Ampel-Aus: Regierungschaos in Deutschland nach Trump-Wahl
Gleich am Tag nach den US-Wahlen ist klar: Die Ampel wird nicht die Regierung sein, um den Herausforderungen einer neuen Trump-Ära zu begegnen.
„Zu oft wurden die nötigen Kompromisse übertönt durch öffentlich inszenierten Streit. Zu oft hat Christian Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Mit deutlichen, ja fast schon beleidigenden und beleidigten Worten begründete Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch seine Entscheidung, Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu entlassen. Zuletzt habe Lindner auch den bereits ausgehandelten Haushalt für 2025 platzen lassen. Der schob in seiner Presseansprache die Schuld für das Ende der Koalition hingegen auf Scholz. Dieser hätte ihn „ultimativ“ dazu gedrängt, die Schuldenbremse zu brechen. Etwas zu gewollt dramatisch behauptete er, mit einer Zustimmung hätte er seinen Amtseid verletzen müssen.
Nun will Scholz also am 15. Januar 2025 die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Ohne die FDP wird die Ampel-Regierung keine Mehrheit mehr haben und es dürfte Ende März zu Neuwahlen kommen. Lindner hätte gerne schon früher Neuwahlen eingeleitet – ebenso wie der Großteil aus Politik und Unternehmensverbänden. Der Druck wird hoch sein, dass die Rest-Ampel von der selbst gewählten Schonfrist absieht. Doch letztlich liegt die Entscheidung bei Scholz. Um die Regierung aus der Opposition heraus zu stürzen, müsste letztere in einem konstruktiven Misstrauensvotum einen neuen Kanzler wählen, was nur mit den Stimmen der AfD zu machen wäre. Auf ein derart riskantes und kostspieliges Manöver dürfte sich Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) kaum einlassen.
Seine verbleibende Zeit als Kanzler will Scholz nutzen, die aus seiner Sicht dringendsten Vorhaben auf den Weg zu bringen. Auf seiner Pressekonferenz nannte er vier Punkte: Staatlich bezuschusste Energiekosten für Unternehmen. Einen Pakt für die Autoindustrie und zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Investitionsprämien und Steuererleichterungen für Unternehmen. Neue Hilfen für die Ukraine, auch als Zeichen anlässlich der Trump-Wahl. Zur Durchsetzung wird er Verhandlungen mit Merz suchen, der aber einen Boykott als Druckmittel für schnellere Wahlen nutzen könnte. Es dürfte auch kaum in Merz’ Interesse sein, der SPD eine Atempause zu gewähren, in der sie versuchen wird, sich als soziale Kraft für Vermögenssteuern, öffentliche Investitionen und stabile Arbeitsverhältnisse zu inszenieren. In der die SPD – und auch AfD und BSW – unter den anfänglichen Eindrücken einer Trump-Regierung neue Argumente sammeln können.
Der Bruch der Regierung leitet eine ungewisse Übergangsphase ein, in der die Parteien um grundsätzliche Fragen der Ausrichtung der deutschen Außen-, Wirtschafts-, und Sozialpolitik streiten werden. Mit der Wahl von Trump zum US-Präsidenten sind die Szenarien der internationalen Politik so offen wie lange nicht mehr: Wird er die militärische Unterstützung der Ukraine beenden und Verhandlungen mit Russland forcieren? Wird er mit einem noch schärferen Pro-Israel-Kurs eine weitere Eskalation in Westasien provozieren? Wird er einen neuen Handelskrieg entfachen? Für Produkte aus der EU will er Zölle in Höhe von zehn bis 20 Prozent erheben, was der deutschen Wirtschaft massiv schaden könnte.
Der Druck der globalen Konkurrenz hat besonders die Autoindustrie in eine schwere Krise geworfen, wie die drohenden Werksschließungen bei VW zeigen. Die Unternehmensverbände rufen nach einer tiefgreifenden Kursänderung in der Industrie- und Finanzpolitik. Und so werden zur Bundestagswahl ganz grundsätzliche Konzeptionen auf dem Tisch liegen: SPD und Grüne setzen auf umfangreiche, schuldenfinanzierte Investitionspakete. Sie wollen der kriselnden Industrie Milliardenhilfen für ihren technologischen Umbau zur Verfügung stellen und die Aufrüstung finanzieren. Scholz betonte in seiner Ansprache, man dürfe Ukraine-Hilfen und Sozialstaat nicht gegeneinander ausspielen. Doch die Chancen, durch massive Schuldenaufnahme die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen, liegen angesichts der harten Konkurrenz auf den Weltmärkten und der aggressiven Politik von Trump zumindest im Ungewissen. Eine viel umfangreichere Aufrüstung als ohnehin schon dürfte zudem den Großteil der sozialen Pflaster wegfressen, auch ohne einen FDP-Finanzminister.
CDU/CSU und FDP wünschen sich deutlich direktere Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse. Steuererleichterungen für Unternehmen, Kürzungen bei Sozialausgaben und insbesondere dem Bürgergeld. Weitere Angriffe auf Löhne und Renten dürften ebenfalls sie ins Repertoire aufnehmen. Außenpolitisch fordert Merz – ein glühender Transatlantiker – eine noch eskalativere Politik mit mehr Waffenlieferungen an Israel und die Ukraine, darunter mit Taurus-Raketen, die auch russische Gebiete erreichen können. Sowohl Ampel als auch Union rühmen sich dafür, die Festung Europa weiter auszubauen und treten für mehr Abschiebungen und Restriktionen ein.
Unabhängig davon, wer die nächste Regierung stellt, lässt sich bereits voraussehen, dass diese außen- und innenpolitisch einen noch schärferen Kurs fahren wird. Für das deutsche Kapital gilt es nun, die Aggressivität eines Trumps selbst mit Aggressivität zu beantworten. Da können auch Scholz’ vorsichtige Worte zur Wahl von Trump nicht hinwegtäuschen, in denen er Hoffnung auf eine konstruktive Zusammenarbeit ausdrückte. Gerade mit einem Schwenk der USA in der Ukraine-Politik könnte sich die Frage der deutschen Haltung zu Russland, China und den USA neu stellen. Zur Bundestagswahl dürften wir erstmals nicht nur verschiedene Nuancen von transatlantischen Ausrichtungen sehen, sondern Grundsatzdebatten der Orientierung des deutschen Imperialismus – begleitet von Diffamierungskampagnen und Repression besonders gegen die Palästina-Bewegung. Das Spektrum der Positionierungen wird bis zu deutlich souveränistischen Vorstellungen von BSW und AfD reichen, die eine unabhängige Rolle Deutschlands von der NATO in der Welt und einen Ausgleich mit Russland anstreben. Das kürzliche Scheitern der Koalitionsverhandlungen in Sachsen mit BSW zeigt, dass die Uneinigkeit in der außenpolitischen Ausrichtung Regierungsbildungen zunehmend erschwert. Die Wahl von Trump und eine veränderte Situation in der Ukraine könnten die Karten aber grundsätzlich neu mischen.
In Position brachte sich DIE LINKE bereits in den letzten Tagen, die mit dem Antrittsbesuch ihres neuen Vorsitzenden Jan van Aken in der Ukraine bereits andeutete, opportunistisch genug zu sein, jede NATO-Positionierung mitzutragen. Kurz vor dem Platzen der Ampel hatte zudem Co-Vorsitzende Ines Schwerdtner noch für die Fortführung der Ampel-Regierung und die Aufnahme von Schulden für Investitionen plädiert. Dies sei die beste Antwort auf Trump, um Deutschland handlungsfähig zu halten. Auch ihr Hauptaugenmerk gilt somit den Bedürfnissen des Kapitals.
Angesichts dessen, dass keine Partei eine Politik für die Arbeiter:innenklasse umsetzen wird, stellt sich umso mehr die Frage, wie linke Kräfte eine unabhängige Perspektive aufzeigen können. In diesem Sinne wollen wir unseren Vorschlag erneuern, unabhängige, revolutionäre, sozialistische Kandidaturen zur Bundestagswahl aufzustellen. Angesichts des Kriegskurses von Ampel und Union, angesichts der massiven Kürzungspolitik, die Friedrich Merz verspricht, angesichts von Milliardengeschenken für Konzerne von SPD und Grünen sowie einer rassistischen, militärischen und autoritären Offensive aller Parteien, braucht es dringender denn je Stimmen aus der Jugend und den Betrieben, die sich dagegen stellen und eine gänzlich andere Perspektive aufzeigen. Wir wollen revolutionäre Kandidaturen nutzen, um Widerstand gegen die aktuelle und künftige Regierungspolitik und den Aufstieg der extremen Rechten zu formieren, gestützt auf Aktionen und Versammlungen von Arbeiter:innen und Jugendlichen. Wir wollen sie nutzen, um sozialistische Ideen von Rätedemokratie und Planwirtschaft zu verbreiten, die allein dazu in der Lage sind, der Perspektivlosigkeit der bürgerlichen Parteien eine positive Zukunft entgegenzusetzen. Dafür gibt es keine Zeit zu verlieren. Wir rufen alle Aktivist:innen und Organisationen, die diese Perspektive teilen, dazu auf, mit uns in Verbindung zu treten und sich über ein Programm für einen Wahlantritt zu verständigen.