Amad verbrannte im Gefängnis – Polizei wusste, dass er unschuldig war
Während in den USA nach dem Polizeimord an George Floyd eine Revolte tobt, kommen auch in Deutschland immer wieder Fälle von mörderischem staatlichem Rassismus ans Licht. In Kleve verbrannte ein inhaftierter Kurde im Gefängnis – obwohl die Polizei wusste, dass er zu Unrecht inhaftiert war.
26 Jahre war Amad Ahmad alt, als er starb. Aus Aleppo war er vor dem Krieg nach Deutschland geflohen. In der Zelle 143 der JVA Kleve war Amad inhaftiert, als er starb. Das war im September 2018. Sieben Wochen vorher wusste die Polizei bereits, dass er zu Unrecht dort saß.
Amad war wegen einer mutmaßlichen Belästigung festgenommen worden, der Vorwurf hat sich jedoch nicht erhärtet. Als gegen ihn Anzeige erstattet wurde, verwechselten die Polizeibeamten Amad mit einem anderen Mann, nach dem sie fahndeten. Sie beide waren am 1. Januar 1992 geboren, der andere Mann hatte sich einmal ähnlich genannt. Nur kam er nicht aus Syrien, sondern aus dem tausende Kilometer davon entfernten Mali. Die beiden Männer sahen sich nicht ähnlich. Und trotzdem wurde Amad inhaftiert – und verbrannte in seiner Zelle.
Nun wurde bekannt: Sieben Wochen vor dem Brand hatte eine Staatsanwältin der Kriminalpolizei ausdrücklich mitgeteilt, dass Amad nicht der Gesuchte sein konnte. Ihr war das Offensichtliche aufgefallen. Eine schriftliche Notiz belegt ein Telefonat, das sie mit einem Kriminalpolizisten geführt hatte. Doch es geschah – nichts.
Die Familie des Toten zweifelt an der Behauptung, ihr Sohn habe sich das Leben genommen. Die taz zitiert den Vater des Opfers: „Mein Sohn saß in Syrien drei Jahre aus politischen Gründen im Gefängnis. Er ist dabei gefoltert worden. Warum sollte er sich danach in Deutschland umbringen?“
Unweigerlich wandern die Gedanken zu Oury Jalloh. 2005 verbrannte er im Alter von 37 Jahren in einer Polizeizelle in Dessau. Auch er war vor einem Krieg nach Deutschland geflohen. Die offizielle Version lautet noch immer, er habe mit einem Feuerzeug die feuerfeste Matratze angezündet, auf die er gefesselt war. Obwohl längst Gutachten vorliegen, die darlegen, dass die Theorie der Selbstanzündung so gut wie auszuschließen sei.
Nicht wenige zeigen sich angesichts der brutalen Polizeigewalt in den USA erleichtert darüber, dass es in Deutschland ja längst nicht so schlimm sei. Doch spätestens seit dem NSU-Komplex wissen wir, dass faschistische Banden und der Staatsapparat miteinander verwoben sind. Fälle wie die von Oury Jalloh und Amad Ahmad, von denen es viele gibt, zeigen eindrücklich, wie mörderisch der Rassismus auch hierzulande ist.
Ob es noch eine echte Aufklärung dieses Falles geben wird, bleibt ungewiss. Ab dem 9. Juni soll der Kriminalpolizist, der den Anruf der Staatsanwältin annahm, erneut vernommen werden. Die Ergebnisse eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses stehen noch aus, zu hohe Erwartungen brauchen an solche Gremien kaum gestellt zu werden. Doch klar ist schon jetzt: Staatlicher Rassismus tötet nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland.