Aktionskomitees für den Generalstreik: Die kämpfenden Massen in Frankreich brauchen eine Organisation!
Der historische Streik- und Aktionstag des 23. März hat den vorrevolutionären Moment in Frankreich bestätigt.
Nach der Verabschiedung der Rentenreform durch den Verfassungsartikel 49.3 am Parlament vorbei hat die Entschlossenheit des aktivsten Teils der Arbeiter:innenklasse – des Teils, der im Kampf ist und die Zukunft des Landes in seinen Händen hält –, einen Sprung gemacht. Der kraftvolle und massive Streik- und Aktionstag am Donnerstag, den 23. März, bestätigt und verstärkt den vorrevolutionären Moment, der nach dem antidemokratischen Putsch der Regierung Macron/Borne eröffnet wurde.
Die Intersyndicale (Koordination der Führungen der Gewerkschaftsdachverbände) ist noch nicht überwunden, aber sie ist heute mit einer anderen Art von Bewegung konfrontiert als noch bei den ersten acht Aktionstagen. Es handelt sich um eine Massenbewegung, die sie nur schwer kontrollieren und kanalisieren kann. Der Kampf der Massen setzt sich aus drei Elementen zusammen:
a) Die Verbindung zwischen Radikalisierung und Massivität und die Entwicklung der Spontaneität
Bei allen Mobilisierungen war eine neue Entschlossenheit festzustellen, eine „Gelbwesten-Atmosphäre“, wie sie in Matignon [dem Amtssitz des französischen Premierministers, A.d.Ü.] beschrieben wird. Wütende Arbeiter:innen beginnen, sich in ihren Aktionen von den ruhigen und friedlichen, von der Intersyndicale organisierten Demonstrationen abzugrenzen. Unser Korrespondent Arthur Nicola konnte diesen Stimmungswandel in der Arbeiter:innenstadt Le Havre unter den Demonstrant:innen bezeugen:
Während vor Beginn der Demonstration Müll in Brand gesteckt wurde, teilte sich die Demonstration schnell in zwei Teile: auf der einen Seite der örtliche gewerkschaftsübergreifende Zug und auf der anderen Seite ein Demonstrationszug, der vor allem aus Streikenden der lokalen Gewerkschaft Harfleur (UL) und anderen Sektoren der Stadt bestand. Frédéric Bichot, Co-Sekretär der UL, erklärte vor unserem Mikrofon: „Wenn wir heute einer geordneten Route folgen, stören wir niemanden. Aber wir sehen, dass sie nicht mehr der Realität des Kampfes entspricht, heute beginnen wir einen härteren Kampf“.
Wie ein anderer Demonstrant aus Le Havre sagt: „Es ist ein gutes Gefühl, wirklich zu demonstrieren“.
b) Der Auftritt der Jugend
Die Jugendlichen an Universitäten und Gymnasien, die bisher nicht in der Lage waren, sich intensiv in den Kampf einzubringen, begannen nach der Anwendung des Verfassungsartikels 49.3 massiv in den Kampf einzutreten, empört über die antidemokratische Brutalität des Präsidenten. Dies zeigte sich bei den nächtlichen Demonstrationen in Paris, aber auch in Straßburg, Rennes oder Nantes, um nur einige Städte zu nennen. Dies war auch in den vorangegangenen Tagen bei den zahlreichen Vollversammlungen in mehreren Universitäten wie Le Mirail in Toulouse, Paris 1, Montaigne in Bordeaux oder der Paul Valery in Montpellier zu beobachten. Am Donnerstag, den 23. März, demonstrierten nach Angaben von Universitäts- und Hochschulorganisationen 500.000 junge Menschen, davon 150.000 in Paris. An den Demonstrationen beteiligten sich auch Universitäten, die es bisher nicht gewohnt waren, zu mobilisieren, wie die Assas de Paris, mehrere Ingenieurschulen wie die Agro Paris Tech und die INSA Toulouse sowie neue Gymnasien.
Mehrere Faktoren sind für diesen Sprung verantwortlich. Die Studierenden waren von den Ausgangssperren während der Pandemie und der von der Regierung verordneten langen Schließung von Fakultäten schwer betroffen. Hinzu kommen die nicht eingehaltenen Versprechen bezüglich der Reform der Stipendienvergabe, die einem großen Teil der Studierenden in Schwierigkeiten aufgrund fehlender Mittel nicht zugute kommt. Ebenso die Weigerung des Parlaments, das Mittagessen an den Universitäten bei einem Euro zu belassen, was angesichts der zunehmenden Prekarität und Armut der Studierenden ein großes Problem darstellt. Unter den noch Jüngeren sorgt die mögliche Reform der Nationalen Dienstpflicht (SNU, eine Art Wehr- oder Zivildienst, A.d.Ü.) für die Schüler:innen, die bei der Demonstration in Paris sehr präsent waren, für großer Besorgnis. In diesem Zusammenhang war die Entscheidung Macrons, sich nach Massendemonstrationen mit Gewalt durchzusetzen, ein echter Schlag ins Gesicht. Wie ein von Le Monde zitierter Student aus Paris 1 sagt: „Wenn die Regierung dazu gezwungen ist und die demokratische Meinungsäußerung des französischen Volkes auf der Straße nicht respektiert, welche politische Zukunft erwartet uns junge Menschen dann?“
c) Gleichzeitige Streiks in mehreren strategischen Sektoren
Seit dem 7. März kommt es in mehreren strategischen Sektoren zu verlängerbaren Streiks („grèves réconductibles“, d.h. Streiks, bei denen regelmäßig in Vollversammlungen über die Fortführung des Streiks abgestimmt wird, A.d.Ü.). Dies gilt für die Energie- und Gasarbeiter:innen, die Arbeiter:innen in den Ölraffinerien und Ölterminals, die Rohöl in den Häfen aufnehmen und lagern, ebenso der Streik der Hafenarbeiter:innen, der Eisenbahner:innen (wenn auch in geringerem Umfang als in den anderen Sektoren) und dem Streik der Müllabfuhr. Dieser Streik ist zum Hauptsymbol des Kampfes geworden, da sich der Müll seit Wochen in den Straßen von Paris stapelt (was wiederum das Verbrennen von Mülltonnen und die zahlreichen Brände bei den Protesten begünstigt hat) und die Müllwerker:innen und Kanalreiniger:innen zu den wahren Helden dieses sozialen Konflikts geworden sind. Aber wir müssen auch die Müllwerker:innen mehrerer anderer Städte hinzufügen, die sich ebenfalls im Kampf befinden oder befunden haben, wie in Nantes, Saint-Brieuc oder sogar Antibes und Poitiers.
Wie wir bereits geschrieben haben, haben diese Streiks nach dem antidemokratischen 49.3-Dekret mit der totalen Stilllegung der Total-Raffinerie in der Normandie, der größten in Frankreich, und dem wilden Streik in der Zugwerkstatt von Chatillon, der den Betrieb der Hochgeschwindigkeitszüge (TGV) auf dem gesamten westlichen Teil Frankreichs beeinträchtigt, einen Sprung gemacht. Obwohl mehrere dieser strategischen Sektoren die üblichen Avantgardesektoren anderer großer Protestbewegungen sind, ist dies das erste Mal, dass ihre Streiks fast gleichzeitig stattfinden, was die Wirkung der Bewegung verstärkt, Das ist anders als 2019, als diese Streiks nicht koordiniert waren, oder 2016 oder 2010. Damals wurden nur ein oder zwei dieser Sektoren wirklich mobilisiert.
In Verbindung mit der politischen Krise, die nach dem 49.3-Dekret ausgebrochen ist und die wir bereits letzte Woche beschrieben haben, erklärt das Zusammentreffen dieser drei Elemente, die vereint gegen Macron auf die Straße gehen, die aktuelle Stärke und Dynamik der Bewegung. Auch wenn das Ausmaß der Gewalt nicht das Niveau der Gelbwesten erreicht, ist vielleicht noch nie seit 1968 eine soziale Bewegung in ihrer Konfrontation mit der Macht so weit gegangen.
Warum eine stärkere Organisierung der kämpfenden Sektoren notwendig ist, um den Kampf zu gewinnen
Die Stärke und Dynamik des gegenwärtigen Kampfes gibt der Avantgarde der Bewegung Moral und Kraft. Sie glaubt, dass es möglich ist, dass Macron nachgibt und seine Reform zurückzieht, wie es 2006 bei Jacques Chirac der Fall war. Damals musste der damalige französische Präsident sein „Gesetz über den ersten Arbeitsvertrag“ zurückziehen, obwohl es damals nicht nur schon angenommen, sondern Chirac bereits verkündet worden war. Im Gegensatz zu 2006 ist die Situation heute jedoch völlig anders. Die starke Mobilisierung, die damals von der Jugend angeführt wurde, war, obwohl sie in ihren Kampfmethoden sehr radikalisiert war, eher anti-neoliberal als antikapitalistisch geprägt. Währenddessen war das Regime der Fünften Republik stärker als das heute, obwohl es gerade die ersten Schocks der organischen Krise erlitten hatte. Dazu gehörte der Einzug von Jean-Marie Le Pen in die Stichwahl im Jahr 2002 und vor allem der Sieg des NEIN in der Volksabstimmung über den europäischen Verfassungsvertrag im Jahr 2005 oder die Revolte der Banlieues im selben Jahr. Und schließlich funktionierte die traditionelle Zweiparteien-Abwechslung zwischen rechten und sozialdemokratischen Parteien an der Regierung noch. So konnte ein Sieg der sozialen Bewegung noch in einen institutionellen Rahmen aufgefangen werden, wie es bei den vorgezogenen Wahlen unter Chirac und dem Wahlsieg der „pluralen Linken“ unter Führung der sozialdemokratischen PS der Fall war.
Heute kann Macron nicht nachgeben. Wenn er angesichts der Schwäche seiner Präsidentschaft und der schweren Krise des Regimes der Fünften Republik und seiner zunehmenden Polarisierung nach links und rechts nachgibt – wie von den Gewerkschaften bis hin zu La France Insoumise gefordert –, würde sich eine vorrevolutionäre Situation auftun. Bei den Gelbwestenprotesten war die herrschende Klasse überrascht von einer spontanen und explosiven Mobilisierung, die jedoch das Lohnverhältnis nicht in Frage stellte. In ihren Reichenvierteln und an den Orten der Macht ging aufgrund des Ausmaßes der Gewalt die Angst um. So übten die Großkapitalist:innen Druck auf Macron aus, teilweise nachzugeben – während dieser Rückzug der Macht aufgrund der Politik der Gewerkschaftsführungen, die gegenüber den Gelbwesten eine feindselige Haltung einnahmen, nicht sofort von der Arbeiter:innenbewegung ausgenutzt werden würde.
Die gegenwärtige Situation ist explosiver, sowohl wegen der Krise von oben, als auch wegen der Kraft und des objektiv – und auf der Ebene einer breiten Avantgarde auch zunehmend subjektiv – antikapitalistischen Charakters der Mobilisierung von unten. So kann selbst ein teilweiser Rückzug Macrons die Entwicklung der revolutionären Mobilisierung der Massenbewegung nur fördern. Gleichzeitig ist selbst ein Teilkompromiss wie der von der Intersyndicale angestrebte – die am Freitag durch Laurent Berger zu einer Pausierung der Rentenreform aufrief und so die Forderung nach Rücknahme der Reform aufgab – aufgrund der nach 2008 verstärkten neoliberalen Unnachgiebigkeit inakzeptabel.
Diese Unnachgiebigkeit der Bosse wird durch die Aussicht auf neue Finanzkrisen – wie der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank in den Vereinigten Staaten gezeigt hat – und den Anstieg der Staatsverschuldung aufgrund steigender Zinssätze verstärkt. Die französische Bourgeoisie wird versuchen, diese Krisen dem Proletariat aufzubürden, wie die aktuelle Reform zeigt und wie es von den bonapartistischsten Teilen des Regimes gefordert wird. Unter diesen nationalen und internationalen Bedingungen würde die Zustimmung zu einem Teilrückzug einen beunruhigenden Präzedenzfall für das Regime darstellen.
All dies unterstreicht, dass die erfolgreiche Rücknahme der Reform heute unausweichlich mit einer Niederschlagung Macrons einhergehen muss. Dieser Kampf gegen die zentrale Figur der Fünften Republik, in der sich die reaktionärsten Elemente versammeln, impliziert ein viel höheres Niveau des Kampfes als bisher, einen Sprung in der Verallgemeinerung des Streiks auf die Gesamtheit der Arbeiter:innen – mit anderen Worten, die Konkretisierung des politischen Generalstreiks. Das Verdienst des Aufstands der Gelbwesten ist es, diese Frage hinter dem Slogan „Macron, tritt zurück“ und durch die Ausrichtung ihrer Demonstrationen gegen den Elysée-Palast aufgeworfen zu haben. Aber aufgrund der Abwesenheit der zentralen Sektoren der Arbeiter:innenbewegung war die Gelbwestenbewegung nicht in der Lage, sie zu lösen. Die tiefgreifenden und ausgedehnten Kräfte der gegenwärtigen Bewegung – nicht nur in den verschiedenen Schichten des Proletariats, sondern jetzt auch in der Jugend – beginnen, die Kraft zu schaffen, um die Frage zu lösen. Die Voraussetzung dafür ist ein Sprung in der Organisation der Massen im Kampf. Diese Schwäche bleibt die Achillesferse der gegenwärtigen Bewegung.
Ein dringend zu lösendes Problem: die Organisation der Sektoren im Kampf
Die Aktionskomitees für den Generalstreik sind ein mächtiges Instrument zur Organisierung der kämpfenden Massen. Ihre Aufgabe ist es, den Verteidigungskampf der arbeitenden Massen zu vereinheitlichen und gleichzeitig den Massen das Bewusstsein ihrer eigenen Stärke zu vermitteln, um gegen Macron und den kapitalistischen Staat in die Offensive zu gehen. Unmittelbar bedeutet dies, die folgenden Aufgaben der Bewegung zu organisieren:
a) Aufrechterhaltung der Streikposten
Die Tatsache, dass der Streik noch nicht verallgemeinert wurde, macht es zu einer Aufgabe ersten Ranges, die Fortschritte der Bewegung in Richtung Generalstreik aufrechtzuerhalten. Dieses Element ist nicht nur wichtig für das Kräfteverhältnis und die Möglichkeit, die Wirtschaft lahmzulegen, sondern auch für die Stärkung der Moral der Bewegung als Ganzes. Wie eine Aktivistin und Lehrerin aus Montpellier sagt: „Die Tatsache, dass es Sektoren gibt, die mit Blockaden streiken, motiviert uns, wir glauben daran“. Genau aus diesen verschiedenen Gründen hat die Regierung die Zwangsverpflichtung der Arbeiter:innen der Raffinerien beschleunigt. Am Tag nach dem Aktionstag am Donnerstag war es ihr gelungen, die größte Müllverbrennungsanage Europas in Ivry und zentrale Bastion des Streiks der Müllarbeiter:innen zu räumen. [A.d.Ü.: Am Dienstag nahmen die Streikenden die Blockade der Müllverbrennungsanlage in Ivry wieder auf.]
Über soziale Netzwerke, Beziehungen über die Gewerkschaften und zwischen Aktivist:innen in den Hochburgen des Kampfes wie Le Havre, Fos sur Mer in Marseille oder Saint Nazaire in der Nähe von Nantes setzen Hunderte von Arbeiter:innen, Gewerkschafter:innen, Studierenden und Solidaritätsaktivist:innen ihren Körper den Drohungen der Ordnungskräfte aus – mit gemischten Ergebnissen. Aber es mangelt nicht an Kräften, um diese Provokationen zu stoppen: Statt Hunderten sollten wir Tausende sein und die Ordnungskräfte zum Rückzug zwingen.
Nehmen wir das Beispiel von Le Havre. Am 23. März mobilisierten 50.000 Menschen in den Straßen von Le Havre zu einer äußerst militanten Demonstration, wie oben beschrieben. Wenn die CGT der Raffinerie, des Hafens oder der lokalen Gewerkschaften zur Wahl von Vertreter:innen für ein städtisches Aktionskomitee für den Generalstreik nach Fabriken, Büros, Betrieben oder Werkstätten aufrufen würde, gäbe es sicherlich Tausende von Kämpfer:innen, die den ganzen Tag über Streikposten aufstellen würden, d.h. streng disziplinierte Kampfabteilungen von Arbeiter:innen und Studierenden, um einen Streikabbruch zu verhindern.
b) Verallgemeinerung des Streiks auf die gesamte Klasse
Wir haben die Stärke und die strategischen Positionen aufgezeigt, die im Moment im unbefristeten Streik sind. Sie sind zwar beträchtlich und größer als in jeder anderen sozialen Bewegung der letzten Jahrzehnte. Aber um den Streik zu verallgemeinern und zu gewinnen, ist es notwendig, andere strategische Sektoren einzubeziehen, die im Moment am Rande geblieben sind. Das gilt vor allem für die derzeitige proletarische Masse, die aus Millionen von prekär oder niedrig bezahlten Arbeiter:innen besteht. Viele dieser Sektoren demonstrieren an den Aktionstagen, zu denen die Intersyndicale aufgerufen hat, oder unterstützen die Bewegung und rufen zu ihrer Stärkung auf, wie die Umfragen seit dem 7. März zeigen.
In Ermangelung eines verlängerbaren Streiks in diesen Sektoren besteht die Politik der Gewerkschaftsführungen der Intersyndicale jedoch darin, das Repertoire an Aktionen auf Demonstrationen zu beschränken, die angesichts der Gewalt der Bourgeoisie und ihres krisengeschüttelten Staates immer ohnmächtiger sind. Sie erklären, dass diese Arbeiter:innen nicht zu viele Streiktage ertragen und ihre niedrigen Löhne opfern könnten. Doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Die Arbeiter:innen sind bereit, große Opfer zu bringen, wenn sie ein Programm und Perspektiven sehen, die es ihnen ermöglichen, ihre miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen qualitativ zu verändern. Das zeigt einer der Held:innen dieser sozialen Bewegung, ein Müllarbeiter aus Ivry, der an seinem achten Streiktag erklärte: „Ich verdiene 2.000 Euro netto, wenn ich nachts arbeite, und damit komme ich nicht einmal über die Runden. Am Ende des Monats und in den folgenden Monaten werde ich weinen. Wir haben keine Streikkasse eingerichtet, um die Bewegung nicht zu beflecken. Wir streiken aus Überzeugung.“
Es ist diese Überzeugung und eiserne Entschlossenheit, die die Intersyndicale der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung, die die Reform mit überwältigender Mehrheit ablehnt, nicht vermitteln kann. Indem sie sich weigert, den Kampf zu politisieren und den Forderungskatalog um alle Herzensforderungen der am meisten ausgebeuteten Sektoren unserer Klasse zu erweitern – wie niedrige Löhne, Inflation und die gleitende Skala der Löhne, Arbeitsbedingungen und eine Vielzahl von Forderungen, die heute im Land diskutiert werden – boykottiert die Intersyndicale bewusst den Eintritt der explosivsten Sektoren unserer Klasse in die Bewegung. Dies würde eine revolutionäre Dynamik des Kampfes bekräftigen, die die Intersyndicale mit allen Mitteln vermeiden will, da sie befürchtet, von den kämpfenden Massen überholt zu werden. Aber diese tiefen Sektoren des Proletariats werden nicht mit voller Kraft in den Kampf eintreten, wenn ihnen niemand eine Siegesperspektive gibt, sie mit einem offensiven Programm und einer eisernen Entschlossenheit aufruft, es zu erreichen. Die Aktionskomitees, an der Seite der kämpferischen Gewerkschaften oder der branchenübergreifenden Koordinierungsversammlungen, wenn es sie wirklich gibt – auch wenn sie sich im Vergleich zu 2010 schwächer entwickelt haben –, die die wichtigsten kämpfenden Sektoren vereinen, hätten die Autorität, diesen Aufruf zu machen.
c) Den Kampf selbst in die Hand nehmen
In der ersten Phase dieser Bewegung haben die Gewerkschaftsführungen der Intersyndicale den Arbeiter:innen die Entscheidungsgewalt entzogen: die Versammlungen in den Betrieben. Durch die Festlegung einer einzigen begrenzten Forderung und eines Zeitplans für Aktionen, die von oben beschlossen wurden, hat die Intersyndicale die Initiative der Massenbewegung passiviert. Nach der Durchsetzung der Rentenreform per Dekret ist die Spontaneität der Massen im Kampf erwacht. Es ist an der Zeit, dass der Kampf von seinen wirklichen Protagonist:innen angeführt wird. Die Aktionskomitees sind das einzige Mittel, um der Bürokratie die Kontrolle über die Bewegung zu entreißen, ihren Widerstand zu brechen, den Kampf auf ein politisches Terrain zu heben, das die Massen in ihrem Kampf gegen den kapitalistischen Staat und das reaktionäre Regime der Fünften Republik entwaffnet. Sie können so auch die Moral und den Heroismus der Kämpfer:innen stärken, indem sie aus ihrem Bewusstsein die Fügsamkeit und Passivität entfernen, die ihnen von den Gewerkschaftsbossen, insbesondere dem kriecherischsten von ihnen, Laurent Berger, eingeimpft wurde.
Alle drei Elemente zusammen machen die Aktionskomitees des Generalstreiks zu einem unverzichtbaren Instrument für den Sieg. Oder anders ausgedrückt, die Bedingung für den Sieg des Proletariats ist die Überwindung der gegenwärtigen Führung. Die Einheit der Intersyndicale, die nicht nur zu Beginn der Bewegung, sondern auch heute noch selbst von vielen Basisgewerkschafter:innen als Schlüssel zum Sieg dargestellt wird, ist eine Torheit, ein Verbrechen angesichts der immer deutlicher werdenden Sackgasse der Strategie der Führungen der Gewerkschaftsdachverbände. Gegen diesen Weg der Niederlage müssen wir uns wehren, indem wir die Aktionskomitees für den Generalstreik verallgemeinern.
Auf seinem letzten landesweiten Treffen, an dem zahlreiche Sektoren teilgenommen haben, hat das Netzwerk für den Generalstreik einen Aufruf zur Organisierung an die kämpfenden Sektoren, an die kämpferischen Gewerkschaften und an die interprofessionellen Koordinierungen, die es möglicherweise gibt, gerichtet:
Um in die Offensive zu gehen und zu gewinnen, werden spontane Demonstrationen oder gar Blockaden jedoch nicht ausreichen. Nur die Ausweitung des verlängerbaren Streiks auf möglichst viele Sektoren, unterstützt durch Solidaritätsaktionen von außen, die zu einem weitgehenden Lahmlegen der Wirtschaft führen, kann die Regierung zum Rückzug bewegen. Dennoch verstrickt sich die Intersyndicale in eine Strategie isolierter Aktionstage, die bereits alle ihre Grenzen und ihre Wirkungslosigkeit aufgezeigt hat. Deshalb ist es an der Zeit, dass wir unsere Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen.
Wir müssen unsere Streiks koordinieren und mit einer echten Politik des aktiven Streiks all jene abholen, die noch nicht im Streik sind. Wir müssen ein breites Solidaritätsnetzwerk aufbauen, das in der Lage ist, der Repression, die auf unsere Streikposten und die Aktivist:innen der Bewegung niederprasselt, entgegenzutreten. Dafür und weil sie auf der anderen Seite sehr gut organisiert sind, müssen wir uns auch selbst organisieren. In Vollversammlungen an unseren Arbeits- und Studienorten, aber auch in branchenübergreifenden Zusammenschlüssen mit dem erklärten Ziel, überall auf eine Verallgemeinerung des Streiks zu drängen. Dies ist nach wie vor der schwächste Punkt der Bewegung und muss dringend behoben werden.
Deshalb schlagen wir allen Sektoren, die sich in einem verlängerbaren Streik befinden, den kämpferischen Gewerkschaften und Verbänden, den branchenübergreifenden Vollversammlungen, wo es sie gibt, der mobilisierten Jugend sowie allen, die zu dieser Perspektive beitragen wollen, vor, überall und ab sofort einheitliche Aktionskomitees für den Generalstreik ins Leben zu rufen, die sich landesweit untereinander koordinieren. Dies ist die einzige Möglichkeit, um zu verhindern, dass die Wut, die sich derzeit ausdrückt, sich unter den Schlägen der Repression in einer Vielzahl von Einzelkämpfen auflöst, und um sie in einen Sieg zu verwandeln, den wir alle brauchen.
Um zu zeigen, dass es sich nicht nur um eine Rede oder eine Absichtserklärung handelt, mobilisierte eine große Delegation des Netzwerks aus der Region Paris, um die von der Zwangsverpflichtung bedrohten Raffinerien in Le Havre konkret zu unterstützen, und versammelte sich vor Ort mit vielen lokalen Mitgliedern des Netzwerks. Wie Trotzki 1936 über eine Bewegung sagte, die weiter fortgeschritten war als die gegenwärtige (wie der Streik mit Fabrikbesetzungen im Jahr 1936), was aber für den gegenwärtigen Moment des Klassenkampfes seine vollständige Gültigkeit behält: „Die Organisation, die in der heutigen Streikbewegung keine Stützpunkte findet, die sich nicht fest mit den kämpfenden Arbeitern zu verbinden versteht, ist des Namens einer revolutionären Organisation unwürdig“. Dies ist der Leitfaden, an dem wir uns bei Révolution Permanente orientieren, stolz darauf, zur Organisation und zum Bewusstseinsfortschritt eines Teils der kämpfenden Arbeiter:innen beitragen und nützlich sein zu können.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Französisch bei Révolution Permanente und auf Spanisch bei Ideas de Izquierda.