Festung Europa: EU und Meloni bauen Internierungslager in Albanien
Auf Betreiben der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat die EU erstmals ein Internierungslager für Geflüchtete in einem Drittstaat errichtet. Damit setzt sie grundlegende Menschenrechte außer Kraft.
Die Anlage im albanischen Shengjin gleicht einem Hochsicherheitstrakt: Eng zusammengestellte Container, umgeben von sechs Meter hohen Zäunen. Diese Woche wurden die ersten 16 Menschen dort eingesperrt, Geflüchtete aus Ägypten und Bangladesch, die auf dem Mittelmeer aufgegriffen wurden. Verlassen dürfen sie das Lager nicht. Statt ihnen ein individuelles Asylverfahren in Europa zu ermöglichen, werden sie hier voraussichtlich im Schnellverfahren abgelehnt, um dann direkt abgeschoben zu werden. Bis zu 3.000 Geflüchtete sollen in diesem Zentrum interniert werden.
Das Grundrecht, einen Asylantrag in der EU zu stellen, wird in dem hoch militarisierten Lager de facto außer Kraft gesetzt. Errichtet wurde das Lager auf Initiative der extrem rechten Giorgia Meloni, die darin den „europäischen Geist perfekt widergespiegelt“ sieht. Vom humanitären Anspruch der EU, die sich mit der Wahrung der Menschenwürde im Gegensatz zu autoritären Regimes rühmte, ist nicht viel übrig geblieben. Es geht ihr nur noch darum, wirtschaftlich verwertbare Fachkräfte anzuwerben; wer für das Arbeitsregime nicht als „nützlich“ erachtet wird, wird abgeschoben. Es handelt sich um einen aggressiveren Imperialismus, der durch Waffenlieferungen und wirtschaftliche Ausbeutung Flucht verursacht, um die Geflüchteten dann an den Grenzen abzustoßen.
Damit schließt Italien an die jahrelange Verschärfung der EU an, die zum Beispiel mit Moria ein entsetzliches Symbol fand. Dennoch stellen die neuen Lager einen erneuten Sprung nach der GEAS-Initiative dar. Die extrem rechte Abschottungspolitik einer Meloni ist nun zur EU-Normalität geworden. Sie selbst beschreibt das Lager in Albanien als „Praxistest“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigt sich begeistert:
„Wir sollten auch weiterhin nach Möglichkeiten suchen, was die Idee der Entwicklung von Rückführungszentren außerhalb der EU betrifft. Mit der Inbetriebnahme des Italien-Albanien-Protokolls werden wir auch in der Lage sein, Lehren aus diesen Erfahrungen in der Praxis zu ziehen.“
Das Beispiel Albanien wird von den anderen EU-Staaten gespannt beobachtet, auf dem EU-Gipfeltreffen diese Woche äußerten sich mitunter Litauen, Österreich und die Niederlande positiv zu den exterritorialen Internierungslagers Italiens. Ähnliche Projekte etwa auf dem afrikanischen Kontinent könnten folgen. Die EU scheut immer weniger Blöße und integriert Kolonialmethoden in ihre Politik in der unmittelbaren Nachbarschaft. Zuletzt hatte auch Polens Präsident Donald Tusk angekündigt, das Asylrecht vorerst auszusetzen. Er begründet dies damit, dass Russlands Verbündeter Belarus angeblich Geflüchtete als Druckmittel zur „hybriden Kriegsführung“ gegen den Westen über die Grenze bringen würde – ein extrem rechter Diskurs, der von der Berichterstattung etwa der Tagesschau unkritisch übernommen wird.
Exterritoriale Internierungslager beschränken nicht nur das Menschenrecht auf Asyl, sondern sind auch ein direkter Angriff auf das Recht auf Leben, zumal schon die Architektur der Lager zeigt, dass sie offenbar Bestrafungscharakter haben sollen. Wie im exterritorialen Lager in Guantanamo Bay, das im Zuge des „Kriegs gegen den Terror“ von den USA in einer Militärexklave auf Kuba eingerichtet wurde, droht in solchen Lagern außerhalb des Staatsgebiet Folter und menschenunwürdige Behandlung.
Ein Sprung in der Militarisierung
Das Recht auf Asyl wird damit zunehmend reduziert auf machtpolitische Interessen, sei es in der Kriegsführung um die Ukraine, als koloniales Projekt in Albanien oder möglicherweise demnächst auch in Nordafrika. Das Humanitäre unterliegt einer völligen Militarisierung. Auch in Deutschland drohen die Abschaffung des grundgesetzlichen Asylrechts, das de facto kaum noch zur Anwendung kommt, sowie das Ende der Flüchtlingskonvention.
Der Zusammenhang zwischen Militarisierung und Abschaffung von Menschenrechten zeigt, dass ein effektiver Humanitarismus heute nur noch ein sozialistischer, antiimperialistischer Humanitarismus sein kann. Denn das Humanitäre wird mit den umfassender werdenden Kriegen immer mehr dem Politischen untergeordnet, und die humanitären Spielräume, auf die viele NGOs jahrelang vergebens mit Lobbying statt Mobilisierung gesetzt haben, verschwinden.
Die Internierung und Isolation von Geflüchteten zur Abschreckung und Bestrafung kann nicht unbeantwortet bleiben. Wir brauchen daher Mobilisierungen gegen Lager und für offene Grenzen, verbunden mit den Forderungen nach einem Ende der Waffenlieferungen an Israel und dem Stopp deutscher Auslandseinsätze.
Unsere Gewerkschaften sind die wichtigsten Instrumente für das Erkämpfen eines sozialistischen Humanitarismus, die wir als Arbeiter:innen und Jugendliche von den pro-imperialistischen Bürokratien zurückerobern müssen. Nur mit Streiks und Blockaden können Kriege und kann das brutale Abschiebe- und Internierungssystem gestoppt, blockiert und abgeschafft werden. Deshalb fordern wir alle Jugendlichen und Arbeiter:innen dazu auf, in ihren Betrieben, Gewerkschaften, Schulen und Universitäten Versammlungen zu bilden, um gegen die Abwicklung der Menschenrechte in Europa unter dem Diktat von Wirtschaft und Kriegspolitik zu kämpfen.
Mehr zu diesem Thema im Podcast „Roter Faden“.