„America is Back“: Biden verspricht eine Rückkehr zum üblichen Imperialismus.
Bidens erste außenpolitische Rede wurde als frischer Wind nach vier Jahren Trump'scher Grobschlächtigkeit bejubelt. Aber wenn wir hinter Bidens leere Rhetorik blicken, ist seine Aufgabe als Präsident keine andere als die von Trump: den US-Imperialismus zu seinem früheren Ruhm zurückzuführen. Wird die traditionelle neoliberale Außenpolitik dafür ausreichen?
Joe Bidens erste außenpolitische Rede zielte darauf ab, sowohl die US-Bevölkerung als auch die führenden Politiker:innen der Welt davon zu überzeugen, dass die Wiederherstellung der Legitimität des Landes in der geopolitischen Arena von entscheidender Bedeutung ist, um die Welt aus einer sich verschärfenden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krise herauszuführen – einer Krise, deren Wurzeln weit tiefer reichen als zur Coronavirus-Pandemie. Die Frage bleibt jedoch, ob solche Ambitionen im Kontext des Niedergangs des US-Imperiums in einer sich verändernden geopolitischen Landschaft möglich sind.
Die Rede, die am 4. Februar im Außenministerium gehalten wurde, lief auf zwei miteinander verbundene Elemente hinaus: eine pauschale Ablehnung von Trumps relativem Isolationismus unter der Maxime „America First“ und ein erneutes Bekenntnis zum Wiederaufbau der imperialistischen Hegemonie der USA mit einer Rückkehr zum neoliberalen Interventionismus und der Unterstützung ihrer historischen Verbündeten.
Vor den Augen von Staats- und Regierungschefs der ganzen Welt war ein Großteil von Bidens Rede darauf ausgerichtet, das Bild eines starken US-Kapitalismus zu zeichnen, trotz eines Jahres mit schweren Turbulenzen, die eine neue Phase in der geschwächten nationalen und internationalen Position des Landes markierten. Innenpolitisch zeigte sich das in einer miserable Reaktion auf die Pandemie, die zu über 451.000 Toten führte, einer in die Höhe schießenden Arbeitslosigkeit und wirtschaftlichen Not für die arbeitende Bevölkerung, einem Sommer des mutigen Aufstands gegen Polizeiterror und strukturellen Rassismus und zuletzt in einem Angriff auf die Legitimität der Wahlen in Form des rechtsextremen Sturms auf das Kapitol. Auf der internationalen Bühne begann das Jahr 2020 mit der Ermordung des iranischen Militärführers Qasem Soleimani, die die USA und den Iran an den Rand eines offenen Konflikts brachte, Trumps Rückzug aus internationalen Organisationen und eine Verschärfung des Handelskriegs mit China. In seinen 20 Minuten auf dem Podium versuchte Biden, vieles davon als nur ein weiteres Produkt der Trump’schen Verirrungen beiseite zu fegen, statt es als das anzuerkennen, was es tatsächlich ist: eine Fortsetzung und Weiterentwicklung der tiefen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise, die den globalen Kapitalismus seit 2008 erschüttert und die neoliberale Ordnung herausgefordert hat, zu der Biden zurückzukehren hofft.
Biden begann damit, das Bild einer geteilten Welt zu zeichnen: auf der einen Seite die „Freie Welt“ der Demokratie, des Rechts und der Ordnung, angeführt von den Vereinigten Staaten, und auf der anderen Seite die drohende Gefahr des Autoritarismus, angetrieben von China und Russland. In der Tat waren die meisten Themen, die Biden in seiner Rede aufgriff, vom Drängen auf eine „Lösung“ der humanitären Krise im Jemen und des Putsches in Myanmar bis hin zum Versprechen, international für LGBTQ+-Rechte zu kämpfen, in der Sprache des Kampfes gegen Despotismus und der Aufrechterhaltung der Rolle der Vereinigten Staaten als Schiedsrichter der Demokratie verpackt. Mit dieser Perspektive und in Anlehnung an seine Kommentare im Wahlkampf versprach Biden, gegenüber den Gegner:innen des Landes härter vorzugehen als Trump und die Position der USA als unangefochtene imperiale Weltmacht wiederherzustellen.
In Bezug auf Russland, das in den letzten Wochen nach der Verhaftung des Oppositionsführers Alexej Nawalny von massiven Protesten erschüttert wurde, behauptete Biden, dass „die Tage vorbei sind, an denen die Vereinigten Staaten die aggressiven Handlungen Russlands, die Einmischung in unsere Wahlen, die Cyberangriffe und die Vergiftung seiner Bürger einfach akzeptieren.“ Er prangerte die Verhaftung Navalnys an, ebenso wie Putins Bemühungen, „die Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu unterdrücken.“
In ähnlicher Weise versprach Biden, sich den wachsenden wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen der US-Hegemonie durch China zu widersetzen, wobei er dies als einen pflichtbewussten Kampf der Demokratie gegen die autoritären Maßnahmen der chinesischen Regierung darstellte. Ohne zu sagen, welche Form diese Bemühungen annehmen würden, erklärte er, dass seine Regierung sich verpflichtet, „die Herausforderung unseres Wohlstands, unserer Sicherheit und unserer demokratischen Werte durch unseren ernsthaftesten Konkurrenten, direkt aufzugreifen… Wir werden Chinas wirtschaftlichem Missbrauch entgegentreten, seinem aggressiven Vorgehen entgegenwirken, und Chinas Angriffe auf die Menschenrechte, das geistige Eigentum und die Global Governance zurückdrängen.“
Obwohl Bidens endlose Appelle an die US-Demokratie natürlich hohl klingen, angesichts einer langen Geschichte von militärischen und wirtschaftlichen US-Interventionen im Ausland, ist klar, dass sie in seiner Präsidentschaft in einer Zeit der kapitalistischen Krise innenpolitisch und geopolitisch eine neue Bedeutung bekommen. Einerseits sollen seine Äußerungen über das Bekenntnis der Vereinigten Staaten zu „demokratischen Werten“ den Konsens nähren, der nach Trumps Wahlanfechtung und dem anschließenden Sturm auf das Kapitol um die Biden-Administration herum aufgebaut wurde. Diesen Konsens jetzt aufzubauen, gibt der Administration mehr Spielraum, um in Zukunft eine Politik im Interesse der US-Unternehmen und -Märkte zu betreiben – eine Politik, die die Lebensbedingungen von Millionen arbeitender und armer Menschen auf der ganzen Welt bedrohen wird.
Es war eine weitere verzweifelte Bekräftigung des US-Staates, dass seine traditionellen politischen Institutionen, obwohl sie geschwächt sind, inmitten einer anhaltenden Krise die Kontrolle behalten können. „Obwohl viele unserer Werte in den letzten Jahren unter starken Druck geraten sind, in den letzten Wochen sogar an den Rand gedrängt wurden“, sagte Biden mit Bezug auf die Ereignisse vom 6. Januar, „wird das US-amerikanische Volk aus diesem Moment stärker, entschlossener und besser gerüstet hervorgehen, um die Welt im Kampf zur Verteidigung der Demokratie zu vereinen, weil wir selbst dafür gekämpft haben.“ Mit dem Versprechen, die Zahl der in die USA aufgenommenen Geflüchteten um mehr als 100.000 zu erhöhen und sich für ein Ende der humanitären Krise im Jemen einzusetzen – einschließlich der Beendigung bestimmter Waffenverkäufe an Saudi-Arabien – werden sich viele der außenpolitischen Maßnahmen, die Biden in den ersten Tagen seiner Amtszeit vorlegen wird, wahrscheinlich darauf ausgerichtet sein die Legitimität der Vereinigten Staaten zu untermauern, um ihre Projekte im In- und Ausland zu verfolgen.
In einer Abkehr von Trumps „America First“-Rhetorik, die den Wohlstand der USA über alles stellt, versprach Biden, das Land an die Spitze der Bemühungen zu stellen, die größten Probleme der Welt zu lösen, von der Pandemie und dem Klimawandel bis hin zu humanitären Krisen und der Verbreitung von Atomwaffen. Mit anderen Worten: Bidens Gerede von der Rolle der USA als Leuchtturm der Demokratie war ein Versuch, gegenüber den Verbündeten – die die Trump-Jahre genutzt haben, um ihre Beziehungen zu den Vereinigten Staaten abzukühlen – zu rechtfertigen, dass die Wiederherstellung der US-Legitimität das Beste für eine von unzähligen Krisen erschütterten Welt ist. Aber die Risse in diesem sonnigen Bild zeigen sich bereits, wie schon in Bidens kurzer Rede deutlich wurde.
Er gab sich große Mühe, in seiner Konzeption für die internationalen Beziehungen die Diplomatie von der Wirtschaftspolitik zu trennen. Im gleichen Atemzug, in dem er die Ungerechtigkeiten sowohl Russlands als auch Chinas anprangerte, versprach er, mit diesen an einer Reihe gemeinsamer Interessen im Bereich des Handels und der nuklearen Abrüstung zu arbeiten. Aber das ist eine falsche Unterscheidung – wenn wir über Bidens ermüdende Rhetorik, hinausschauen wollen, müssen wir einsehen, dass die US-Außenpolitik immer im Dienste imperialistischer Interessen steht. Sogar Biden hat das in seiner Rede selbst gesagt:
In unsere Diplomatie zu investieren ist nicht etwas, das wir nur tun, weil es das Richtige für die Welt ist … Wir tun es, weil es in unserem nackten Eigeninteresse liegt. Wenn wir unsere Allianzen stärken, verstärken wir unsere Macht … Wenn wir in die wirtschaftliche Entwicklung von Ländern investieren, schaffen wir neue Märkte für unsere Produkte und verringern die Wahrscheinlichkeit von Instabilität.
Dies war die wahrste Aussage, die Biden am Donnerstag traf. Sein zum Scheitern verurteiltes Vorhaben ist der Versuch, dem neoliberalen Modell neues Leben einzuhauchen, um die Vereinigten Staaten inmitten einer globalen Krise und einer sich verändernden geopolitischen Landschaft in eine bessere Position zu manövrieren. Das ist in seiner Besetzung von Schlüsselpositionen im Bereich der Außenpolitik deutlich genug geworden: vom pro-israelischen Kriegstreiber Antony Blinken bis zum Irak-Kriegs-Kommandeur Lloyd Austin. Er mag dem Pariser Abkommen wieder beitreten und enger mit Europa, der NATO, Mexiko, Japan und anderen Verbündeten der USA zusammenarbeiten, um eine vorteilhafte Handelspolitik zu ermöglichen, aber dabei handelt es sich nur um dasselbe Monster eines geschwächten US-Imperialismus mit einer etwas freundlicheren Maske. Von Trump zu Biden bleiben viele der Aufgaben die gleichen: den Aufstieg Chinas abzuwehren, die internationalen Märkte zu nutzen, um die Wirtschaftskrise, die die Vereinigten Staaten trifft, abzufedern, und Vereinigten Staaten in eine stärkere Position auf der Weltbühne zu manövrieren.
Das ist sicherlich wahr, wenn wir einen Blick auf die Dinge werfen, die Biden in seiner Rede am Donnerstag nicht erwähnt hat, einschließlich der kürzlich wiederbelebten imperialistischen Offensiven der Vereinigten Staaten in Venezuela, Kuba und dem Iran. Interventionen, die nicht mit Trump begonnen haben und die die Unterstützung des Zwei-Parteien-Regimes haben. Schon vor seinem Amtsantritt erkannte Biden Guaido offiziell als den legitimen Führer Venezuelas an. Er bekräftigte diesen Ansatz am Mittwoch und versprach, das Maduro-Regime ins Visier zu nehmen und alle Hindernisse für Guaidos Kampf um die Macht zu beseitigen. Obwohl sich Biden in seiner ersten außenpolitischen Rede hauptsächlich auf Asien und die Pandemie konzentrierte, was vielleicht auf eine Fortsetzung des Rückzugs der Vereinigten Staaten im Nahen Osten hindeutet, ist er ein entschiedener Befürworter der israelischen Besetzung Palästinas und wird Trumps Entscheidung aufrechterhalten, die US-Botschaft in Israel in Jerusalem zu belassen. Und obwohl Biden der internationalen Impfstoff-Initiative COVAX beigetreten ist, ist klar, dass es ihm nicht um eine globale Lösung der Pandemie geht, sondern um eine, die US-amerikanische Pharmaunternehmen in den Vordergrund stellt. Die Regierung kauft Impfdosen in unglaublichen Mengen auf, weit mehr als für die Impfung der US-Bevölkerung benötigt werden.
Die aktuelle Krise mag sich für Bidens Rhetorik von Frieden, Demokratie und Stabilität eignen, aber nach acht Jahren der Obama-Regierung wissen wir, wie die „Demokratie“ der USA im internationalen Bereich aussieht. Wenn die Zeit gekommen ist, wird Biden nicht zögern, alle dem US-Imperialismus zur Verfügung stehenden Mechanismen einzusetzen, um seine Interessen im Ausland zu sichern, von Sanktionen und Handelsabkommen bis hin zu Bombardements und Drohnenangriffen. Während wir die ersten Tage der Biden-Administration durchlaufen, müssen wir uns entschieden gegen die imperialistische Aggression der USA in all ihren Formen stellen. Die einzigen Lösungen, die die Vereinigten Staaten für die gewaltigen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, anbieten, sind diejenigen, die dem US-Kapitalismus nützen werden – zum Nachteil der arbeitenden Menschen auf der ganzen Welt.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch bei Left Voice