Ankopplung an TV-L erkämpfen, die Zukunft studentischer Beschäftigter sichern!

19.02.2018, Lesezeit 8 Min.
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“Wir brauchen die Dynamisierung unseres Lohns in dem neuen Tarifvertrag. Wie aber sieht die Zukunft von unserem Tarifvertrag aus? Lasst uns nicht den gleichen Fehler zwei mal machen. Warum die Ankopplung der Lohnentwicklung an TV-L so wichtig ist.” - Max und Yunus, studentische Beschäftigte in Berlin.

Seit 17 Jahren gab es für studentische Beschäftigte an den Berliner Hochschulen keine Lohnerhöhung mehr. Das letzte Gehaltsupdate gab es 2001, zusätzlich hörten die Hochschulen 2004 auf, Weihnachtsgeld zu zahlen.

1986 wurde der Tarifvertrag der studentischen Beschäftigten (TVStud) durch mehrwöchige Streiks erkämpft. Bis 2001 entwickelten sich die Löhne der Studierenden gemeinsam mit denen der anderen Hochschulbeschäftigten. Im Jahr 2001 wurde die Dynamisierung aufgegeben und TVStud wurde von der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst abgekoppelt.

Für die anderen hauptberuflichen Beschäftigten der Hochschulen gilt seit 2011 der “Tarifvertrag der Länder Berliner Hochschulen” (TV-L), davon ausgeschlossen sind vor allem studentische Hilfskräfte (SHKs) und Lehrbeauftragte. Mit Abschluss dieses Vertrags verpflichteten sich die Hochschulen und die Gewerkschaften dazu, in Zukunft weitere Verhandlungen aufzunehmen, um den TVStud an den TV-L anzubinden. Die Hochschulen weigerten sich jedoch, über eine Anbindung an die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst zu diskutierten und konnten sich nur eine Erhöhung um 26 Cent vorstellen. Die Verhandlungen scheiterten.

So sind wir heute in einer Situation, in der die nach TV-L am schlechtesten bezahlten Angestellten an den Berliner Hochschulen etwa elf bis zwölf Euro pro Stunde verdienen. Es ist also ganz offensichtlich, dass die Hochschulen Geld sparen, wenn sie studentische Mitarbeiter*innen für Tätigkeiten einsetzen, die normalerweise nach dem TV-L bezahlt werden würden. Dazu kommt noch, dass sie sich um die Entfristung dieser Stellen drücken können.

Im TV-L variieren die Lohnniveaus je nach Abschluss und Tätigkeit und werden in “Entgeltgruppen” festgelegt. Mit steigender Dauer der Anstellung steigt auch die “Stufe” innerhalb der Entgeltgruppe und damit der Lohn. Zusätzlich gibt es (im Moment) alle zwei Jahre neue Verhandlungen, die Lohnsteigerungen zur Folge haben.

Schauen wir uns konkrete Zahlen an: Für eine studentische Hilfskraft müssen die Hochschulen in Berlin 10,98 Euro pro Stunde bezahlen, ohne Weihnachtsgeld. Für eine Stelle in der Verwaltung nach TV-L und nach einem Jahr Beschäftigung 12,82 Euro bis 17,69 Euro, in den Bibliotheken 12,82 Euro bis 13,83 Euro und in der IT 16,61 Euro bis 19,85 Euro.

Stellen als SHK Jobs auszuschreiben und nicht nach TV-L ist eigentlich illegal, denn im Berliner Hochschulgesetz (BerlHG), auf das sich der TVStud bezieht, ist klar geregelt, was studentische Hilfskräfte sind:

§ 121,BerlHG: TV-L
(2) Studentische Hilfskräfte führen Unterricht in kleinen Gruppen (Tutorien) zur Vertiefung und Aufarbeitung des von den Lehrveranstaltungen vermittelten Stoffes durch. Studentische Hilfskräfte unterstützen die wissenschaftlichen und künstlerischen Dienstkräfte bei ihren Tätigkeiten in Forschung und Lehre durch sonstige Hilfstätigkeiten.

Deshalb ist es möglich, sich als studentische Hilfskraft in der Zentralen Universitätsverwaltung, in den Bibliotheken, dem Computer- und Medienservice oder ähnlichen Beschäftigungen in den Fakultäten und Instituten in eine unbefristete Stelle einzuklagen, die nach TV-L bezahlt wird. (Falls euch das betrifft, informiert euch dazu bei eurer Gewerkschaft!) Dieser Möglichkeit wollen die Hochschulen aber durch die Änderung des BerlHG einen Riegel vorschieben, vor allem die HU Berlin.

Damit könnten sie ihr Lohndumping legalisieren und den Tarifvertrag weiter aushöhlen. Statt die für die Universität lebenswichtige Arbeit nach einem angemessenen Tarifvertrag zu bezahlen, würden studentische Beschäftigte noch weiter gegen die anderen Angestellten ausgespielt werden, was letztendlich zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen aller Beschäftigter an den Hochschulen führen würde.

Dynamisierung unseres Lohns und Ankopplung an TV-L

Es darf nicht wieder dazu kommen, dass studentische Hilfskräfte 17 Jahre lang keine Lohnerhöhung bekommen, während die Mieten steigen und die Inflation voran schreitet. Wir brauchen zunehmend mehre Jobs gleichzeitig, um unser Leben zu finanzieren und uns nicht bis ins Absurde zu verschulden.Deswegen brauchen wir eine regelmäßige, automatische Steigerung unserer Löhne, also eine Dynamisierung. Diese muss im Tarifvertrag bindend festgeschrieben sein.

Dieses Jahr wurden die neuen Hochschulverträge abgeschlossen. 18,5 Prozent mehr Geld erhalten die Hochschulen vom Land Berlin. In den vergangenen Jahren waren insgesamt 13 Prozent Lohnsteigerung für die SHKs vorgesehen, für die kommenden 5 Jahre sind es 15 Prozent. Das Geld ist also da, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Erfüllung unserer Forderung nach 14 Euro pro Stunde plus Dynamisierung den Haushalt der Hochschulen nur zu 0,5 Prozent belasten würde.

Im neuen Tarifvertrag sollten nicht nur –“zwei bis drei Prozent mehr alle zwei Jahre” stehen, sondern eine Übernahme der Lohnentwicklung des TV-L. Dies eröffnet die Möglichkeitmittelfristig für eine vollständige Eingliederung in den TV-L zu kämpfen.

Anfang 2019 läuft der derzeitige Tarifvertrag der Länder aus und somit endet für alle TV-L Beschäftigten die Friedenspflicht. Obwohl wir studentischen Beschäftigten zu diesem Zeitpunkt in der Friedenspflicht sein werden (weil wir einen neuen TVStud III haben werden), gibt es durch die Ankopplung die Möglichkeit, dass wir auch aufgerufen werden und mitstreiken.

Dadurch könnten dann alle Hochschulbeschäftigten die Forderung nach einer Eingliederung der studentischen Beschäftigten in den TV-L aufstellen und sie durch gemeinsame Streiks und genügenden Druck auf den Senat erkämpfen.

Nehmen wir an, dass im TV Stud III keine Ankopplung an den TV-L festgeschrieben werden würde, sondern nur eine automatische Lohnerhöhung von zwei bis drei Prozent und dass wir nicht die Perspektive erheben, in den TV-L eingegliedert zu werden. Und betrachten wir, dass die studentischen Beschäftigten aufgrund der kurzfristigen Verträge und des ständigen Personalwechsels einer der Sektoren sind, die am schwierigsten zu organisieren sind.

Wenn die Kampagne ausläuft, wird es sehr schwierig sein, alles neu auf die Beine zu stellen, da viele der aktuellen Streikenden nicht mehr beschäftigt sein werden. Mangelnde Organisierung könnte es den Hochschulen erlauben, die festgeschriebene Dynamisierung wegen einer “unsicheren Weiterfinanzierung” aus unserem Tarifvertrag zu streichen. So wie sie es in 2004 schon mit unserem Weihnachtsgeld gemacht haben.

Gewerkschaftliche Organisierung an den Hochschulen und die Rolle der studentischen Beschäftigten

Die gewerkschaftliche Organisierung von TV-L Beschäftigten ist alles anderes als zufriedenstellend. Die Tarifrunden laufen sehr routiniert und nur Teilverbesserungen werden erkämpft. Die größeren Probleme der Belegschaft wie Befristungen, ausgelagerte Tochterunternehmen und Leiharbeit bleiben unangetastet.

Die Existenz von unterschiedlichen Statusgruppen, Arbeitsverhältnissen (Werkverträge, Leiharbeiter*innen) und Tarifverträgen ermöglicht es den Hochschulen, die Belegschaft zu spalten. Der Einsatz von studentischen Beschäftigten in der Verwaltung ist nur dadurch möglich und führt dazu, dass immer weniger Kolleg*innen unbefristet angestellt werden.

Durch einen einheitlichen Tarifvertrag und eine gemeinsame Organisierung in den Betriebsgruppen können die studentischen Beschäftigten im Kampf gegen Prekarisierung an den Hochschulen eine zentrale Rolle spielen.

Zum einen wären Streiks an den Hochschulen viel effektiver, da fast alle Hochschulbeschäftigten aufgerufen werden würden. Gerade ist es so, dass die ausgefallene Arbeit der TV-L Beschäftigten meistens von studentischen Beschäftigten gemacht wird, oder anders herum.

Um ein Beispiel zu nennen: Während der Streiks der SHKs waren die Bibliotheken bis 17 Uhr geöffnet, obwohl teilweise alle studentische Beschäftigten gestreikt hatten. Der Grund war, dass bis 17 Uhr Festangestellte arbeiteten.

Zum Anderen könnten die studentischen Beschäftigten eine Verbindung zwischen Streiks im öffentlichen Dienst und der Studierendenschaft herstellen. Die studentischen Hilfskräfte können innerhalb der Studierendenschaft aufgrund ihrer Position eine besondere Rolle spielen. Der Erfolg des TVStud hängt sehr viel von der Unterstützung der Studierenden ab – auch im öffentlichen Dienst wäre das ein positiver Effekt.

Ein Tarifvertrag für eine Belegschaft

Von dieser “Tarifflucht” sind nicht nur wir betroffen, sondern tausende andere Kolleg*innen, die keinen Tarifvertrag haben und bis zu 60% weniger Lohn kriegen – im Vergleich zu tarifierten Kolleg*innen, die dieselbe Arbeit machen.

Auch im Botanischen Garten haben die Kolleg*innen einen harten Kampf geführt, um wieder in die Freie Universität eingegliedert zu werden und somit auch in den TV-L. Sie sind ein Beispiel dafür, dass diese Forderung mit Entschlossenheit durchsetzbar ist.

Genauso ist ein Teil des Mittelbaus, die sogenannten “Lehrbeauftragten” von dieser Tarifflucht betroffen. Auch in anderen Betrieben wie dem Charité Facility Management (CFM) oder der Vivantes Service GmbH kämpfen die Kolleg*innen für eine Eingliederung in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Deswegen haben wir sehr viele kämpferische Arbeiter*innen als unsere Verbündete.

In unserem Kampf für einen neuen Tarifvertrag müssen wir daher nicht nur über die nächsten zwei bis drei Jahre nachdenken, sondern längerfristig. Die Sicherung der Zukunft der TV-Stud Beschäftigten liegt in der Eingliederung in den TV-L.

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