Afrin ist gefallen – Lang lebe der Widerstand!
Die türkische Armee und die mit ihnen verbündeten Djihadisten haben die Kontrolle über die Stadt Afrin erlangt – unter anderem mit Hilfe von deutschen Panzern. Erdogan denkt schon an den nächsten Angriff. Die Kurd*innen bereiten sich auf langfristigen Widerstand vor.
Die „Operation Olivenzweig“ steht kurz vor dem Erreichen ihres vorläufigen Ziels: die Eroberung des kurdischen Kantons Afrin. Vor zwei Monaten begann der türkische Angriffskrieg auf die autonome kurdische Region. Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung startete Erdogan, unterstützt von djihadistischen und faschistischen Milizen, die Offensive gegen das fortschrittlichste demokratische Projekt in der Region. Seit heute morgen haben nun die von der Türkei geführten Kräfte die Kontrolle über die Hauptstadt Afrin erlangt, nach dem es ihnen in den letzten Tagen gelungen war, den Kessel um die Stadt immer enger zu ziehen. In sozialen Medien kursieren Bilder von gehissten türkischen Fahnen und deutschen Panzern, die durch die Straßen Afrins rollen, begleitet von rachsüchtigen Djihadisten.
Die Eroberung Afrins könnte Beginn sein für einen langen, blutigen Guerillakrieg. Denn die kurdischen Selbstverteidigungseinheiten YPG und YPJ haben den Übergang des Krieges in eine neue Phase angekündigt. Die im Land verbleibenden Kampfeinheiten, und diejenigen, die sich vorläufig aus der Stadt zurückgezogen hatten, um die Evakuierung der Zivilbevölkerung sicherzustellen, werden nun einen laut eigener Aussage einen unerbittlichen Guerillakampf gegen die Besatzer führen. Salih Muslim, Co-Vorsitzende der kurdischen Partei PYD, twitterte:
Der Rückzug aus einem Kampf bedeutet nicht die Niederlage im Krieg und das Aufgeben des Widerstandes. Der Widerstand wird weiter gehen und die Kurden werden weiterhin gegen den Genozid verteidigen, der für sie geplant wurde. Der Sieg wird der Sieg der Völker Nordsyriens sein.
Die Besatzer haben derweil kein Interesse am baldigen Abzug, sondern wollen im Gegenteil die Offensive noch ausweiten. Daran, dass die Türkei das Ziel hat, Afrin langfristig besetzt zu halten oder gar zu annektieren, können kaum Zweifel existieren. Erdogan hat kein Interesse, die eroberten Gebiete an den Rivalen Assad zurückzugeben. Der türkische Plan für die Region umfasst unter anderem die massenhafte Ansiedlung von arabischen Geflüchteten, für dessen Verwahrung die EU gutes Geld zahlt. Damit soll die Region langfristig entkurdisiert und so die Kolonialisierung vereinfacht werden.
Erdogan hat weiterhin angekündigt, dass Afrin nur der Beginn einer ausgedehnten „Antiterrorkampagne“ in Nordsyrien und dem Irak ist. Das wahrscheinlich nächste Ziel wird der selbstverwaltete kurdische Kanton Manbij sein. Noch sind in der Stadt US-amerikanische Truppen stationiert, die im Bündnis mit der kurdischen YPG/YPJ gegen den IS kämpften. Doch mit dem – nun abgesägten – US-Außenminister Tillerson gab es bereits Vereinbarungen zum Rückzug der US-Truppen, um dem Nato-Partner Türkei freie Hand zu lassen bei der Eroberung und Vernichtung der ehemaligen Verbündeten. Erdogan wird wohl nicht stoppen, bevor er das Projekt der demokratischen kurdischen Selbstverwaltung zerstört sieht.
Für die Menschen in Afrin bedeutet diese Perspektive nun vor allem Leid und Unterdrückung. Über 500 Zivilist*innen sind bereits der türkischen Invasion zum Opfer gefallen. Die kurdische Bevölkerung, die sich nach Jahrzehnten der Unterdrückung im syrischen Staat, mit vielen Opfern und gegen den barbarischen IS, einen nicht gekannten Grad der demokratischen Selbstverwaltung, der Frauenbefreiung und der sozialen Errungenschaften erkämpft hatte, sieht sich nun von djihadistischen und faschistischen Truppen besetzt. Doch der Widerstand lebt und wird nicht ruhen, bis alle Besatzer geschlagen sind.
Die Invasion von Afrin geschah mit deutscher Hilfe – sowohl mit politischer Unterstützung als auch mit Hilfe deutscher Waffenexporte. Währenddessen wird die kurdische Bewegung hierzulande immer wieder kriminalisiert. Auch die neue Bundesregierung wird diesen Kurs weiter fortführen. Dagegen ist entschlossener Widerstand nötig.
Überall ist Afrin, überall ist Widerstand!