Air Berlin: Die Krankmeldungen sind legitim! Gewerkschaften müssen zum Streik aufrufen!
Ein Kommentar zum „wilden Streik“ und einer möglichen Perspektive im Interesse der Arbeiter*innen.
In Berlin gibt es einen „wilden Streik“ durch Krankmeldungen. Schon zwei Tage lang kommen hunderte Pilot*innen und Service-Kräfte nicht zur Arbeit und holen sich Atteste. Das ist ein Ereignis, wie man es im sozialpartnerschaftlichen Deutschland kaum kennt, wo Streiks meist routiniert von der Bürokratie abgespult werden und Ergebnisse am grünen Tisch mit den Bossen ausgehandelt statt erkämpft werden.
Die Gewerkschaftsführung von Cockpit habe „überrascht zu Kenntnis genommen“, dass es Krankmeldungen gab. Ver.di meint, „Angst und Wut eskalieren“, ruft aber ebenfalls nicht zum Streik auf. Die Situation ist also offen.
Die Bürgerlichen schäumen vor Wut
Was ist der Hintergrund? Gerade laufen Verhandlungen zur Übernahme der insolventen Fluggesellschaft. Die Tarifverhandlungen wurden abgebrochen, eine irische Leasinggesellschaft soll Air-Berlin-Flugzeuge aufkaufen wollen, aber auch easyJet, Condor, Lufthansa und Investor*innen aus China sind im Gespräch. Die Frist für Gebote endet freitags – wer auch immer abräumt, eine Insolvenz bedeutet auf jeden Fall drastische Verschlechterung der Löhne und Arbeitsbedingungen.
Entsprechend schäumt die bürgerliche Politik und Presse über die Krankmeldungen, die ein Widerstand gegen diese Abwicklung ist. Denn zum einen wurden um die Hundert Flüge gestrichen, schlecht für die Profite. Zum anderen, und das scheint noch skandalöser für die Bürgerlichen zu sein, wagen Arbeiter*innen es, sich außerhalb des Legalismus gegen Lohndrückerei und drohende Entlassung zu wehren.
Ein Insolvenzvertreter, also ein professioneller Krisen-Schmarotzer, ruft im Deutschlandfunk zur „geordneten Insolvenz“ auf, für die jetzt „alle zusammen stehen“ sollten. Solche Stimmen gibt es viele, alle „Expert*innen“ werden medial zusammengetrommelt, um zusammen mit Groko-Größen an die „Vernunft“ der Insolvenz zu appellieren. Ob Andrea Nahles (SPD, „hochgradig unsolidarisch“), oder Alexander Dobrindt (CSU), die Süddeutsche Zeitung („ungerechte Selbstjustiz“) oder der Spiegel („schädlich“). Alles voller Gift und Galle gegen die Arbeiter*innen.
Die Aktion ist ein Keim der Selbstorganisation
Auf jeden Fall wird die Insolvenz auf dem Rücken der Lohnabhängigen ausgetragen, wenn diese sich nicht wehren. Das haben sie erkannt – und da die gewerkschaftlichen Bürokratien nicht handeln wollen, nehmen sie die Sache selbst in die Hand.
Die Krankmeldung ist keine „wilde“ Aktion, sie ist völlig legitim und anscheinend durchaus organisiert. Es ist die Keimform der Selbstorganisierung von Arbeiter*innen. Sie kann in dieser Form nicht bis zum Ende geführt werden, auch wenn sie einen Druck auf die Bürokratien der verschiedenen Gewerkschaften erzeugt, welche die Aktion auch nicht vollständig verdammen können.
Was die kämpfenden Arbeiter*innen angreifen, ist die Vermittlung. Sie wollen den Kampf und der muss weitergeführt werden durch einen Streikaufruf der Gewerkschaften: für die Übernahme aller Arbeiter*innen zu gleichen Bedingungen! Dafür braucht es jetzt Soli-Erklärungen von allen aktiven Arbeiter*innen in der Gewerkschaft, auch von außerhalb des Flughafens.
„Existenzbedrohend“ sind nur die Bosse
Denn die Gegenseite ist nicht untätig: „Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen“, lautet die Drohung von Frank Kebekus, Generalbevollmächtigter von Air Berlin.
Was aber auch zur Frage führt: Braucht man eigentlich einen Generalbevollmächtigten, um zu fliegen? Nicht wirklich. Eigentlich braucht man nur Pilot*innen und Personal. Wenn die Kapitalist*innen und ihre Sprecher*innen den Betrieb nicht führen können, muss er verstaatlicht werden, unter Kontrolle der Arbeiter*innen. Dann können die Angestellten auch „den Flugbetrieb sicherstellen“, wie es die Gewerkschaftsführung von Cockpit von den Krankgeschriebenen verlangt.
„Existenzbedrohend“, wie die Kapitalist*innen den Ausfall nennen, ist der Kapitalismus selbst. Die Selbstorganisierung der Flughafen- und Flugzeug-Beschäftigten gegen dieses System sollte eine Inspiration für alle Arbeiter*innen sein, die von Prekarisierung und Schließung bedroht werden. Ihnen, und der Fortsetzung ihres Kampfes mit einem Aufruf der Gewerkschaften als notwendigen weiteren Schritt, gilt unsere Solidarität.