Angriff von Mannheim: Rechte Vorstöße im Gewand der Extremismusbekämpfung
Der Angriff auf der islamfeindlichen Kundgebung von Pax Europa wird von der extremen Rechten bis zu den Politiker:innen der politischen Mitte instrumentalisiert, um unter dem Vorwand der Extremismusbekämpfung ihre rechte Politik voranzutreiben. Auf dieses Spiel dürfen wir uns nicht einlassen.
Am vergangenen Donnerstag griff ein Mann die Kundgebung der islamfeindlichen „Bürgerbewegung Pax Europa“ auf dem Mannheimer Marktplatz an. Sechs Personen wurden bei dem Angriff verletzt, ein Polizist verstarb in der Folge. Einer der Verletzten war Michael Stürzenberger, ein extrem rechter Islamhasser und einer der Anführer:innen von Pax Europa. Der Aufschrei in Politik, bürgerlichen Medien und der extremen Rechten nach diesem Angriff ist groß. Er spielt der rassistischen Hetze in die Karten.
Diese Hetze, die auch von Pax Europa angefeuert wurde, war wohl selbst einer der Faktoren, die zu dieser Tat beigetragen hat. Michael Stürzenberger ist eine zentrale Figur der islamfeindlichen Rechten und verbreitet seit Jahren rassistische Hetze gegen Muslim:innen. Unter anderem als Parteichef der islamfeindlichen Kleinstpartei Die Freiheit, als Organisator des bayerischen Pegida-Ablegers und als einer der Anführer:innen von Pax Europa. Pax Europa will nach eigenen Angaben „über Wesen und Ziele des Politischen Islam“ aufklären. Der Verein veranstaltet regelmäßig Kundgebungen in ganz Deutschland, die live übertragen werden und auf denen mit rassistischen und islamfeindlichen Aussagen extreme Reaktionen provoziert werden sollen.
Auf Social Media hetzt Stürzenberger gegen den Islam. Er behauptet, der Koran würde Gewalt und Terror predigen, dass Muslim:innen die westlichen Gesellschaften unterwandern wollten und die Weltherrschaft anstreben würden. Seiner Meinung nach müssten Muslim:innen in Umerziehungslager gesteckt werden, die Religionsfreiheit für sie sollte abgeschafft werden. Den Koran vergleicht er mit Hitlers „Mein Kampf“.
Die Tat von Mannheim wird von der extremen Rechten und bürgerlichen Mitte nun für ihre rassistische und islamfeindliche Politik instrumentalisiert. Von extrem rechten Politiker:innen über die Boulevardpresse bis hin zu Vertreter:innen der etablierten Parteien wird der Versuch unternommen, den Islam als Motivator dieser Tat herauszustellen und damit die Religion von Millionen von Muslim:innen zu diffamieren. Obwohl noch nichts über das Tatmotiv bekannt ist, wird schon jetzt von Islamismus und Extremismus gesprochen. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen, sie bezeichnet die Tat als eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik. Politiker:innen, von der AfD bis zu den etablierten Parteien, zeigten sich bestürzt. Scholz sprach von einem Angriff auf die Meinungsfreiheit und betonte: „Wenn Extremisten diese Rechte gewaltsam einschränken wollen, müssen sie wissen: Wir sind ihre härtesten Gegner. Wir werden mit allen Mitteln unseres Rechtsstaates vorgehen“. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte in diesem Kontext „Entschlossenheit im Durchsetzen von Abschiebungen von Straftätern und Rückhalt für Polizisten“. Der SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese schlug eine Ausweitung von Messerverbotszonen in den Kommunen vor, was letztlich eine Ausweitung der Befugnisse der Polizei bedeutet. Die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang bezeichnete in der ARD-Sendung Caren Miosga den Islamismus als den „Feind einer freien Gesellschaft“. Genau als solcher müsse er auch behandelt werden und müsse er bekämpft werden, sicherheitspolitisch und gesamtgesellschaftlich. So konstruiert sie die Legitimation für weitere Maßnahmen der inneren Militarisierung, bevor das Tatmotiv überhaupt bekannt ist.
Wenn Migrant:innen ermordet werden, betonen bürgerliche Medien und Politiker:innen immer, man könne noch nichts zu den Motiven sagen. Wird die Tat von Muslim:innen verübt, wird sofort gegen den Islam gehetzt und von Terror gesprochen. Dieser Diskurs ist Teil einer rechten Agenda, die wir verurteilen müssen. Das Label des Extremismus und Islamismus wird genutzt, um die Befugnisse der Polizei auszuweiten und gegen Migrant:innen vorzugehen. Genau das erleben wir in der Palästina-Bewegung immer wieder. Der Vorwurf, es handele sich bei den Demonstrant:innen um Extremist:innen, Antisemit:innen und Terror-Unterstützer:innen wird konstruiert, um die innere Aufrüstung voranzutreiben. Die krassen Repressionen, Demo-Verbote und brutale Gewalt werden mit diesen Vorwürfen versucht zu legitimieren. Die Aussagen von Scholz und Co sind damit Teil der inneren Militarisierung, getarnt unter dem Schutz von Meinungsfreiheit und Rechtsstaat.
Sie normalisieren außerdem die Positionen der extremen Rechten, die nun ebenfalls versuchen, die Tat für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. So veranstaltete am Wochenende die extrem rechte AfD-Jugendorganisation Junge Alternative eine Versammlung unter dem Motto „Remigration hätte diese Tat verhindert!“. Für die kommenden Tage sind schon mehrere weitere rechtsextreme Versammlungen in Mannheim angekündigt. Die Führungsligen von Die Heimat und der AfD verbreiten massenhaft Statements, die zum Teil allgemein die Existenz von Muslim:innen in Deutschland kritisieren. Der österreichische Identitären-Chef Martin Sellner veröffentlichte Videos und Podcasts zum Angriff und plant mit seinen Identitären einen Protest vor der deutschen Botschaft in Wien unter dem Motto „Islam-Terror stoppen!“.
Was schlagen wir vor im Kampf gegen die erstarkende Rechte?
Der Rechtsruck konzentriert sich nicht allein auf den ultrarechten Rand der Gesellschaft. Der Rechtsruck zieht sich durch die gesamte Gesellschaft. Von der Politik der Regierungsparteien, über die Union bis hin zur Linkspartei erleben wir eine Verschiebung nach rechts. Die Ampelregierung hat die rechte Politik umgesetzt, die von der AfD vor Jahren gefordert wurde. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) rühmte sich damit, im vergangenen Jahr 27 Prozent mehr abgeschoben zu haben als 2022. Mit ihrer menschenfeindlichen Asylpolitik, der enormen Militarisierung nach innen und außen und der Kürzungspolitik, die die soziale Lage der Massen extrem verschlechtert, hat die Bundesregierung den Nährboden geschaffen, auf dem die Ideologie extrem rechter Parteien wie der AfD und Rassist:innen wie Stürzenberger gedeihen konnten.
Das zeigt sich aktuell wieder allzu deutlich. Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) nutzte die Tat, um einen Antrag einzubringen, wonach Abschiebungen auch in die unsicheren Herkunftsländer Afghanistan und Syrien möglich werden sollen, wenn die Personen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Der extrem rechte Diskurs wird von Politiker:innen der Mitte nicht nur bedient, sondern schon jetzt genutzt, um menschenfeindliche Abschiebungen in Kriegsgebiete zu legitimieren.
Wir können nicht mit den bürgerlichen Parteien paktieren, die sich am Ende den Anforderungen des Kapitals und des deutschen Imperialismus beugen, wie es selbst die Linkspartei immer wieder gezeigt hat. Ein Antifaschismus von oben, der mit den bürgerlichen Parteien und Konzernen gegen die extreme Rechte zu kämpfen versucht, verbündet sich letztlich mit den Kräften, die selbst rechte Politik umsetzen und damit die Grundlage für den Aufstieg der Rechten bereiten. Die Rechten bekämpfen wir nicht zusammen mit den bürgerlichen und reformistischen Parteien, die nun noch mehr Polizeibefugnisse fordern und die innere Militarisierung vorantreiben.
Wir brauchen eine Strategie gegen Rechts, die tatsächlich funktioniert. In Argentinien zeigen die streikenden Arbeiter:innen beispielhaft wie ein wirksamer Kampf gegen rechts aussehen kann. Mit einem 12-stündigen Generalstreik konnten sie Mileis autoritäres und ultraneoliberales „Omnibusgesetz“ vorerst zurückschlagen. Als Arbeiter:innen verbindet uns die Ausbeutung, die wir tagtäglich erfahren. Wir alle schuften für einige wenige, die durch unsere Arbeit reicher und reicher werden und die meisten von uns leiden unter den sexistischen, queerfeindlichen und/oder rassistischen Spaltungen, die sich durch unsere Gesellschaft ziehen. Als Arbeiter:innen verbindet uns aber auch unsere vereinte Macht, uns gegen die Ausbeuter:innen und Rassist:innen zu wehren. Denn wir halten mit unserer Arbeit die Wirtschaft am Laufen und können das ganze Land zum Erliegen bringen, wenn wir unsere Arbeit niederlegen. Politische Streiks, wie in Argentinien gegen den krassen sozialen Angriff des ultrarechten Präsidenten, können enormen Druck ausüben und den Rechten den Wind aus den Segeln nehmen.
Wir stellen uns gegen die rassistische Hetze von Rechts und aus der Mitte, die der inneren Militarisierung und einer migrationsfeindlichen Politik Vorschub leistet. Ein Diskurs, der uns zudem spalten soll. Wir stellen uns gegen die extreme Rechte und die etablierten Parteien, die die rechte Politik tatsächlich umsetzen und Pax Europa, Stürzenberger, AfD und Co den Nährboden bereiten. Statt dem Diskurs der Rechten und Bürgerlichen auf den Leim zu gehen, die aus der Tat einen Anlass für weitere rechte Vorstöße machen wollen, müssen wir vereint mit den Mitteln des Klassenkampfs der islamfeindlichen Hetze und ihren Ursachen ein Ende bereiten.