Angriff auf Sea Watch: Tödliche Folgen der europäischen Abschottung

31.10.2016, Lesezeit 4 Min.
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Die private Rettungsmission "Sea Watch", die im Mittelmeer geflüchtete Menschen vor dem Ertrinken rettet, wurde vor wenigen Tagen von der libyschen Küstenwache angegriffen. Fast 30 Menschen mussten sterben.

Der tödliche Angriff passierte mitten in der Nacht: Ein Schnellboot der Libyschen Küstenwache behinderte am 21. Oktober ein Boot der privaten Hilfsorganisation Sea Watch. Dieses befand sich gerade bei dem Versuch, Menschen aus einem in Seenot geratenen Flüchtlingsboot zu retten. In der durch das libysche Patrouillenboot verursachten Panik stürzten fast alle der etwa 150 Insassen des Flüchtlingsbootes ins Wasser. Bis zu 30 von ihnen ertranken.

Zuerst hatte das libysche Regime die Vorwürfe von Sea Watch dementiert. Die libyschen Behörden behaupteten, ein Schiff sei in libysche Hoheitsgewässer eingedrungen, weswegen Soldaten der libyschen Marine an Bord gegangen seien, um herauszufinden, weshalb sich das Schiff dort aufhalte. Doch bei einer Pressekonferenz zum Vorfall konnte die Organisation am vergangenen Dienstag anhand von Satelliten-Daten beweisen, dass sie sich in internationalen Gewässern aufhielt. Mithilfe zahlreichen Fotoaufnahmen einer Überwachungskamera konnte der Überfall ebenfalls belegt werden.

Besonders brisant ist dieser Vorfall, weil aktuell die Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die Europäische Union im Rahmen der Militäroperation Sophia beginnt. Ziel ist dabei nicht die Rettung von Flüchtenden, sondern deren Abwehr und Rückführung nach Libyen, trotz berechtigter Gründe für Asyl in der EU. Damit ist diese Mission ein weiterer Stein in der immer höher werdenden Mauer um die Festung Europa.

Solche Kooperationen sind auch keine Neuheit, sondern haben eine lange Tradition: Schon 2003 schlug der damalige britische Premierminister Tony Blair vor, Lager für Geflüchtete außerhalb der EU zu errichten. Im Oktober 2004 beschloss das Treffen der Innenminister*innen der Europäischen Union auf Initiative des damaligen Innenministers der Bundesrepublik Deutschland, Otto Schilly, ein Pilotprojekt zur Einrichtung von fünf Flüchtlingslagern in Nordafrika, unter anderem in Libyen. Im selben Jahr besuchte Tony Blair den damalige Regierungschef von Libyen, Muammar al-Gaddafi, und verkaufte ihm militärische Ausrüstung für damals umgerechnet 52 Millionen Euro. 2010 hatte der damalige Ministerpräsident von Italien, Silvio Berlusconi, mit dem damaligen libyschen Regierungschef Muammar al-Gaddafi eine Kooperation vereinbart, um Bootsflüchtlinge auf hoher See abzufangen und nach Libyen zurückzuverfrachten. Berlusconi umschrieb seine Politik mit den Worten

Mehr Gas, mehr Benzin, weniger illegale Einwanderung.

Die Kooperation zwischen der Europäischen Union und den Regierungen nordafrikanischer Länder ist dabei lediglich die Fortführung der neokolonialen Praxis, die diese Länder weiterhin in Abhängigkeit von imperialistischen Interessen hält. Im Gegenzug für ihre Unterstützung erhalten die Regierungen halbkolonialer Staaten zahlreiche Vorteile. Der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi zum Beispiel hat für seinen Einsatz gegen Flüchtende militärische wie wirtschaftliche Hilfe von vielen europäischen Regierungen erhalten.

Nach dem Angriff auf den Rettungseinsatz von Sea Watch machte die Hilfsorganisation auf die Ausbildung der libyschen Küstenwache durch die Europäische Union aufmerksam und nutzte damit ihre öffentliche Präsenz. So wurde wieder ein Thema in die Öffentlichkeit getragen, welches schon lange nicht mehr breit diskutiert worden ist: Der Neo-Kolonialismus der Europäischen Union im Mittelmeerraum und vor allem ihre militärische Hilfe für halbkoloniale Regime. Die Militäroperation Sophia ist nun in aller Munde.

Doch es ist illusorisch, auf das „humanitäre Gewissen“ der Regierungen der Europäischen Union, allen voran der deutschen Regierung zu hoffen, um solche Angriffe in Zukunft zu verhindern. Denn die Abschottung Europas und die immer weiter voranschreitende Militarisierung des Mittelmeers ist der erklärte Zweck des imperialistischen Blocks EU.

Dagegen ist es notwendig, eine starke antiimperialistische Bewegung der Arbeiter*innen, der Jugend und aller Unterdrückter aufzubauen. Auf der Straße, in den Schulen, den Universitäten und den Betrieben müssen wir gegen die Regierung kämpfen, die wie in Libyen die Regierung im Kampf gegen Migrant*innen unterstützt.

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