Amazonisierung – die Zukunft des Kapitalismus
Interview mit Jake Alimahomed-Wilson, Mitherausgeber von “The Cost of Free Shipping: Amazon in the Global Economy”.
Jake Alimahomed-Wilson ist Soziologieprofessor an der California State University, Long Beach, und Mitglied der California Faculty Association. Seine Forschung konzentriert sich auf den weltweiten Warenverkehr, sowie auf die Logistikarbeiter:innen, die dafür sorgen dass das System des globalen Kapitalismus funktioniert. Gemeinsam mit Ellen Reese gab er das Buch “ The Cost of Free Shipping: Amazon in the Global Economy“, zu deutsch, “Die Kosten von kostenloser Lieferung: Amazon in der globalen Wirtschaft”, heraus, welches 2020 von Pluto Press veröffentlicht wurde.
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Jake Alimahomed-Wilson: Ich habe den größten Teil meiner Karriere damit verbracht zu untersuchen, wie Kapitalismus durch Logistik funktioniert und welche Auswirkungen Neoliberalismus und kapitalistische Ausbeutung, Rassismus und Gewalt auf Arbeiter:innen entlang der gesamten globalen Lieferkette haben.
Ich begann damit einige Jahre zuvor, als ich mit Immanuel Ness das Projekt “Choke Points“ (dt. Engpässe) abschloss. Ich hielt Vorträge auf der ganzen Welt, von New York über London bis Paris. Viele Fragen, die uns von Organisatoren, Aktivist:innen und Leuten in der Arbeiter:innenbewegung gestellt wurden, betrafen Amazon. Ich hatte zu dem Zeitpunkt gerade meine eigenen Nachforschungen über Amazon begonnen. Ich war sehr daran interessiert, mich aus arbeits- und logistischer Sicht mit dem Unternehmen zu befassen.
Schließlich kam ich mit Ellen Reese in Kontakt, die Professorin an der UC Riverside in der Region Inland Empire in Südkalifornien ist. Die Stadt ist bekannt als die Lagerhauptstadt der Welt. Gemeinsam haben wir an einer Idee für ein Buch über Amazon gearbeitet, welches die Perspektiven von Arbeiter:innen und Aktivisten enthält.
Im Buch wird der Begriff „Amazonisierung der Wirtschaft“ verwendet. Wie würden Sie dieses Phänomen beschreiben und inwiefern unterscheidet es sich von der Rolle, die andere Megaunternehmen wie Walmart in der Weltwirtschaft spielen?
Meine bisherige Arbeit konzentrierte sich stark auf den Aufstieg von sogenannten Big-Box-Einzelhändlern wie Walmart, also Einzelhandelsgeschäfte, die viel physischen Raum einnehmen und eine große Varietät an Produkten anbieten. Diese Geschäfte machen Profit durch großes Verkaufsvolumen. Meine Nachforschungen konzentrierten sich unter anderem darauf, wie diese Einzelhändler die globale Wirtschaft durch die Kontrolle der Logistik und des Warenverkehr beherrschen und wie sich das auf Arbeiter:innen auswirkt. Mir wurde bewusst, dass Amazon viele Dinge anders handhabt und dass der E-Commerce oder Internethandel generell großen Einfluss auf den Warenverkehr genommen hat. Das führte zur “Amazonisierung” der Wirtschaft.
Ich habe mir zum Beispiel eine Fallstudie der von Amazon unter Vertrag genommenen Last-Mile-Zusteller:innen angesehen, die für Lieferservice-Partner von Drittanbietern arbeiten. Diese Mitarbeiter:innen fahren zwar in Amazon-Lieferwagen und tragen Amazon-Uniformen, sind jedoch nicht für Amazon angestellt. Ihre Arbeitgeber:innen sind kleine Speditionen von Drittanbietern. Auf diese Weise nutzt Amazon die aktuelle Rechtslage aus, um die Zahlung fairer Löhne zu umgehen und Vorteile für Arbeiter:innen zurückzuhalten.
Im Buch argumentieren wir, dass der E-Commerce zu einer sogenannten “Beschleunigung der Arbeitskräfte” führt. Diese Entwicklung wird durch das weltweit größte E-Commerce-Unternehmen vorangetrieben: Amazon. Arbeiter:innen müssen jetzt schneller und unter größerem Druck arbeiten. Im Zusammenhang damit stehen, wie wir sie nennen, “Technologien zur Überwachung und Kontrolle von Arbeiter:innen”, die Unternehmen nutzen, um ihre Arbeiter:innen auszuspionieren. Arbeiter:innenbewegungen werden bis ins kleinste Detail kodifiziert.
Das alles hat zu einer zunehmenden Rassifizierung der Arbeiter:innenschaft geführt. BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) und insbesondere WoC (Women of Color) sind überproportional oft in den am meisten zermürbenden, meist überwachten Jobs in der E-Commerce-Branche vertreten. Amazon treibt dies voran, was für eine sehr kleine Gruppe von überwiegend Weißen und männlichen Führungskräften zu einem immensen Profit führt.
Arbeiter:innen zu überwachen und sie zu schnellerer Arbeit anzutreiben waren schon immer Taktiken, die Chefs benutzten um mehr Profit aus den Arbeitenden zu ziehen. Wie also unterscheidet sich die Amazonisierung der Wirtschaft heute davon? Wie denken Sie über diesen Prozess im breiteren Kontext des Neoliberalismus und der Geschichte des Kapitalismus?
Der Konzern Amazon ist das Ergebnis mehrerer historischer Prozesse, die mit der kapitalistischen Entwicklung, dem Neoliberalismus und dem Finanzkapitalismus zusammenhängen. Aufgrund der Größe und der wachsenden Macht von Amazon in der globalen Wirtschaft werden einige neue Prozesse angetrieben und beschleunigt, bei denen Big Tech mit der Verdrängung von Arbeiter:innen verbunden werden. Die Arbeitsplätze der Arbeiter:innenklasse verändern sich so grundlegend.
Derart riesigen Konzerne hat es in der Geschichte der Menschheit kaum gegeben. Sie haben so viel geballte Macht, dass sie Gesetze ändern können: Beispielsweise wurde in Kalifornien von Uber das Gig-Economy-Gesetzt durchgesetzt, mittels dessen Steuerzahlungen vermieden werden können. Arbeiter:innen werden nicht mehr als Angestellte, sondern als Auftragnehmer und Mitglieder privater und falscher Unternehmen eingestuft.
Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftssektoren konnte Amazon seine Profite durch die Pandemie und die Lockdowns steigern. Wie hat sich die Rolle von Amazon in der Wirtschaft im letzten Jahr verändert? Was könnte uns dies über zukünftige Trends in der Weltwirtschaft sagen?
Ellen Reese und ich haben dieses Projekt schon vor der Pandemie begonnen. Amazon wuchs bereits damals mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Es waren schon zu dieser Zeit große Branchenveränderungen in der Logistik und im Einzelhandel erkennbar, einschließlich der Entstehung von Amazon Web Services, die einen großen Teil von Amazons Gewinn ausmachen. Und dann, ein paar Monate bevor unser Buch erscheinen sollte, begann die Pandemie und alles beschleunigte sich. Was wir im letzten Jahr gesehen haben, ist offensichtlich eine Konzentration der Unternehmensmacht im Aufkommen von Amazon, welcher bald der größte private Arbeitgeber der Welt sein wird.
Amazon ist bereits jetzt der zweitgrößte private Arbeitgeber in den USA, wobei die wirklichen Ausmaße natürlich größer sind, als es die offiziellen Zahlen zeigen. Es gibt hunderttausende von Arbeiter:innen, die eigentlich Angestellte von Amazon sind, aber nicht als solche gezählt werden. Amazon ist nicht verantwortlich für diese Arbeiter:innen, obwohl siw diejenigen Arbeiter:innen sind, die über 50 Prozent aller Amazon Prime Pakete ausliefern. Sie sind Vertragsarbeiter:innen, eine Art von Gig-Arbeiter:innen, oder Flex-Fahrer:innen. Um die Pakete auszuliefern nutzen sie ihre eigenen Fahrzeuge. Wir können das auf der ganzen Welt beobachten.
In den letzten 12 Monaten gab es nun eine noch nie dagewesene Nachfrage nach Lieferungen aus dem Internet. Dies hat Amazon dazu veranlasst massenhaft Personal einzustellen: Die Belegschaft wurde nahezu verdoppelt. Aktuell beläuft sich die weltweite Belegschaft auf etwa 1,3 Millionen Menschen, wobei diese Zahl nicht die halbe Millionen Zulieferer berücksichtigt, die die Amazonpakete an Ihre Haustüre liefern.
Ich denke, wir werden erleben, wie Amazon weiter Macht auf dem Markt aufbaut und seine Marktdominanz in den USA, in Europa und zunehmend auch im globalen Süden weiter steigert. In den USA werden wir wahrscheinlich Veränderungen in Wirtschaft und Konsum sehen. Ich bin der Meinung, dass Amazon nicht allein verantwortlich für diese Veränderungen ist, aber dennoch treibt es einen Wandel im Konsum an, zumindest bei Verbrauchern in der Mittelschicht. Die Situation jetzt unterscheidet sich deutlich von der Situation vor einigen Jahren, als die Lieferkette an einer Walmart-Filiale oder einem stationären Geschäft endete, als wir uns noch physisch in ein Fahrzeug begeben mussten, um dorthin zu fahren und ein Produkt zu kaufen.
Jetzt endet die Lieferkette an unserem Wohnort, an unseren Wohnungen, an unseren Häusern, genau dort also, wo wir leben – oder zunehmend auch in den Schließfächern von Amazon. Meine Universität, die California State University Long Beach, war die erste öffentliche CSU (Channel Service Unit) Universität. Sie ist das größte öffentliche Bildungssystem in den USA. Und jetzt haben wir einen Amazon Campus-Store auf unserem Campus. Es ist ein Ladengeschäft, direkt vor meinem Büro. Ich erinnere mich, wie ich die Einleitung zum Buch schrieb, während ich auf diesen verdammten Laden schaute. Und wir werden in Zukunft mehr davon sehen. Amazon expandiert zunehmend in den Lebensmitteleinzelhandel und zwar mit Läden ohne Mitarbeiter:innen. Sie eröffnen mehrere Läden in Großbritannien ohne Arbeiter:innen. Die Automatisierung wird in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen. Einkaufszentren werden nach der Pandemie nicht mehr zurückkommen.
Auf globaler Ebene sehen wir, dass Amazon stark in den globalen Süden investiert. Sie versuchen bereits, die Konkurrenz in Lateinamerika und Asien zu überholen. Im Nahen Osten kaufen sie kleine E-Commerce Firmen auf und auch in Mexiko versucht Amazon seinen Marktanteil zu erhöhen. In Mexiko probiert der Konzern einige Möglichkeiten aus, um Lagerarbeiter:innen Mexiko einzustellen. Die Arbeitsbedingungen in diesen Einrichtungen sind in einem Maße ausbeuterisch, wie man es nicht mal in den USA erlebt. Die Arbeiter:innen werden gegeneinander ausgespielt, die Arbeit wird sozusagen zum Spiel: Arbeiter:innen kämpfen gegeneinander, um farbige Abzeichen zu erhalten und so eine feste Anstellung zu bekommen.
In Indien, das wir im Buch besprechen, tritt Amazon im Grunde genommen gegen Walmart an, um ein Stück der riesigen aufstrebenden indischen Mittelschicht zu sichern. Unter den rund 1,3 Milliarden Menschen, die in Indien leben, gibt es zwar eine hohe Armutsrate, aber auch eine aufstrebende Konsumentenschicht. Diese versucht Amazon mit großem Aufwand anzusprechen, um einen Vorsprung vor Walmart zu bekommen. Walmart kaufte kürzlich Flipkart, das größte E-Commerce-Unternehmen in Indien, daher versucht Amazon jetzt zu kontern.
Gleichzeitig gab es Wellen des Widerstands und der Rebellion in Indien, vor allem in Neu-Delhi, wo Arbeiter:innen, unabhängige Kleinunternehmer:innen und Händler:innen sehr stark bedroht sind. Außerdem gibt es in Indien einen großen informellen Sektor, der zu den Verlierer:innen gehören könnte, wenn diese großen Tech-Unternehmen kommen und die Menschen weiter ausquetschen.
Ist es fair zu sagen, dass Amazons ausbeuterische Praktiken, wie seine Innovationen in der Arbeiter:innenüberwachungstaktik, eine neue Welle des Widerstands unter Amazon-Arbeiter:innen ausgelöst haben? Die Arbeiter:innen, die gerade in Bessemer, Alabama, für die Gründung einer Gewerkschaft kämpfen, haben ausdrücklich die schrecklichen Arbeitsbedingungen bei Amazon als Grund genannt, warum sie eine Gewerkschaft brauchen, um sich zu wehren. Können Sie darüber sprechen, was Arbeiter:innen auf der ganzen Welt getan haben, um sich gegen Amazon zu wehren?
Es gibt verschiedene Formen von Aktivismus der Arbeiter:innen. Eine der Formen, die wir im Buch hervorgehoben haben, war die Organisierungsarbeit von Amazonians United, insbesondere unter den Arbeiter:innen in Chicago. Eines der Dinge, die an der Arbeit von Amazonians United wirklich wichtig sind, ist, dass sie wirklich daran interessiert sind, die Macht der Arbeiter:innen von unten nach oben zu entwickeln und aufzubauen. Sie konzentrieren sich sehr darauf, Arbeiter:innen zu organisieren zusammenzubringen, um dann gemeinsam über den Arbeitsplatz zu sprechen und den Arbeitsplatz selbst zu verändern.
Es gibt auch die „Make Amazon Pay“-Bewegung, die letztes Jahr ins Leben gerufen wurde. Bei der Bewegung protestierten am Cyber Monday und Black Friday, inmitten der Pandemie, Amazon-Arbeiter:innen und Menschen in Solidarität gemeinsam. Hier haben wir also dieses riesige globale Unternehmen, das dafür bekannt ist, keine Steuern zu zahlen und nicht in die Gemeinden zu investieren, das stattdessen Arbeiter:innen ausbeutet – nicht nur indem Amazon die Arbeit und die die Belohnungen für diese Arbeit von den Arbeiter:innen nimmt, sondern auch dadurch, dass Amazon die Gemeinden für seine Praktiken zahlen lässt. Außerdem verursacht Amazon auch Auswirkungen auf die Umwelt: In der Region Inland Empire in Südkalifornien, wo über 4 Millionen Menschen leben, ist Amazon jetzt der größte private Arbeitgeber. Das Inland Empire ist im Grunde zu einer Senke des rassistischen Kapitalismus und des Umweltrassismus geworden. Communities of Color, überproportional Latinx und Schwarze Communities, absorbieren die Gifte tausender und abertausender von LKW-Fahrten pro Tag, um die Waren zu transportieren, die den kostenlosen Versand ermöglichen. Diese Waren werden dann nach Los Angeles gebracht und von hochgradig ausgebeuteten Lieferfahrer:innen ausgeliefert.
Wir haben gesehen, dass Amazon auf der ganzen Welt in den härtesten und am meist überwachtesten Jobs überwiegend BIPoC Arbeiter:innen beschäftigt; insbesondere in den USA sind Schwarze und Latinx Arbeiter:innen überproportional oft als Lagerarbeiter:innen angestellt – der am schlechtesten bezahlte Job im gesamten Amazon-Konzern.
Sie sind in Führungspositionen unterrepräsentiert und überrepräsentiert in den harten, Burnout-anfälligen Jobs, die zu hohen Verletzungsraten führen. Aber auch migrantische Arbeiter:innen sind in diesen Jobs überall auf der Welt überrepräsentiert. Im Hinblick auf den Widerstand ist es also von größter Bedeutung, dass dieselben Arbeiter:innen, die in den ausbeuterischsten Bedingungen überrepräsentiert sind, die Arbeiter:innen sind, die die Bewegung anführen, um sich zu widersetzen, zu organisieren und die Macht der Arbeiter:innen zu stärken.
Darum ist das, was in Bessemer passiert, so wichtig. Dies ist ein Fulfillment-Center in dem mehrheitlich Schwarze arbeiten. Es gibt einen hohen Anteil an Schwarzen Frauen, die dort beschäftigt sind. Die Bewegung für wirtschaftliche Gerechtigkeit für die Arbeiter:innen in der Bessemer-Einrichtung ist untrennbar mit der Organisierung gegen rassistische Unterdrückung verbunden.
Das ist eine der Stärken der Bewegung, die hier in den Vereinigten Staaten entsteht: Es gibt eine Verbindung zwischen den Rechten der Immigranten, Black Lives und der Gerechtigkeit für Arbeiter:innen. Und Amazon bietet wieder einen nützlichen Faden, der diese Gruppen verbinden kann. Amazon besitzt sogenannte Türklingelsysteme, welche Überwachung für die Massen bedeuten. Eine große Anzahl von Leuten aus der Mittelschicht, viele davon Weiße, kaufen diese Türklingelsysteme, um BIPoC in ihren Nachbarschaften zu überwachen. Diese Daten werden an die Polizei übermittelt. Hunderte von Polizeidienststellen haben so Zugang zu Türklingelsystemen. Nochmal, das geht über den bloßen Kauf eines Produkts im E-Commerce hinaus. Es gibt noch weitere Formen des Staat-Firmen-Nexus. Amazon Web Service, die größte Cloud-Infrastruktur der Welt, hat Verträge mit dem ICE, der CIA und einer Menge staatlicher Behörden.
Amazon fördert das Entstehen dieser Art von Staat-Firmen-Nexus. Ist Amazon das einzige Unternehmen, das so etwas tut? Nein. Aber Amazon hat ein solches Ausmaß, eine solche Größe und einen solchen Einfluss, dass wir ihm Aufmerksamkeit schenken müssen, weil Amazons Macht und Einnahmen die vieler Länder auf der Welt in den Schatten stellen.
Während Amazon größer wird und mehr Arbeiter:innen einstellt – viele von ihnen Gig Arbeiter:innen, die ungeschützt, unorganisiert und hyper-ausgebeutet sind – werden die Arbeitsplätze, die das Unternehmen schafft, gewerkschaftlich organisierte Arbeitsplätze ersetzen. Daher ist der Versuch der gewerkschaftlichen Organisierung in Bessmer wichtig. Er könnte die Bühne für weitere Amazon-Gewerkschaften oder sogar weitere Gewerkschaftsgründungsversuche bei anderen großen Unternehmen im ganzen Land bereiten, die gewerkschaftlich organisierte Arbeitsplätze für Belegschaften schaffen, die überwiegend aus BIPoC bestehen. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund die Rolle von Gewerkschaften und Amazon in der nationalen Wirtschaft?
Die gewerkschaftliche Organisierung in Bessemer ist historisch. Dennoch gibt es viele Möglichkeiten, wie Arbeiter:innen Widerstand leisten und ihre Arbeitsbedingungen verbessern können. Die Arbeiter:innen in Bessemer kämpfen für die Gründung einer Gewerkschaft als Teil der RWDSU, um die Arbeiter:innen bei Tarifverhandlungen zu vertreten. Und das ist riesig. Aber es ist auch grandios, was Amazonians United macht. Sie organisieren sich auf eine andere Weise, die Bewegung wird von Arbeiter:innen angeführt. Es gibt also verschiedene Modelle, mit denen Arbeiter:innen sich wehren können. Und sie sind alle wirklich wichtig in diesem Kampf.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Amazon ein internationales Unternehmen ist. Das Kapital ist global, also müssen Arbeiter:innenaktionen, Arbeiter:innenmacht und Bewegungen, die sich mit Arbeiter:innenrechten auseinandersetzen und überschneiden, auch global sein, und sie sollten intersektional sein. In der jüngeren Geschichte haben sich die etablierten Gewerkschaften nicht um andere drängende Fragen der sozialen Gerechtigkeit gekümmert. Deshalb sind so viele Leute begeistert von dem, was in Bessemer passiert und was andere globale Arbeiterbewegungen tun. Amazon Workers United ist eine globale Koalition von Amazon-Arbeiter:innen aus der ganzen Welt, die sich treffen, Strategien entwickeln und Aktionen koordinieren. Das ist alles, wie ich finde, wirklich wichtige Arbeit. Die Angriffe auf Gewerkschaften sind auch Angriffe auf die Gemeinschaften von BIPoC. Die gewerkschaftliche Organisierung eines riesigen Unternehmens in den Lagerhallen von Amazon wäre ein riesiger nivellierender Faktor.
Und natürlich müssen wir im Einklang damit mobilisieren, um auch den obszönen Reichtum zu beschneiden, den Amazon einer kleinen Gruppe von Führungskräften bietet, dieser ultrareichen Klasse, die nicht ihren gerechten Anteil zahlt. Es gibt Schulen, die verschwinden. Wasser ist vergiftet, Armut steigt und sie behalten immer mehr Ressourcen für sich. Wir brauchen eine vielschichtige Bewegung, eine globale Bewegung.
Interview: Tatiana Cozzarelli und Maryam Alaniz
Das Interview wurde aus Gründen der Länge und Klarheit bearbeitet.