Amazon aufs Glatteis führen
Zum diesjährigen Weihnachtsgeschäft gehen die Streiks bei Amazon unvermindert weiter. An fast allen Standorten legten Hunderte Beschäftigte in den letzten Tagen die Arbeit nieder. Doch Amazon behauptet weiterhin, dass die Streiks keine Auswirkungen auf das Weihnachtsgeschäft hätten.
„Glatteis juckt uns mehr als Ver.di“, so der Amazon-Deutschlandchef Ralf Kleber zum Arbeitskampf der Beschäftigten von Amazon. Fast schon gebetsmühlenartig versichern sie uns, dass alle Weihnachtsgeschenke pünktlich geliefert werden – trotz Streiks. Dafür tut Amazon natürlich auch einiges. Rund Zehntausend Saisonarbeiter*innen wurden dieses Jahr eingestellt, um das erhöhte Bestellvolumen zu bewältigen. Doch das reicht dem Konzern offensichtlich nicht aus. An vielen Standorten beantragten sie zusätzlich beantragten die Genehmigung von Sonntagsarbeit, so für den dritten und vierten Advent für 3000 Beschäftigte in Leipzig. Dieser und andere Anträge scheiterten jedoch am Freitag vor dem sächsischen Oberverwaltungsgericht, nachdem Ver.di Widerspruch eingelegt hat.
„Nadelstichtaktik“ von Ver.di
Im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren setzt Ver.di dieses Jahr vermehrt auf unangekündigte Streiks an wechselnden Standorten. An acht von neun Standorten beteiligten sich Kolleg*innen an spontanen Arbeitsniederlegungen. Zuletzt streikten die Kolleg*innen in Leipzig parallel zum angesprochenen Gerichtsprozess am Freitag und Samstag, gestern legten die Beschäftigten in Bad Hersfeld die Arbeit nieder. Betroffen sind dabei nicht nur die Versandzentren von Amazon, sondern auch der Standort Elmshorn in Schleswig-Holstein, der zum DVD-Verleih und Video Streaming Bereich Amazon Prime Instant Video Germany gehört.
Die Auswirkungen des Streiks werden von Amazon dabei immer wieder klein geredet. Diese Einschüchterungsversuche reihen sich in die gewerkschaftsfeindliche Praxis des Konzerns ein, der gezielt Gewerkschafts- und Betriebsratsmitglieder angreift und sich vehement weigert, mit Ver.di in Verhandlungen zu treten. „Ich glaube nicht, dass man einen Tarifvertrag braucht, um ein guter Arbeitgeber zu sein“, so wiederum Ralf Kleber.
Politische Solidarität
Begleitet werden die Streiks dieses Jahr von einer Solidaritätskampagne des Streiksolidaritätskreises in Leipzig. Diese rufen zum sogenannten „Konsument*innenstreik“ auf. Eine durchaus unterstützenswerte Aktion, die vor allem dazu beitragen soll, die Diskussion um die Arbeitsbedingungen in die Öffentlichkeit zu zerren und praktische Solidarität zu den Kolleg*innen zu tragen.
Davon zu sprechen, dass diese Aktion ökonomischen Druck auf Amazon aufbauen kann, erscheint aber zweifelhaft. Denn die Tausenden Beschäftigten, die Amazon jedes Jahr zu Weihnachten befristet einstellt, erscheinen ökonomisch auch nicht sinnvoll. Kolleg*innen berichten sogar davon, dass Leute nach Hause geschickt werden, weil einfach nichts zu tun ist.
Darauf kommt es Amazon demnach nicht an. Die Belegschaft soll vor allem durch anhaltende Befristungen gespalten und gewerkschaftliche Organisation unter den Kolleg*innen durch permanenten Leistungsdruck verhindert werden. Dafür scheint Amazon nichts zu teuer.
Solidarität aus Polen
Im letzten Jahr arbeiteten in Brieselang in Brandenburg noch über Tausend Saisonkräfte. Dieses Jahr sind es „nur“ noch 500. Ein Grund dafür ist auch die Eröffnung von Amazon-Versandzentren in Polen und Tschechien, die die Auswirkungen der Streiks in Deutschland abfedern sollen. Doch vor allem die Kolleg*innen in Polen weigern sich, als Streikbrecher*innen ausgenutzt zu werden. Symbolisch dafür steht der „Bummelstreik“ der Kolleg*innen aus Poznan vor einigen Monaten, mit dem sie sich mit den Streiks in Deutschland solidarisierten. Auch letzte Woche organisierten Beschäftigte eine Kundgebung vor dem Werk in Wroclaw, um auf die Arbeitsbedingungen bei Amazon aufmerksam.
Die internationale Solidarität von den polnischen Kolleg*innen ist zentral für den Ausgang des Arbeitskampfes bei Amazon. Im September und Oktober gab es bereits internationale Arbeiter*innentreffen zwischen aktiven Kolleg*innen, bei denen ein erster Erfahrungsaustausch stattfand. Diese Vernetzung muss weiter ausgebaut werden. Denn Amazon versucht vermehrt auf internationaler Ebene die Streiks zu schwächen. Diese Angriffe können deshalb nur international zurückgeschlagen werden.