Aktionskomitee FU: „Nur 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro? Wir kämpfen für mehr!“
Wir spiegeln die einstimmig verabschiedete Erklärung der Versammlung vom 16. Oktober 2023, einberufen von der ver.di-Betriebsgruppe und dem Aktionskomitee TV-L FU. Die Forderung der Bundestarifkommission wurde von den knapp 40 Teilnehmenden als „Ohrfeige“ bezeichnet.
Die ver.di-Bundestarifkommission (BTK) hat am 11. Oktober 2023 die Forderungen für die diesjährige TV-L-Tarifrunde beschlossen. Für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder – davon 1,2 Millionen Tarifbeschäftigte und 1,3 Millionen Beamt:innen – werden 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr gefordert. Die Laufzeit soll 12 Monate betragen.
Wir stellen fest, dass bereits die Tarifforderung eine Reallohnsenkung ergibt! Zur Erinnerung: Das Tarifergebnis 2021 beinhaltete bezogen auf das Tabellenentgelt 14 Nullmonate und erst im Dezember 2022 eine Erhöhung um lächerliche 2,8 Prozent. Die aktuelle Forderung gleicht den Reallohnverlust der letzten Jahre seit 2020 nicht im mindesten aus. Legt man das Verhältnis von Tarifforderungen und –ergebnissen in den letzten Tarifrunden zugrunde, müssten wir sogar noch größere Verluste befürchten. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass die unteren Entgeltgruppen und insbesondere Alleinerziehende disproportional von der Inflation der letzten Jahre getroffen wurden, denn seit 2020 stieg der Preis für Energie um über 50 Prozent, und der für Nahrungsmittel über 30 Prozent.
Unsere Antwort lautet: Streiken und weiter für unsere Forderungen kämpfen sowie Tarifeinigungen, die einen Reallohnverlust beinhalten, ablehnen!
Wir fordern von der BTK:
- mindestens die volle Durchsetzung der Forderungen;
- tabellenwirksame Entgelterhöhungen, keine Nullmonate mit Einmalzahlungen (diese sind ein „vergiftetes Geschenk“, denn sie bedeuten ein lebenslänglich niedrigeres Lohn- und Rentenniveau);
- kein Kompromiss bei der Laufzeit, die Laufzeit muss am 31. Dezember 2024 zeitgleich mit der des TVöD enden!
Zur Durchsetzung unserer Forderungen rufen wir zu massiver Beteiligung an den kommenden Aktionen und Streiks mit dem Ziel auf:
- weiterhin aufzuklären und dafür zu streiten, dass keinem Ergebnis zugestimmt werden kann, das den Reallohnverlust der letzten Jahre fortsetzt;
- weiter die tariflichen Forderungen und Positionen unserer Betriebsgruppe (Reallohnverlust verhindern: 1000 Euro mehr und automatischer Inflationsausgleich!) einzubringen, die Unterstützung auch von vielen Kolleg:innen außerhalb der Freien Universität gefunden haben;
- weiter Unterschriften für unsere Petition an die BTK zu sammeln;
- weiter dafür zu streiten, die Gewerkschaft vom Kopf auf die Füße zu stellen, d.h. von der Forderungsfindung bis zum Tarifabschluss: Die Mitglieder müssen entscheiden!;
- die Streiks außerdem zu nutzen, um über die untragbaren Zustände an der FU mit Kolleg:innen ins Gespräch zu kommen. Intransparente Löhne, Personalmangel, prekäre Arbeitsbedingungen wie z.B. Befristungen, umfangreiche Verstöße gegen Tarifverträge und Dienstvereinbarungen müssen über die Streiks in die Öffentlichkeit getragen und bekannt gemacht werden;
- weiterhin für das Streikrecht bei Verstößen gegen Tarifverträge zu kämpfen.
Die niedrigen Forderungen der BTK wurden mit einer individuellen Beschäftigtenbefragung gerechtfertigt. Rückmeldungen zur Folge gaben Kolleg:innen das an, was sie im Geldbeutel sehen wollten, ohne zu berücksichtigen, dass netto viel weniger rauskommt als brutto, oder dass Tarifergebnisse in der Vergangenheit meist weit unter den Tarifforderungen lagen, in der Regel weniger als die Hälfte. Es gab nicht ausreichend Raum für Diskussion und vor allem keine Aufklärung über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Statt der notwendigen Aufklärungsarbeit präsentierte sich unsere Gewerkschaft ihren Mitgliedern im Schulterschluss mit der Regierung, die kein Interesse an einer Tarifeinigung hat, welche die Reallohnverluste der vergangenen Jahre ausgleicht.
TVStud
Für Studentische Beschäftigte (SHKs) fordert die BTK erstmals eine bundesweite Tarifierung, was durchaus zu begrüßen ist. Dennoch ist die Lohnforderung von 16,50 Euro mehr als unzureichend, um die Lebensrealität der ungefähr 400.000 SHKs merklich zu verbessern. Laut der TVStud-Studie sind aktuell 77,8 Prozent der SHKs armutsgefährdet. Die mögliche Stundenanzahl, die Studierende neben ihrem Studium für Lohnarbeit aufwenden können, ist begrenzt. Dieser strukturell prekäre Lebensabschnitt verdient angemessene Bezahlung. Doch die ver.di-Verhandlungsführung will nicht mit der Armut der Studierenden argumentieren, da diese in den Augen der Verhandlungsgegner:innen nur „philosophisch“ sei.
Für Berlin, wo bereits ein Tarifvertrag (TVStud III) erkämpft wurde, ist die Forderung von ver.di noch mangelhafter. Denn hier ist vertraglich festgelegt, dass nur die prozentualen Lohnerhöhungen auf SHKs anwendbar sind, nicht aber Sockelbeträge oder Einmalzahlungen. Das heißt, ausschließlich die 10,5 Prozent (wenn sie denn durchgesetzt würden): Eine Lohnerhöhung von 12,96 Euro auf 14,32 Euro. Diese Forderung steht in keinem Verhältnis der zuvor in verschiedenen (beratenden) Gremien besprochenen Forderungen, die sich immer im Rahmen von 18 bis 25 Euro Stundenlohn inklusive automatischer Inflationsangleichung.
Wie können wir das ändern? Wie holen wir aus Tarifrunden mehr raus? Wie kommen wir zu einen kämpferischeren und demokratischeren Gewerkschaft? Darüber wollen wir am 26. Oktober 2023 diskutieren:
Zeit: Donnerstag, 26.10.2023, 18:30 Uhr
Ort: Freie Universität Berlin, Hörsaal 1B (KL 29/222), Habelschwerdter Str. 45 (Silberlaube), 14195 Berlin
Online: https://fu-berlin.webex.com/fu-berlin/j.php?MTID=md4eef5adebefc60ec218c58d250f2d9b
Diese Erklärung erschien zunächst auf der Website der ver.di-Betriebsgruppe.
Zusatz: Eindrücke von der Versammlung
Die knapp 40 Beschäftigten auf der Versammlung zeigten sich mehr als enttäuscht von der Forderung der ver.di-Führung. Einzelne stehen kurz vor dem Austritt. Wortmeldungen betonen „Diese Forderung ist eine Ohrfeige“ oder „Man fühlt sich übergangen. Die Mitglieder haben nur eine Statistenrolle, das Drehbuch ist doch schon fertig“; man fragt sich: „Was soll das noch?“ Der Betriebsgruppenvorstand stimmt den Eindrücken zu, hebt allerdings auf die Notwendigkeit des Kampfes hervor. Gleichzeitig kritisiert er das Vorgehen der ver.di-Führung, derer Ansicht nach zunächst ein höherer Organisationsgrad erreicht werden müsse, bevor für bessere Forderungen gestreikt werden könne. Der Vorstand dreht diese Logik um: Warum sollten Beschäftigte in die Gewerkschaft kommen, wenn diese Jahr für Jahr nur mangelhafte Forderungen aufstellt und diese nicht mal umsetzt? Um die Gewerkschaft von der Basis aus zu stärken, müssen Forderungen aufgestellt werden, die ihnen echte Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen in Aussicht stellen. Mit dieser Perspektive wird das Aktionskomitee in die kommenden Streiks gehen.