Antifa heißt Palästinasolidarität
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Die Linkspartei behauptet, "Antifa heißt Wohlfahrtsstaat". Doch über den wachsenden antimuslimischen Rassismus und die Repression gegen die Palästinasolidarität schweigt sie. Warum Antifaschismus ohne Antiimperialismus unmöglich ist.
Viele fragen sich kurz vor der Bundestagswahl: Warum ist die AfD so stark? Wenn man sich den Wahlkampf der Partei Die Linke anschaut, scheint die Antwort klar: Die AfD lege „immer dann zu, wenn die regierende Politik es unterlässt, soziale oder ökonomische Unsicherheiten abzufedern“, wie auch Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner in ihrem Artikel „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“ schreibt.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn die wachsenden Angriffe auf soziale Errungenschaften, gegen die sich Die Linke stellen will, sind aufs Engste verknüpft mit der strukturellen Krise des Kapitalismus und der Verschärfung imperialistischer Spannungen. Es ist nicht einfach so, dass die Regierungspolitik es „unterlassen“ würde, Ungerechtigkeiten „abzufedern“. Im Gegenteil sind die Militarisierung und damit verbunden die massiven Kürzungen, die die Aufrüstung der „Zeitenwende“ finanzieren sollen, eine direkte Antwort der deutschen Bourgeoisie auf die weltpolitischen Umbrüche und die schwindenden Grundlagen ihres ökonomischen Erfolgs in der Welt.
Die eine Seite der ideologischen Rechtfertigung für diese Operation ist die Beschwörung der „Verteidigung unserer Freiheit“, mit der beispielsweise die Unterstützung für den andauernden Krieg in der Ukraine stets untermauert wird. Auf der anderen Seite sind der Rechtsruck im Allgemeinen und der Aufstieg der AfD im Besonderen eng mit dem antimuslimischen Rassismus und der bedingungslosen Solidarität mit dem israelischen Staat verbunden. Die rassistische Trope des „importierten Antisemitismus“ ist eine Speerspitze in der Autoritarisierung des deutschen Staatsapparats. Mit ihr wird praktisch die gesamte arabischstämmige Bevölkerung in Deutschland überzogen – zeitgleich mit der gleichlautenden Diffamierung der radikalen Linken –, um den anhaltenden Genozid in Palästina und die Verschärfung von Polizeibefugnissen und Abschieberegeln zu rechtfertigen.
Es ist wichtig, den Rassismus nicht bloß als falsches Vorurteil oder – wie manche Ideolog:innen des Reformismus suggerieren – als spontane Reaktion der Arbeiter:innen und Armen auf sinkende Lebensstandards zu verstehen. Der Rassismus, aktuell insbesondere der antimuslimische Rassismus, der mit der Unterdrückung der Palästinasolidarität einhergeht, ist ein Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie. Er dient als Mittel zur physischen und ideologischen Spaltung und Disziplinierung der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten, um ihre Widerstandskraft angesichts stattfindender und kommender Angriffe vorbeugend zu schwächen und die kapitalistische Hegemonie durch die Bindung der Arbeiter:innen an ein auf Ausschluss basierendes nationales „Wir“ zu sichern. Die aktuell stattfindende Militarisierung der Grenzen und Entrechtung und Diffamierung von Geflüchteten ist zum einen ein Ablenkungsmanöver zur arbeiter:innen- und armenfeindlichen Politik der Regierung. Sie ist auch eine reaktionäre Antwort auf durch Krieg, Verarmung durch wirtschaftliche Abhängigkeiten und Klimakatastrophen und fördert einen „Nützlichkeitsrassismus“, um die Migration völlig der Logik kapitalistischer Verwertbarkeit zu unterwerfen.
Darüber hinaus bereitet die Militarisierung nach außen auch Grundrechtseinschränkungen und die Aufrüstung von Polizei und Sicherheitsbehörden im Innern vor, die in Zukunft die Arbeiter:innenklasse und Jugend als Ganzes stärker treffen werden. Gerade hier wird die Schnittstelle von Rassismus und Repression gegen staatskritische Proteste besonders deutlich. Die Palästinabewegung, die die enge Verstrickung der deutschen Regierung mit dem Genozid in Gaza lautstark anprangerte und damit die deutsche Staatsräson offen infragestellte, wurde mit für BRD-Verhältnisse überaus autoritären Mittel – darunter drastischen Einschränkungen der Wissenschafts- ,Kunst- , und Versammlungsfreiheit – reprimiert und von einer Hetzkampagne gegen „importierten, muslimischen Antisemitismus“ begleitet.
In diesem Szenario stellt die AfD einerseits den radikalsten Ausdruck der rassistischen und nationalistischen Tendenzen, andererseits eine reaktionäre Scheinalternative zur Kriegs- und Verarmungspolitik der Regierung dar. Die AfD konnte auch von dem Fehlen einer wirklichen linken Opposition profitieren, weil die Linkspartei (nicht zu Unrecht) besonders im Osten als Anhängsel des Status Quo wahrgenommen wurde. Auch wenn die bürgerlichen Parteien im Großen und Ganzen noch eine relative Distanz zur extremen Rechten halten – vor allem aufgrund der besonders im faschistischen Teil der AfD ausgeprägten USA- , NATO- , und EU-kritischen Positionen – ist ihre Integration ins Regime bereits auf dem Weg. Auch wenn eine Koalition mit der AfD noch nicht auf der Tagesordnung steht, können wir davon ausgehen, dass auf die gemeinsame Abstimmung mit der Union weitere Schritte der Normalisierung folgen werden.
Was tut die Partei Die Linke?
Vor diesem Hintergrund wäre es die dringende Aufgabe einer linken Opposition, die rassistische Hetze der extremen Rechten und Bürgerlichen auf Schritt und Tritt zu entlarven, ihnen ein Programm für offene Grenzen und gleiche Rechte für alle, die hier leben, entgegenzusetzen und offensiv die Verteidigung unserer migrantischen und geflüchteten Klassengeschwister zu organisieren. Es gilt allen Anstrengungen, Deutschland wieder „kriegstüchtig“ zu machen, Wirtschaftskriege zu führen und imperialistische Bündnisse wie die NATO und EU zu stärken, unversöhnlich den Kampf anzusagen, und Bewegungen mit antiimperialistischem und antirassistischem Gehalt, wie die Palästinabewegung, zu unterstützen und voranzutreiben.
Doch was tut die Partei Die Linke? Über etwas anderes als den Mietendeckel möchte sie ohnehin kaum reden. Auf das Thema Migration angesprochen, kontert sie mit Verweisen auf die sozialen Probleme oder reproduziert mit dem Verweis auf den Fachkräftemangel Nützlichkeitsrassismus. Auch wenn sie in ihrem Wahlprogramm gute Forderungen wie einen Abschiebestopp und Arbeitserlaubnis für alle Geflüchteten erhebt, in ihrem öffentlichen Auftreten spiegeln sich diese kaum wieder – ganz zu schweigen von der rassistischen Politik, die sie in Landesregierungen bis heute umsetzt. Dort hat sie in Regierungsverantwortung Privatisierungen, massenhafte Abschiebungen, Polizeiausbau und den Verrat des Volksentscheid DWE mitgetragen. Aber auch in der Opposition kapituliert Die Linke ein ums andere Mal vor „Sachzwängen“, um die Regierbarkeit sicherzustellen. Erst kürzlich verhalf sie mit ihren Stimmen im Landtag den selbst für CDU-Verhältnisse rechten Ministerpräsidenten Voigt in Thüringen und Kretschmer in Sachsen an die Macht. Sie bietet eine Strategie an, die den Kampf gegen Rechtsruck und Krise als letztlich ungewinnbar erscheinen lässt und in der folglich nur die Mitverwaltung der Angriffe in Parlament und Regierung übrig bleibt, da es ja sonst noch schlimmer werden würde.
Außenpolitisch sieht es nicht besser aus. Prominente Köpfe der Partei, allen voran die „Silberlocken“ Ramelow und Gysi, vertreten offen pro-imperialistische Positionen. Ramelow ist entschiedener Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine, der Wiedereinführung der Wehrpflicht und bezeichnet Kuffiyeh-Träger:innen pauschal als antisemitisch. Währenddessen befürwortete Gysi die NATO-Erweiterung um Finnland und Schweden. Im EU-Parlament stimmten Teile der Linken-Gruppe für die Lieferung von Taurus-Raketen.
Jede Perspektive, die Unterstützung für den Genozid in Gaza und für die Fortführung des Ukrainekriegs auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Universitäten zu bekämpfen, lehnt die Linkspartei in der Praxis ab, wie sich an ihrer aktiven Entsolidarisierung mit der Palästinabewegung eindrücklich zeigt. Während der israelische Staat mit Rückendeckung Deutschlands und der USA Gaza in Schutt und Asche bombardierte, die Annexion des Westjordanlands beschleunigt und Trump mit Netanjahu über die vollständige ethnische Säuberung Gazas diskutiert, hält Die Linke an der Illusion der Zwei-Staaten-Lösung fest, verurteilt „Kriegsverbrechen auf allen Seiten“ gleichermaßen und fordert die Regierung Deutschlands – einer der imperialistischen Staaten, die eine Hauptverantwortung für den Genozid tragen – auf, dafür die diplomatische Initiative zu ergreifen. Eine Perspektive für die Befreiung der palästinensischen Bevölkerung von Kolonialismus und Apartheid und für ein langfristiges friedliches Zusammenleben in der Region kann die Linkspartei nicht aufwerfen. Stattdessen geht ihre Haltung wunderbar mit der Unterordnung unter die repressive und rassistische deutsche Staatsräson zusammen. Ihre Rolle bei der brutalen Kriminalisierung der Palästinabewegung schwankte zwischen passiven Schweigen und aktivem Vollstrecken. Nicht nur versagte sie jedwede nennenswerte praktische Solidarität; sie stimmte im Bundestag für das Verbot von Samidoun und nicht gegen die (heuchlerisch betitelte) Antisemitismusresolution. Erst vor zwei Monaten schloss sie den palästinasolidarischen Aktivisten Ramsis Kilani aus – und zwar eben unter den „Erneuer:innen“ Schwerdtner und van Aken, nachdem die größten Zionist:innen wie Lederer und Breitenbach schon gegangen waren.
Damit spielt die Linkspartei der Trennung des Kampfes gegen Rechts vom Kampf gegen Krieg, Genozid und antimuslimischem Rassismus in die Hände. Gerade dies dient aber den etablierten Parteien, sich einerseits als „antifaschistisch“ zu inszenieren und andererseits ohne mit der Wimper zu zucken Massenabschiebungen voranzutreiben. Eine tatsächliche Opposition gegen die rassistische Migrationspolitik und gegen die Kriegstreiberei der etablierten Parteien ist so unmöglich.
Für eine neue linke Kraft, die den Kapitalist:innen und den Rechten den Kampf ansagt
Die Perspektive der Linkspartei für den Kampf gegen Rechts setzt den Schwerpunkt aufs Parlament und schließt an die Logik der „Einheit aller Demokrat:innen“ und damit die Kollaboration mit bürgerlichen Kräften an. Doch bürgerliche Kräfte wollen und können weder auf rechte Politik verzichten, noch die Ursachen des Rechtsrucks beheben. Sie mögen zwar zur Zeit noch eine skeptische Haltung gegenüber der AfD einnehmen, treiben aber gleichzeitig die Aufrüstung und die Verschärfung des Migrationsregimes voran. Sollte es für die Sicherung ihrer Interessen nötig sein, werden sie vor einer Koalition mit der AfD nicht zurückschrecken.
Im Kampf gegen Rechts können wir deshalb nicht auf die Einheit mit bürgerlichen Kräften setzen, sondern müssen auf die Einheit der Arbeiter:innenklasse – im Bündnis mit der Jugend und den Unterdrückten – hinarbeiten, unabhängig von bürgerlichen Kräften. Dabei muss sich der Kampf gegen Rechts gegen Aufrüstung, Genozid und Imperialismus, gegen jeglichen Rassismus, gegen Einschränkungen demokratischer Rechte und ökonomische Angriffe auf Arbeiter:innen und Arme gleichermaßen richten. Wenn Ines Schwerdtner sagt, „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“, antworten wir: „Antifa heißt Antimilitarismus und Palästinasolidarität“.
Um den Aufstieg der Rechten und die Angriffe der kommenden Regierung und der Bosse zurückzuschlagen, brauchen wir Massenmobilisierungen, Streiks und Blockaden. Wir kämpfen selbstverständlich an einer Seite mit all den Linkspartei-Mitgliedern, die den Rechtsruck tatsächlich stoppen wollen und fordern die Führung der Partei auf, diese Mobilisierungen mit aller Kraft voranzutreiben. Aber wir vertrauen weder darauf, dass eine Stimme für die Linkspartei bei der kommenden Wahl diese Perspektive verwirklichen kann, noch dass die Partei ohne den konsequenten Druck der selbstorganisierten Basis in diesem Sinne aktiv werden wird.
Die „alte“ Linke hat ihre Unfähigkeit zur von der deutschen Staatsräson unabhängigen Aktion unter Beweis gestellt, und wird dies auch nach der Wahl weiter tun. Es ist höchste Zeit, eine neue linke Kraft aufzubauen. Eine antimilitaristische, antikapitalistische und antiimperialistische Linke der Arbeiter:innen, die die politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse erkämpft und den Kapitalist:innen und den Rechten den Kampf ansagt.
Als Revolutionäre Internationalistische Organisation mit unserer Website Klasse Gegen Klasse wollen wir unseren bescheidenen Beitrag zum Aufbau einer solchen Kraft leisten. Als Teil davon haben wir zur bevorstehenden Bundestagswahl ein Wahlbündnis mit der Revolutionär Sozialistischen Organisation (RSO) geschlossen, um in drei Wahlbezirken sozialistische Arbeiter:innen als unabhängige Direktkandidat:innen aufzustellen, um diese Perspektive stark zu machen. International kämpfen wir als Teil der Trotzkistischen Fraktion für die Vierte Internationale (FT-CI) für den Aufbau einer solchen Kraft auf internationaler Ebene.