei versuchten, durch die Cable Street zu marschieren, stellten sich ihnen Hunderttausende Menschen entgegen. Die Bewohner:innen des Viertels und die Protestteilnehmer:innen verwendeten Steine und andere improvisierte Waffen, um die Polizei abzuwehren. Die Polizei wurde spektakulär zurückgedrängt und die Faschisten vertrieben. Die Entschlossenheit der Antifaschist:innen, unterstützt durch die Nachbarschaft, die aus Fenstern mit Haushaltsgegenständen warf, war ausschlaggebend für den Erfolg. Ein unvorstellbarer Moment der Massenmilitanz, welcher zu einem entscheidenden Sieg gegen die BUF wurde und einen nachhaltigen Rückschlag für die faschistische Bewegung in England bedeutete. Mosleys Faschisten überlebten als politische Kraft noch einige Jahre, doch die Niederlage hat sie maßgeblich geschwächt. Die Ereignisse demonstrierten die Entschlossenheit der Bevölkerung, faschistische Bedrohungen nicht zu tolerieren und unterstrichen, wie organisierter und einheitlicher Widerstand signifikanten Einfluss haben kann Faschist:innen die Öffentlichkeit zu nehmen.
Von der Einheitsfront zur Volksfront auf der Straße
Die Entwicklung hin zu den vorherrschenden Anti-Nazi-Bündnissen basiert auf der Weiterführung zentraler Fehler, die bereits bei der Anti-Nazi League (ANL) gemacht wurden. Dieser Bezugspunkt wird von der International Socialist Tendency, deren britische Sektion an der Gründung der ANL beteiligt war und die bis heute ähnliche Bündnisse wie „Stand Up to Racism“ (Aufstehen gegen Rassismus) initiiert, weiterhin hochgehalten. Gruppen wie Marx21, Sozialismus von Unten und die Revolutionäre Linke, die in Deutschland weiterhin positiv auf diese Politik verweisen und breite Bündnisse propagieren, haben sich jedoch in ihrem Ansatz deutlich vom ursprünglichen Charakter der ANL entfernt.
Basierend auf den Erfahrungen des „Battle of Cable Street” konnte man in den 1970er-Jahren in England erneut erfolgreich dem britischen Faschismus entgegentreten. Die National Front (NF), eine rechtsextreme Partei, verzeichnete in dieser Zeit Zuwächse, erkennbar an Wahlerfolgen und offener Gewalt auf den Straßen. Die Lage verschärfte sich nach dem rassistisch motivierten Mord, was der NF Anlass gab, ihre Gewalttaten zu intensivieren. Gleichzeitig verstärkte der Staat seine repressiven Maßnahmen gegen junge Schwarze, was die Faschist:innen in ihrem Tun bestärkte. Als Reaktion auf die zunehmende faschistische Bedrohung und den staatlichen Terror gegen Minderheiten schlossen sich Migrant:innen und Betroffene des Terrors zusammen und formierten antirassistische Gruppen welche den antifaschistischen Selbstschutz zur Verteidigung ihrer Communities koordinierten. In dieser angespannten Atmosphäre plante die NF für den 13. August 1977 eine Demonstration in Lewisham, London.
Antirassistische Gruppen verbündeten sich, um die Communities zu schützen. Es wurden Informationsveranstaltungen organisiert und Flugblätter in den Vierteln verteilt, um zur Teilnahme am Widerstand aufzurufen. Am Tag des NF-Marsches kamen Tausende Antifaschist:innen, darunter lokale Arbeiter:innen, Jugendliche und Mitglieder von kommunistischen Gruppen, zusammen, entschlossen, den Faschist:innen direkt entgegenzutreten. Eine entscheidende Taktik war, die NF an ihrem Sammelpunkt in Clifton Rise direkt zu konfrontieren und so den Marsch von Beginn an zu blockieren. Gemeinsam mit lokalen Aktivist:innen organisierten sie Gegendemonstrationen am Startpunkt des NF-Marsches. Die NF-Anhänger wurden mit einem Hagel aus Steinen, Flaschen und improvisierten Wurfgeschossen begrüßt. Antifaschist:innen setzten auch Fahnenstangen und Billardkugeln ein, um NF und Polizei zurückzudrängen. Trotz eines massiven Polizeiaufgebots durchbrachen die Antifaschist:innen mehrfach die Polizeiketten, was ihre Entschlossenheit und Fähigkeit unter Beweis stellte, sich sowohl gegen die NF als auch gegen die Polizei durchzusetzen.
Diese Auseinandersetzung endete mit einer deutlichen Niederlage für die NF, die sowohl physisch als auch moralisch unterlegen war. Der Erfolg in Lewisham gab der antifaschistischen Bewegung in Großbritannien einen bedeutenden Aufschwung. In direkter Folge wurde die Anti-Nazi League (ANL) gegründet, die 1978 das „Carnival against the Nazis“-Konzert mit über 100.000 Teilnehmenden organisierte und somit einen wesentlichen Beitrag zur dauerhaften Schwächung der Präsenz und des Einflusses der NF leistete.
Es wäre jedoch eine Vereinfachung, den Niedergang der National Front ausschließlich auf direkte Konfrontationen zurückzuführen. Neben diesen Auseinandersetzungen in Lewisham und anderen Orten trugen verschiedene Faktoren zum Rückgang der NF bei. Interne Machtkämpfe und Spaltungen schwächten ihre Einheit und Fähigkeit, als geschlossene politische Kraft zu handeln, was zu Abspaltungen und der Gründung neuer Splittergruppen führte. Der entschlossene Widerstand der Antifaschist:innen und die verstärkte Organisation betroffener Gemeinschaften erschwerten es der NF zunehmend, öffentliche Demonstrationen zu veranstalten. Diese Einschränkung ihrer öffentlichen Präsenz minderte ihre Fähigkeit, Angst zu verbreiten und neue Anhänger zu gewinnen. Die aggressive Gegenmobilisierung und öffentliche Verurteilung der NF-Aktivitäten führten zu ihrer politischen Isolation. Sowohl Mainstream-Medien als auch politische Parteien unterschiedlicher Ausrichtungen lehnten die NF und ihre rassistische Agenda ab, was deren gesellschaftliche Akzeptanz weiter reduzierte.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit verschiedener antifaschistischer und antirassistischer Gruppen, trotz unterschiedlicher politischer Ideologien, ermöglichte eine effektive und koordinierte Reaktion auf die NF-Aktivitäten. Mit der Wahl der konservativen Regierung unter Margaret Thatcher 1979 bot sich rechtsgerichteten Wählern eine Alternative im politischen Mainstream, die einige Themen der NF aufgriff, ohne deren extremen Rassismus. Polizei und Justiz gingen zunehmend gegen gewalttätige Aktionen der NF vor, was deren Kapazitäten weiter einschränkte. Diese vielschichtigen und miteinander verknüpften Faktoren führten zusammen zum allmählichen Niedergang der National Front und zur Reduzierung ihres Einflusses auf Politik und Gesellschaft in Großbritannien in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren.
Das Bündnis der Anti-Nazi League, wie auch dasjenige, welches sich bei der Battle of Cable Street formierte, war rein defensiver Natur. Die ANL vereinte selbstorganisierte Gruppen marginalisierter Communities, Arbeiterorganisationen wie Gewerkschaften, kommunistische Organisationen, Mitglieder der Labour Party und Jugendliche mit dem gemeinsamen Ziel, eine faschistische Kampftruppe zu zerschlagen. Erfolgreich entlarvte die ANL die National Front als faschistische Bedrohung der Gesellschaft und generierte so breite Ablehnung in der Bevölkerung. Entscheidend dafür war, den wahren Charakter und die Ziele der National Front offenzulegen. Führende Akteure und die Hauptantriebskraft hinter diesem Bündnis waren Kommunist:innen aus der Socialist Workers Party. Ihr Erfolg in der Verteidigung des öffentlichen Raumes, Faschisten an der Ausübung ihrer rassistischen Propaganda zu hindern und in der effektiven Aufklärungsarbeit im Kampf gegen rassistische Mythen beruhte auf ihrer Verankerung in einer breiten, aktiven Basis. Sie wussten verschiedene Methoden im Kampf gegen den Faschismus adaptieren und anzuwenden – von friedlichen Gegendemonstrationen bis hin zu direkten Konfrontationen, abhängig von der spezifischen Situation. Durch ihre Fähigkeit, sowohl auf nationaler Ebene zu mobilisieren als auch lokale Gruppierungen zu unterstützen und zu vernetzen, schuf die ANL eine dynamische Bewegung, die schnell und effektiv auf Bedrohungen durch faschistische Gruppen reagieren konnte.
Dennoch konnte die ANL kein umfassendes politisches Kampfprogramm entwickeln, um dem Faschismus dauerhaft den Nährboden zu entziehen. Es fehlt der Übergang in eine Offensive. Dies stellt einen zentralen Fehler dar, wenn man sich auf die Tradition der ANL bezieht. Letztendlich führte dies zu einer Öffnung gegenüber Kirchen und bürgerlichen Kräften, wie den Liberalen. Dadurch verwässerte man auf der einen Seite das eigene Profil, während man auf der anderen Seite intern gegen antirassistische Gruppen vorging. Dies führte schließlich zum Ausschluss dieser Gruppen, sorgte für böses Blut unter ehemaligen Bündnispartner:innen und resultierte in einer massiven Demobilisierung der Proteste im Nachgang.
Es entstand letztlich ein Bündnis, das sich so weit nach rechts öffnete, dass keine Einheitsfront mehr bestand – also kein Bündnis von Arbeiter:innen, ihren Organisationen gemeinsam mit Unterdrückten. Letztlich etablierte sich so eine Volksfront auf der Straße, ein Zusammenschluss linker Organisationen mit bürgerlichen Kräften – eine “Einheit der Demokraten”. Dies ist entscheidend, denn genau diese politische Tradition hat sich in Deutschland verfestigt und ritualisiert, getragen auch von trotzkistischen Organisationen, die in Bewegungen, reformistischen Parteien und Gewerkschaften Einfluss ausüben.
Es ist wichtig sich bewusst zu machen, dass wir diesen Abwehrkampf immer wieder von Neuem führen müssen, wenn wir als Kommunist:innen nicht dazu in der Lage sind, antifaschistische Aktionseinheiten aufzubauen auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms, welches die Grenzen des Systems sprengt. Jedes Mal, wenn wir die Gelegenheit verpassen, die sozialdemokratischen, reformistischen oder bürokratischen Führungen als Treiber der sozialen Misere, von der die Faschisten leben, zu entlarven und ihre Basis von der Führung zu entfremden, vergeben wir die Chance, dem Faschismus einen endgültigen Todesstoß zu versetzen. So können wir die Logik des geringeren Übels nicht durchbrechen.
Antifaschismus in die Betriebe!
Und genau hier liegt der Knackpunkt, an dem uns die Gruppen in der Tradition der International Socialist Tendency (IST) in eine strategische Sackgasse führen, die wir herausfordern wollen, um eine gemeinsame antifaschistische Praxis zu entwickeln. Zwar wurden im Kampf gegen den Faschismus wertvolle Erfolge erzielt, doch aus den initiierten Bündnissen, die durchaus eine starke Mobilisierungskraft besaßen, Allerdings konnte politisch nicht davon profitiert und kein linkes Alternativangebot geschaffen werden. Der Ansatz vom Bündnis „Widersetzen“, der aus den Betrieben heraus den AfD-Bundesparteitag mobilisieren will, ist bereits ein guter Schritt, an dem man ansetzen kann, und signalisiert auch eine Reflexion darüber, was in den letzten Jahren nicht getan wurde. Er zeigt jedoch auch, dass Ansätze des Organizing nicht dazu fähig waren, sich so tiefgreifend in die Betriebe zu verankern, dass sie überall dort, wo Erfolge vergangener Organizing-Arbeit vorzuweisen waren, eine Mobilisierung zum Parteitag ermöglichen konnten.
Aktuell sind wir allerdings an einem Punkt angelangt, an dem weder Massenmobilisierungen noch Grabenkämpfe innerhalb der Linkspartei ausreichen, um denjenigen Arbeiter:innen, die von der AfD abgeholt wurden, ein alternatives Programm zu bieten oder die Passivität innerhalb der Gewerkschaftsführung anzugehen. Daher ist für uns auch ganz zentral, dass wir den Wahlerfolgen der AfD eine neue politische Alternative auch auf den Wahlzettel anbieten können. Dazu brauchen wir auch einen Diskussionsprozess mit SvU und RevoLi, in welchen wir ganz klar keine Illusionen mehr in den Reformismus machen. Denn ohne ein alternatives Programm der Arbeiter:innen, der Unterdrückten und der Jugend bringt die beste Mobilisierung nichts, wir müssen als Kommunist:innen die Einheitsfronten ins Leben rufen, aber auch mit Inhalten füllen, um in die Offensive zu kommen.
Gewerkschaften als Schlüsselakteure
Zentral ist aber auch vor allem, dass unser Kampf gegen den Faschismus von den Gewerkschaften ausgeht. Allerdings nicht nur, um mit dem Banner der Gewerkschaft auf einer Demonstration aufzutreten und die Sonntagsreden von Funktionär:innen zu hören. Vielmehr brauchen wir die Gewerkschaften als Brücke in die Betriebe. Zentral ist dabei die Zusammenarbeit mit Basis-Aktiven, Vertrauensleuten und Betriebsräten. Diese Personen sind in der Lage, Versammlungen in den Betrieben einzuberufen und mit ihren Arbeitskolleg:innen zu diskutieren. Sie können der Gewerkschaftsführung strategische Vorschläge unterbreiten und im Zweifel durch gemeinsame Koordination mit Vertrauensleuten anderer Betriebe selbst umsetzen. Im Battle of Cable Street spielten die Gewerkschaften eine zentrale Rolle bei der Organisation des Widerstands, da sie aufgrund des Rückgriffs auf ihre Organisationsstrukturen und Ressourcen die Mobilisierung effektiv koordinieren konnten. Sie waren in der Lage, antifaschistische Versammlungen in den Betrieben abzuhalten, über die Ziele der Faschisten aufzuklären und Arbeitsniederlegungen zu organisieren. Wir brauchen jedoch nicht nur symbolische Präsenz der Gewerkschaften auf der Straße, sondern mobilisierungsfähige Strukturen an der Basis, die tatsächlich Einfluss auf die Belegschaften haben kann. Ein Antifaschismus von unten heißt, einen betrieblich verankerten Antifaschismus zu etablieren und mit den Mitteln der Arbeiter:innenklasse zu kämpfen, das bedeutet mit großflächigen Streiks und Blockaden.
Der Kampf gegen den Faschismus erfordert eine Verankerung und flächendeckende Vernetzung von Widerstandskomitees mit einer realen Bindung in die Betriebe hinein. Die derzeit starken Anti-Nazi-Bündnisse, wie „Keinen Meter den Nazis“ in Münster oder „Essen stellt sich quer“, repräsentieren Zusammenschlüsse, die größtenteils den Status quo unterstützen und nicht auf programmatisch einheitlicher Grundlage stehen. Sie sind Volksfronten auf der Straße und keine Einheitsfront-Aktionen. Durch das Fehlen der Führung einer kommunistischen Organisation steht im Vordergrund eine „Einheit der Demokrat:innen“ – ein Arrangement mit dem jetzigen System. So leisten wir der Ideologie des „geringeren Übels“ Vorschub und landen allerhöchstens in die Sackgasse der neuen Volksfront. Auch wenn die Gewerkschaften mit ihrem Namen unter dem Aufruf der Mobilisierungen stehen, heißt das nicht, dass die Gewerkschaften ihre Struktur in den Betrieben auch wirklich nutzen, um Aufklärungsarbeit zu leisten und von den Betrieben aus zu mobilisieren. Bisher bedeutet dies meist, dass Funktionär:innen antifaschistische Mobilisierung als eine persönliche Bühne nutzen, um den Inhalt der Veranstaltung möglichst staatstragend zu gestalten.
Aus diesem Grund darf unser Antifaschismus nicht bei den Mobilisierungen und dem Appell an die Gewerkschaftsführer enden, endlich antifaschistische Aktionskomitees in den Betrieben aufzubauen. Wir müssen auch selbst aktiv dafür sorgen, dass wir von unten aus einen effektiven Antifaschismus in den Betrieben verankern. Durch die Gewerkschaften und durch Druck auf ihre Führung müssen wir flächendeckend Aufklärung über den Faschismus leisten und gegen ihn mobilisieren. Die Gewerkschaften dienen dabei als Dreh- und Angelpunkt, da sie in der Lage sind, flächendeckend in die Betriebe vorzudringen, also dort, wo ein Großteil der Bevölkerung täglich arbeitet, und die Menschen auf Grundlage ihrer eigenen sozialen Situation anzusprechen. Ihre potenziell riesige ökonomische und politische Macht muss entfesselt werden. Der Kampf um unsere Rechte als Arbeiter:innen darf sich nicht nur auf Lohnverhandlungen beschränken. Um die richtigen Konsequenzen aus dem Versagen der Bündnisse zu ziehen, müssen wir den Fokus erweitern. Anstatt nur auf die Einheit aller Demokrat:innen gegen die AfD zu setzen, sagen wir: Der Kampf gegen die AfD erfordert auch einen Kampf gegen die Regierung, gegen die Abschiebeoffensive – die auch unsere Kolleg:innen betrifft –, gegen die Aufrüstung und gegen die EU der Banken und Konzerne. Wir können keine Einheit der Demokrat:innen fordern, ohne uns unglaubwürdig zu machen. Vielmehr müssen wir eine neue Aktionseinheit schaffen, bei der die Gewerkschaftsbasis den Ausgangspunkt bildet. Anstatt auf die regierenden Parteien zu vertrauen, möchten wir die AfD und den Rechtsruck mit der Kraft der Mobilisierung auf der Straße, in den Betrieben und an den Universitäten stoppen.