Altersarmut ist weiblich
Altersarmut betrifft immer größere Teile der deutschen Bevölkerung. Besonders betroffen davon sind Frauen: das fand eine neue Studie der OECD heraus. Nirgendwo sonst innerhalb der OECD bekommen Frauen so deutlich geringere Renten als Männer.
Frauen bekommen in Deutschland im Schnitt nur etwa halb so viel Rente wie Männer – damit liegt Deutschland nach einer Studie der OECD auf dem letzten Platz im Vergleich zu allen anderen OECD-Staaten. Zehn Prozent der Frauen leben in Altersarmut. Dabei liegt das Rentenniveau hierzulande auch insgesamt niedriger als im OECD-Mittel – Frauen erhalten also die Hälfte von einem insgesamt niedrigen Betrag. Betrachtet werden hier sowohl staatliche, als auch private und Betriebsrenten.
Die Ungerechtigkeit dieser Rentenlücke ist das Resultat vieler Formen der Diskriminierung und Unterdrückung, die Frauen im Laufe ihres Lebens erfahren. Sie ergibt sich daraus, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen, eher Teilzeit arbeiten (müssen) und für eine Zeit ihre Erwerbsarbeit aussetzen – wenn sie Kinder oder ihre alternden Eltern betreuen müssen, beispielsweise. Dadurch sammeln sie weniger Rentenansprüche an.
Einen Beitrag zu dieser Diskriminierung leistet sicher auch die Tatsache, dass private Renten in ihrer Bedeutung in den letzten Jahrzehnten zugenommen haben. Private Renten verschärfen die existierenden sozialen Ungleichheiten. Frauen, die im Schnitt aus besagten Gründen deutlich weniger verdienen, können so nicht nur weniger Ansprüche in der staatlichen Rente ansammeln, sondern auch weniger in private Systeme einzahlen. Und gerade die OECD, die jetzt diese Zahlen präsentiert, hat die Politik der Privatisierung der Rentensysteme vorangetrieben.
Am Ende eines Lebens voller Arbeit stehen Frauen also oft mit fast leeren Händen da, weil sie von den Regelungen des Arbeitsmarktes, der staatlichen Familienpolitik und der fehlenden sozialen Infrastruktur in die unbezahlte Hausarbeit und die Teilzeitarbeit gedrängt worden sind.
Besonders schwer wiegt dabei die Pflege von alten und kranken Angehörigen. Menschen, die diese Arbeit übernehmen, sind nicht abgesichert. Gerade in Zeiten, in denen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen kaputt gespart werden, geht es hier um eine gewaltige Belastung, die vor allem auf weiblichen Schultern lastet. Im Vergleich dazu werden Kindererziehungszeiten zwar angerechnet – wenn auch mit bis zu drei Jahren recht wenig im Vergleich dazu, wie lange Kinder zu erziehen sind.
Andere Zahlen der OECD zeigen passenderweise auch, dass sich die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit innerhalb von Partnerschaften in Deutschland besonders stark mit der Geburt von Kindern ändert – Frauen, die vorher 38 Minuten mehr unbezahlt im Haushalt gearbeitet haben als Männer, arbeiten nun 167 Minuten mehr. Sie reduzieren gleichzeitig ihre bezahlte Arbeit, von zehn Minuten weniger als Männer auf 185 Minuten weniger. Währenddessen erhöhen in Deutschland Männer sogar ihre Arbeitsstunden, sobald sie Vater werden. Die Verteilung der Arbeitszeiten in Deutschland für Paare ohne Kinder ist im OECD-Vergleich relativ egalitär, wird aber ungleicher als in vielen anderen Ländern, sobald Kinder da sind. In Deutschland ist die Familie also noch immer der Ort, an dem Kindererziehung und -versorgung stattzufinden hat. Dies wird staatlich organisiert und vom Kapital durch Regelungen der Arbeitsorganisation und direkte Diskriminierung durchgesetzt.
Dazu passt auch, dass das Armutsrisiko für Frauen bei einer Trennung in Deutschland nach OECD- Berechnungen relativ hoch ist. Fast 70 Prozent der Frauen, die sich trennen, erfahren eine großen Einbruch in ihrem verfügbaren Einkommen im Vergleich zu 29 Prozent bei den Männern. Ergänzen lässt sich das durch Zahlen vom WSI, die besagen, dass Single-Frauen eine Armutsgefährdungsquote von rund 33 Prozent haben. Das bedeutet, sie verdienen weniger als 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens der Gesamtbevölkerung. Menschen in Partnerschaft haben hingegen eine deutlich niedrigere Armutsgefährdungsquote von 13 Prozent – hier wird allerdings leider nicht beachtet, dass auch Menschen in Partnerschaften unterschiedlichen Zugang zum Einkommen haben. Für Frauen ist es also wichtig, in einer Partnerschaft zu sein, um wirtschaftlich abgesichert zu sein – auch wenn dies dann gleichzeitig ihre ökonomisch untergeordnete Stellung tendenziell zementiert, indem sie mehr unbezahlte Hausarbeit übernehmen und ihre Erwerbsarbeit häufig den Erfordernissen der männlichen Erwerbsarbeit untergeordnet wird.
Und damit kommen wir wieder am Anfang an, bei den niedrigen Renten von Frauen, die ein Ergebnis dieses ganzen Prozesses sind.