Alles wie immer oder Jugend für den Sozialismus?
Letzten Dienstag fand die Gründungsveranstaltung der „Jugend für den Sozialismus“ als Nachfolgeorganisation des BAK Revolutionäre Linke in der Linksjugend ['solid] statt. Anstatt vergangene Politik zu bilanzieren, gab es ein „Weiter so“ unter neuem Logo.
Am vergangenen Dienstag haben sich knapp 50 Aktivist:innen des Bundesarbeitskreises Revolutionäre Linke (BAK RL) in der Linksjugend [’solid] in einem Online-Meeting getroffen, um über die Gründung einer neuen Jugendorganisation zu entscheiden. In verschiedenen Inputs und Wortbeiträgen diskutierten Mitglieder des BAK RL, viele von ihnen ebenfalls Mitglied der Sozialistischen Organisation Solidarität (Sol), sowie interessierte [’solid]-Mitglieder und wir aus der Fraktion „Revolutionärer Bruch“ warum es eine Abkehr von [’solid] und einen Neuanfang braucht. Schaut man sich die Politik von [’solid] und Linkspartei und ihre von Anfang an feststehenden Orientierung auf Regierungsbeteiligung, Integration in den Staat und damit die Umlenkung des Klassenkampfes in ungefährliche Bahnen an, muss man sagen: höchste Zeit!
Leider war eine Bilanz auf strategischer Ebene nicht Kerninhalt der Debatte. In den Auftaktstatements zur Rahmung der Diskussion ging es hauptsächlich darum, dass der Zulauf zur Linksjugend abnehme. Man sehe deshalb langsam aber sicher keinen Vorteil mehr darin, sich mit den Antideutschen auf Bundesebene zu streiten, wenn selbst unorganisierte radikale Jugendliche die Linksjugend nicht mehr ansprechend finden. Für den Zeitpunkt der Gründung einer neuen Jugendorganisation stehen also weniger Bilanzen der Politik der [’solid] als ihre rückläufigen Mitgliederzahlen im Vordergrund. Hierfür steht auch die wiederholte Betonung, dass man die Politik des BAK Revolutionäre Linke als „Jugend für den Sozialismus“ fortsetzen wolle. Zudem mache man es nicht zur Vorraussetzung, aus [’solid] auszutreten, um bei der neuen Organisation Mitglied zu werden.
Viele negative Aspekte, die für die [’solid] benannt wurden, gelten aus unserer Sicht ebenfalls für die Linkspartei. Mehrere Redner:innen kritisierten, dass in der [’solid] viele Antideutsche aktiv sind, die das israelische Apartheidsregime glorifizieren und die Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfs ablehnen. Teilweise werden palästinasolidarische Landesverbände durch die Linksparteibürokratie sanktioniert. So wurden im Frühjahr 2022 der Berliner Parteijugend aus diesem Grund vom Vorstand der Partei Gelder gekürzt. Unter Regierungsbeteiligung der Linkspartei wurden in Berlin sogar sämtliche palästinasolidarischen Veranstaltungen zum Nakba-Tag 2022 polizeilich untersagt.
Außerdem wurde der militaristische Kurs der Linksjugend [’solid] angeklagt. Wir unterstützen die Kritik an der militaristischen Ausrichtung des Jugendverbands, beispielsweise das Lob der „feministischen“ Außenpolitik durch Sprecher:innen des Verbands. Die Linkspartei ist jedoch auch strategisch komplett an den deutschen Staat angepasst und fordert im Ukrainekrieg folgerichtig auch Sanktionen. Genauso fördert die Linkspartei den Aufbau der Polizei als Schlägertruppe des Kapitals, indem sie für „Arbeitnehmerrechte“ für Polizist:innen wirbt und bildet damit auch hier den linkesten Pol des deutschen Regimes.
Mehrere Redner:innen aus dem BAK RL betonten dennoch, dass ein Austritt aus der Linkspartei für sie in weiter Ferne liege. Die Genoss:innen des Revolutionären Bruchs hätten mit ihrem Austritt aus der Linkspartei voreilig gehandelt und verkannt, dass tausende Arbeiter:innen in der Linkspartei seien, die in der Zukunft für revolutionäre Politik potenziell erreichbar seien. Mit ihnen müsse man gemeinsame Erfahrungen machen, damit sie erkennen, dass der Weg des Reformismus nicht zum Ziel führen kann. Eine revolutionäre Partei hingegen könnte sich zu Teilen aus den fortschrittlichsten Flügeln der Linkspartei speisen. Für den Aufbau einer solchen revolutionären Partei sei die Zeit jedoch noch nicht reif. Als internationales Beispiel für das Verhältnis zum Reformismus wurde sich entsprechend dazu bekannt, dass man Mélenchon als geringeres Übel Le Pen vorziehe und deshalb dazu aufrufen müsse, diesen zu unterstützen. Erfolge wie die von Révolution Permanente, die es geschafft haben, sich unabhängig vom Reformismus aufzubauen und Erfolge im Klassenkampf vorzuweisen, spielten in dieser Betrachtung keine Rolle.
Wir denken ebenso, dass es sektiererisch wäre, die Basismitglieder der Partei DIE LINKE nach unserem Austritt komplett zu ignorieren. Es ergibt Sinn, mit den reformistischen Parteien in der Logik einer Einheitsfront zusammenzuarbeiten, um politische Erfahrungen mit den fortschrittlichsten Teilen ihrer Basis zu machen. Im Januar haben wir mit 150 jungen Menschen auf einer Konferenz über revolutionäre Perspektiven außerhalb der Linkspartei diskutiert. In der Abschlusserklärung der Konferenz schlagen wir beispielsweise Kampagnen gegen Krieg und Militarismus, gegen die Klimakrise, zu den Streiks im öffentlichen Dienst oder auch gegen die erneute Regierungsbeteiligung der Linkspartei in Berlin vor, bei der wir selbstverständlich mit oppositionellen Linkspartei-Mitgliedern zusammenarbeiten wollen. Jedoch denken wir, dass wir uns unglaubwürdig machen und auch den Arbeiter:innen und Jugendlichen zu wenig zutrauen, wenn wir alle Jahre wieder Wahlkampf für die Linkspartei machen, damit sie gewählt wird und alle ihre Versprechen verrät. Stattdessen wollen wir eine revolutionäre Jugend aufbauen, die unabhängig vom Reformismus und den Bürokratien in Gewerkschaften und NGOs gegen Staat und Kapital kämpft.
Auch wenn es große Differenzen zur Einschätzung der Linkspartei gibt, ist es wichtig, dass Revolutionär:innen im Rahmen von Aktionen und Kampagnen wie denen, die wir oben aufgezählt haben, zusammenarbeiten. Wir laden die „Jugend für den Sozialismus“ deshalb dazu ein, gemeinsam mit uns diese Kampagnen durchzuführen.