„Alle zusammen gegen die Querdenker:innen“? Warum die Volksfront mit der Regierung in die Sackgasse führt

19.01.2022, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Woche für Woche gehen aktuell tausende „Querdenker:innen“ auf die Straße. Der Gegenprotest ist wichtig, darf sich aber nicht an die Politik der Regierung und an bürgerliche Kräfte anbiedern, die den Rechten erst den Boden bereiten. Ein Gastbeitrag der AKL Bünde.

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Fotos von Jannis Große

In vielen Städten – ob klein oder groß – wird angesichts der wöchentlichen „Spaziergänge“ der Querdenken-Bewegung zunehmend eine besondere Dynamik spürbar: „alle zusammen gegen Rechts“ für die „Verteidigung der Demokratie“. In unserer Heimatstadt Bünde geben sich auf den Gegenprotesten von CDU über FDP und die katholische Kirche über Grüne und SPD bis hin zur Linkspartei alle Redner:innen die Klinke in die Hand und „stehen zusammen“, „ganz egal, welcher demokratischen Partei man sich zugehörig fühlt“.

Auch wir nehmen natürlich an den Demonstrationen gegen die Spaziergänge der Coronaleugner:innen teil, die von der #fckAFD angekündigt und mobilisiert wurden, denn wir sind immer dabei, wenn es gegen Nazis geht. Doch als Antikapitalist:innen möchten wir aufzeigen, dass wir einen anderen Anspruch an einen gesellschaftlichen Wandel haben. Denn die gemeinsame Front mit den ehemaligen und aktuellen Regierungsparteien, die durch ihre Politik erst zum Aufstieg der Rechten geführt haben, ist nicht nur politisch fragwürdig, sondern auch kraftlos, um die Rechten tatsächlich zu stoppen.

Bei den bürgerlichen Zusammenschlüssen gegen die Querdenker:innen scheint es in der äußeren Betrachtung eher um ein kollektiv inhärentes Wohlgefühl zu gehen und darum, Teil des antifaschistischen Prozesses „gegen Nazis“ zu sein. Aber ist dies überhaupt möglich im Rahmen eines Bündnisses mit der rechten CDU – in denen es Mitglieder wie Hans-Georg Maaßen gibt – oder der antisozialen neoliberalen FDP?

Klar ist: Die Nazis, die an der Spitze der Querdenken-Bewegung stehen, nutzen die Unsicherheit der Menschen aus, um ihr Gift zu proklamieren. Diese Unsicherheit entsteht durch den ökonomischen Wettbewerb, die Konkurrenz der Pharmakonzerne und durch eine desaströse Form der Vermeidung von Repräsentanz wissenschaftlicher Erkenntnisse über staatliche Kanäle. Erst wenn die Pharmaindustrie entschädigungslos enteignet und vergesellschaftet und das gesamte Gesundheitssystem in der Hand des Gemeinwohls – und nicht mehr in der Hand von gewinnorientierten Privatkonzernen ist –, wird auch die Unsicherheit und die Angst der Menschen minimiert werden können. Bürgerliche Parteien können keinen antifaschistischen Kampf führen, da sie selbst die kapitalistische Profitmaschinerie aufrechterhalten, die immer wieder den Nährboden für faschistische Phänomene schafft.

Betrachtet man die einzelnen Akteure dieser „Bündnisse gegen Rechts“, so wird schnell deutlich, dass eine Verbindung hier lediglich durch eine Reduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner „common sense“ passiert, obwohl die praktizierten politischen Haltungen und getätigten Entscheidungen auf vielen Ebenen diametral auseinander laufen. Plötzlich stehen Linke im Schulterschluss mit Parteien, deren Signum darin besteht, Abschiebungs- und Abschottungspolitik zu betreiben und synchron Fluchtursachen erzeugen. Diese wiederum ergehen sich im pharisäerhaften Selbstbild antifaschistisch zu agieren, wenn sie gegen Coronaleugner:innen demonstrieren. Parteien, die durch Privatisierung, Klinikschließung und Fallpauschalen das Gesundheitssystem zu Grunde richten. Sie stützen selbst ein System, das Menschen hierarchisch „klassifiziert“, bewertet und ausbeutet.

Wie kann es also sein, dass gerade eine CDU (wir erinnern uns an die vehemente Ablehnung der Aufnahme von Geflüchteten) und ebenso eine SPD (Ausbau von Polizei und Überwachung #cumex #g20) kritiklos Teilnehmende derartiger Aktionen sind? Wo sie doch sonst repressive und normierende Strukturen im ganzen Bundesgebiet stützen und diese tagtäglich selbst mit gestalten und reproduzieren? Oder die neoliberale FDP, die immer wieder im Namen der „Freiheit“ die Werbetrommel für eine Pandemiepolitik im Interesse der Konzerne rührt? Auch die Grünen, die vielen eher progressiv erscheinen mögen, sind nicht besser. Sie waren die erste Partei, die für imperialistische Kriege ausgehend von deutschem Boden gestimmt haben. Gemeinsam mit der SPD haben sie auch die Agenda 2010 durchgesetzt und Millionen Arbeiter:innen und auch Selbstständige in die Armut getrieben. Jetzt sorgt unter anderem ihr Landwirtschafts-Minister Özdemir für steigende Lebensmittelpreise. Mit der Begründung gegen den Klimawandel zu kämpfen, erhöhen sie die Überlebenskosten für alle Menschen in Deutschland, obwohl die Schuldigen für die Klimakatastrophe in den DAX-Vorständen, bei RWE, Vattenfall, usw. sitzen. Damit wird die soziale Spaltung unter den Arbeiter:innen erhöht und vom sozialen Abstieg bedrohte Kleinbürger:innen in die Hände der Rechten getrieben.

Diese Selbstständigen sind jetzt für die Öffnung der Wirtschaft um irgendwie zu überleben zu können und stellen damit eine soziale Basis der Querdenker:innen da. Diese können nicht mit einer Einheit mit den kapitalistischen Parteien bekämpft werden. Linke müssen in eine Opposition zu der Regierung gehen, um die Querdenker:innen effektiv zu bekämpfen und ihnen ihre soziale Basis zu entziehen.

Es sind Linke, die in vielen Aufrufen an die Demonstrant:innen, die bei den Querdenken-„Spaziergängen“ mitlaufen, fordern, dass sie selbstverantwortlich wahrnehmen, unter wen sie sich dort eigentlich mischen. Das ist richtig, doch auch die linke Seite muss sich bewusst machen, mit wem sie eigentlich eine „Front“ bildet. Verhindern lässt sich diese „Vereinheitlichung“ mit den bürgerlichen Regierungsparteien am einfachsten durch konsequente antikapitalistische Forderungen: Vergesellschaftung der Pharmakonzerne und Freigabe der Impfpatente.

Natürlich werden die Kapitalist:innen uns Systemkritiker:innen ächten, denn wir können nicht sanktionslos ihre sozialpartnerschaftliche Harmonie angreifen. Deshalb werden wir als „Spalter“ und „Sektierer“ gebrandmarkt. Aber dieser Vorwurf, der denjenigen gerechtfertigt erscheinen mag, die noch – ob fehlendem Bewusstsein – in der „Volksfront“ mit der Regierung partizipieren, lässt sich logisch einfach widerlegen. Denn wir leben in einer Klassengesellschaft – die Spaltung ist bereits immanent, sie verläuft zwischen den Klassen und lässt sich nur durch die Überwindung des Kapitalismus tatsächlich aufheben.

Deshalb ist es notwendig, dass die Arbeiter:innenklasse sich – ausgehend von ihren eigenen Organisationen, den Gewerkschaften – ein Programm gibt, welches die Ausgebeuteten und Unterdrückten vereinigt: in einer Einheitsfront gegen das Kapital und die Regierung, anstatt einer Volksfront mit ihnen.

Ein Kampf gegen den Aufstieg des Faschismus ist folglich ein Kampf für den Aufbau einer solchen Einheitsfront mit dem unmittelbaren Ziel, eine von der Regierung und den Interessen der Bosse unabhängige Antwort auf die Pandemie zu geben – in der Perspektive einer sozialistischen Umwälzung der Gesellschaft und nicht der Verteidigung der bürgerlichen Demokratie und ihrer systemimmanenten faschistischen Strukturen.

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