„Alle Demokrat*innen“ gemeinsam gegen die AfD?
Der Wahlsieg der Rechtspopulist*innen bei den Landtagswahlen am 13. März war ein großer Schock. Manche Stimmen – auch von links – sagen jetzt, dass "alle Demokrat*innen" gegen die AfD zusammenhalten müssen. Das klingt einfach – ist aber eine ganz schlechte Idee.
„Wählen ist wie Zähneputzen“, steht auf dem bunten Flyer. „Dauert nur drei Minuten, und wenn man es nicht macht, wird’s braun.“ Ein banaler Aufruf, dass man bei den hessischen Kommunalwahlen am 6. März wählen gehen sollte. Eigentlich nicht der Rede wert – bis auf die Unterschriften. Denn zu einer „demokratischen Wettertau“ rufen nicht nur Die Linke und die Piraten, und auch nicht nur Die Grünen und die SPD, sondern auch die FDP und die CDU auf.
Diese gemeinsame Initiative mit der Merkel-Partei wird nicht nur von der Linkspartei-Spitze mitgetragen, sondern auch von Gruppen mit revolutionärem Anspruch innerhalb dieser Partei unterstützt. Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz, die dem Netzwerk Marx21 angehört, verteilte stolz ähnliche Flyer (allerdings nur mit SPD und Jusos). Der Blog „Die Freiheitsliebe“ begrüßte die Aktion.
War die Flyeraktion erfolgreich? Bei den hessischen Kommunalwahlen am 4. März lag die Wahlbeteiligung unter 50%, dabei bekam die AfD fast 12%. Bei den drei Landtagswahlen eine Woche später war die Wahlbeteiligung jedoch überall hoch. Das hat der AfD aber nicht geschadet – im Gegenteil konnten die Rechtspopulist*innen besonders viele Stimmen aus dem Lager der Nichtwähler*innen gewinnen.
Eine Protestpartei?
Die AfD inszeniert sich gern als eine Protestpartei, als die „einzige echte Alternative“ zum „Kartell der Altparteien“. Und wie gewünscht erscheint dieses „Kartell“ in Form eines gemeinsamen Flyers!
„Wir sind die einzige Opposition“, behaupten die AfDler*innen immer wieder. Und alle Parteien, einschließlich der Linkspartei, antworten: „Genau! Wir ziehen an einem Strang und sind alle gegen die AfD!“ Und die AfD antwortet erfreut: „Genau! Nur wir sind dagegen.“ Besser hätte sich das keine rechte Werbefirma ausdenken können.
Aber sollten nicht „alle Demokrat*innen“ gegen die faschistische Gefahr zusammenhalten? Die Frage ist, was „Demokratie“ ist. In den Worten des russischen Revolutionärs Leo Trotzki ist es „nur die Herrschaft der großen Bosse.“ Bürgerliche Demokratie garantiert, dass eine kleine Minderheit den gesamten Reichtum der Gesellschaft kontrolliert. Und das ruft, wie die Geschichte des Kapitalismus bewiesen hat, Krisen und Kriege hervor. Die weltweite kapitalistische Krise, die seit acht Jahren anhält, erschüttert auch die Parteienlandschaft – auf der ganzen Welt, aber nun auch in Deutschland.
Die „Demokrat*innen“, die den Kapitalismus verwalten, sind deswegen selbst in der Krise. Sie greifen demokratische Rechte an. Sie führen Kriegseinsätze im Ausland, auch wenn große Mehrheiten in der Bevölkerung dagegen sind. Sie schieben Menschen ab, auch wenn ihr eigenes Grundgesetz das verbietet. Vor allem: Mit Prekarisierung sichern sie die Profite der Minderheit auf Kosten der Mehrheit. Wie „demokratisch“. Es ist diese „Demokratie“ im Dienste des Kapitals, die die AfD und vergleichbare rechte Phänomen erst hervorbringt.
Wir verteidigen demokratische Rechte – aber wir verteidigen diese gegen die selbsternannten „Demokrat*innen“. Diese demokratischen Rechte bieten uns einen gewissen Raum, um uns gegen die Herrschaft der Bourgeoisie zu organisieren – mehr nicht.
Eine linke Alternative?
Die AfD steht für eine besonders aggressive Form der bürgerlichen Herrschaft – mit noch mehr rassistischen Gesetzen und neoliberalen Angriffen wollen sie die Macht der Bourgeoisie weiter stärken. Aber paradoxerweise kann sie sich als Alternative „für den kleinen Mann“ (aber nicht „für die kleine Frau“) präsentieren.
Dieses Paradox liegt nicht zuletzt an der Linkspartei. Diese Partei spricht in ihrem Programm von „Sozialismus“ – also einer wirklichen Alternative zum kapitalistischen Elend. Aber in der Praxis wollen sie, genauso wie andere Parteien, um jeden Preis an die Regierung. Von dort aus tragen sie Abschiebung und Privatisierung selbst mit.
Manche in der Linkspartei wie Gregor Gysi gehen noch einen Schritt weiter: Die Linkspartei sollte auch mit der CDU koalieren, sagt er, um die AfD zu verhindern. (Das ist der Gedanke des Flyers, nur konsequent zu Ende geführt.) Doch je mehr eine Formation, die sich „Die Linke“ nennt, in die Verwaltung des Kapitalismus eingebunden wird, desto mehr erscheint die „AfD“ als Alternative.
Um die AfD zu entlarven und zu bekämpfen, bedarf es tatsächlich einer linken Alternative. Aber das kann nicht eine Partei sein, die als Teil eines rot-rot-grünen Bündnisses die gleiche Politik durchführt wie alle anderen Parteien. Das muss eine Front sein, die auf den Straßen, in den Betrieben, an den Schulen und Unis kämpft: für gute Arbeit, für Wohnraum, gegen Prekarisierung, gegen imperialistische Kriege.
Eine Front der „Demokrat*innen“ dagegen ist wie ein Geschenk an die Rechtspopulist*innen. Vor diesem Hintergrund müssen wir auch das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus“ kritisch betrachten. Geht es um konkrete Aktionen gegen Rassismus (der sowohl von Rechtspopulist*innen als auch vom deutschen Staat ausgeht)? Oder geht es um reine Symbolpolitik von „Demokrat*innen“, die im Dienste der Bourgeoisie arbeiten?