AfD-Parteitag: Mit Rassismus an die Regierung?
Beim Bundesparteitag und der Europawahlversammlung der AfD zeigte der völkisch-nationale Flügel, wie er mittlerweile die Partei dominiert. Ihr Kandidat Maximilian Krah fiel wie viele andere mit rassistischen Aussagen auf.
Knapp 600 Delegierte der AfD folgten der Einladung zum 14. Bundesparteitag (Freitag, 28. Juli) sowie der Europawahlversammlung (29. und 30. Juli und 4. bis 6. August) in Magdeburg. Am Samstag fand dazu ein Gegenprotest statt, der von „Aufstehen gegen Rassismus!“ organisiert wurde und an dem etwa 3.000 Linke teilnahmen. Dies stellt die größte linke Demonstration in Magdeburg seit 15 Jahren dar, trotz der schwachen Mobilisierung von SPD und Grünen.
Alice Weidel eröffnete am Samstag als Parteivorsitzende die Versammlung zur Europawahl mit einer Rede, in der vor allem eine Aussage hervorstach: „Wir brauchen die Festung Europa zum Schutz unserer Heimat und das machen wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern!“ Sie verwendet damit einen Begriff, der zur Zeit des Zweiten Weltkrieges unter anderem von Joseph Goebbels etabliert wurde und in heutigen Debatten als linke Kritik an der militaristischen Abschottung des Kontinents vor Geflüchteten aufgemacht wird. Es ist neu, dass sich die Sprecherin einer großen Partei positiv auf ein derart rassistisches und menschenfeindliches Konzept bezieht, das jährlich den Tod tausender Menschen bedeutet.
In Bezug auf aktuelle Wahlergebnisse erwähnte sie die jüngsten Wahlerfolge in Ostdeutschland und äußerte sich kämpferisch. „Wir sind führend in den Umfragen und wir werden unsere Ergebnisse bis zu den Landtagswahlen noch ausbauen“. Weiter kritisierte sie die von ihr als Altparteien bezeichneten Kräfte als „undemokratisch“, weil diese Millionen Wähler:innen, die die AfD bindet, ausschließen würden. „Würde uns einfallen, irgendjemanden auszuschließen? Wir reden mit jedem!“. Sie gibt damit vor, besonders demokratisch zu sein, was an Zynismus kaum zu übertreffen ist, angesichts der Verbindungen der Partei zu gewaltbereiten Nazi-Strukturen. Doch versucht sie ihre Partei damit als möglichen Koalitionspartner für die CDU zu präsentieren, nachdem deren Parteichef Friedrich Merz zuletzt bereits andeutete, man müsse mit der AfD auf kommunaler Ebene zusammenarbeiten, schließlich sei sie eine demokratisch gewählte Partei.
Den Regierungsanspruch formulierte nicht nur Weidel in ihrer Rede, sondern auch ihr Bundessprecher-Kollege Tino Chrupalla: „Nächstes Jahr können wir in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stärkste Kraft werden. Wir können Regierungsverantwortung übernehmen, […] wir sind bereit für mehr!“ Die Parteispitze legt damit ihren Kurs dar: Sie sucht die Integration ins Regime, indem sie ihre ultrarechte Programmatik in Regierungspositionen umsetzt und auf diese Weise auch die anderen Parteien in diese Richtung zieht.
Völkisch-nationale Positionen in der AfD auf dem Vormarsch
Bei der Aufstellung der ersten 15 Listenplätze fiel die Wahl auf Maximilian Krah als Spitzenkandidat, der bereits seit der letzten Europawahl für die AfD Teil des Europaparlaments ist. Er warnte in seiner Rede davor, dass Millionen Menschen aus Afrika nach Europa kommen wollen, die Botschaft des Parteitages müsse daher sein: „Ihr werdet diesen Kontinent nicht zu eurer Heimat machen!“ Als Anwalt vertrat er bereits Nazis, die Migrant:innen an einen Baum gefesselt hatten. Passend auch sein Spruch: „Echte Männer sind rechts.“
Krahs Wahl war innerhalb der AfD sehr umstritten, da seine bisherige Arbeit im Parlament alles andere als reibungslos verlief. So wurde er bereits zwei Mal wegen Fehlverhalten von der ID-Fraktion im Europaparlament suspendiert. 2022 wurde ihm vorgeworfen, er hätte Marine Le Pen bei der französischen Präsidentschaftswahl nicht unterstützt, sondern öffentlich die Partei des rechtsextremen Éric Zemmour. Offensichtlich ist ihm die Politik von Le Pen nicht rechts genug. Anfang 2023 musste er sich dem Vorwurf stellen, dass er die Vergabe eines PR-Auftrags manipuliert haben soll und wurde daraufhin für drei Monate ausgeschlossen. Auch die zwei darauffolgenden Listenplätze wurden mit Petr Bystron und René Aust an Vertreter des sogenannten Höcke-Flügels vergeben. Dieser soll bisher etwa die Hälfte der Liste ausmachen.
Damit zeichnet sich ab, dass der völkisch-nationale Flügel sich immer mehr durchsetzt. Auf bisherigen Parteitagen konnten die Kreise um Thüringens Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke bereits wichtige Anträge durchbringen oder Entscheidungen der Parteispitze blockieren. Der Parteitag von Magdeburg zeigt, dass sie personell und programmatisch mittlerweile den Ton vorgeben. Alice Weidel hat sich mit Höcke abgefunden, ihr Co-Vorsitzender Tino Chruppala hatte sowieso nie ein Problem mit ihm. Der Tagesspiegel schreibt, der Höcke-Flügel sei zerfallen, denn er sei in der Partei aufgegangen.
Auflösung der EU oder doch nur ein redaktionelles Versehen?
Nachdem am vergangenen Wochenende die Listenplätze zur Europawahl vergeben wurden, soll am kommenden Wochenende das Programm verabschiedet werden. Schon im Vorfeld gab es Kontroversen zum Leitantrag, da es dort in einem Passus heißt: „Unsere Geduld mit der EU ist erschöpft. Wir streben daher die geordnete Auflösung der EU an“. Die Partei, die sich schon seit ihren Kindertagen an als EU-kritische Partei versteht, hatte in bisherigen Programmen nur vom Rückbau gesprochen, beziehungsweise zuletzt im Bundestagswahlprogramm 2021 davon, dass sie einen „Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union […] für notwendig“ hält. Diese besagte geordnete Auflösung der EU soll jedoch aus dem Entwurf gestrichen werden, angeblich ist sie dort nur durch ein „redaktionelles Versehen“ gelandet, so die Parteispitze. Alice Weidel meinte im Interview, die Gesetzgebung müsse auf Ebene des Nationalstaates geschehen und sie sei für einen Kompetenzrückbau der EU.
Deutlich weiter ging Björn Höcke, der in einem TV-Interview mit „Phoenix“ sagte: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“. Damit schwebt Höcke freilich keine solidarische internationalistische Perspektive vor, sondern eine größere Bedeutung des Nationalstaates. Seine Aussage bedeutet letztlich nichts anderes, als Deutschland groß zu machen und deutsche Kapitalinteressen rücksichtslos zu vertreten. Schwach war jedoch auch die Reaktion des thüringischen Ministerpräsidenten der LINKEN, Bodo Ramelow, der auf die wirtschaftliche Bedeutung der EU verwies. Damit überlässt er die Kritik an der EU, die ein neoliberales, militaristisches und undemokratisches Projekt im Interesse der Konzerne ist, den Rechten.
Nach Eurokrise und Brexit war die EU in den letzten Jahren wieder etwas weniger im medialen Fokus in Deutschland. Zur Europawahl dürfte die AfD ihre Ablehnung der EU wieder zu einem zentralen Thema machen. Schon in der Vergangenheit wäre es ihrer Fraktion im Europaparlament fast gelungen, zusammen mit anderen Rechtsparteien Gesetzesvorhaben zu blockieren. Ein starkes Abschneiden der AfD bei den Europawahlen kann größere Auswirkungen haben: Deutschland führt als zentrales imperialistisches Land die EU an. Ein deutliches Votum für eine eurokritische Partei könnte der EU eine neue Legitimationskrise bescheren.
Beitritt zur europäischen Partei der Ultrarechten
Am Freitag beschloss die AfD bereits den Beitritt zur Europapartei „Identität und Demokratie“ (ID), ein parteilicher Zusammenschluss mit insgesamt zehn Mitgliedsparteien, beispielsweise aus Frankreich, Italien und Österreich. Ihre Hauptziele sind die Rückkehr zu nationalen Währungen, sowie die volle Entscheidungskraft der Nationalstaaten in Bezug auf Einwanderung und Finanzen. Der Beitritt wurde zwar mit deutlicher Mehrheit angenommen, umstritten war er dennoch. Der Gegenantrag argumentiert, dass ein Beitritt zur ID ein „hierarchisches Top-Down-Verhältnis“ bewirken würde, vergleichbar mit dem eines Landesverbandes zur Bundespartei. Sie befürchten in dem Zuge, dass ihre „Aufgabe, die Vertretung deutscher Interessen“, erschwert würde, da sie nicht mehr unabhängig entscheiden könnten.
Die AfD-Delegierten im Europaparlament waren bisher schon Teil der ID-Fraktion, der Beitritt zur Partei kann aber als eine neue Entwicklungsstufe in der Geschichte der AfD gesehen werden, ideologisch wie parteirechtlich. In dem Antrag des Bundesvorstandes, der für den Beitritt argumentiert, heißt es, dass das Programm der ID in vollem Umfang der programmatischen Ausrichtung der AfD entspreche. Sie nennen außerdem zwei Gründe, die ausschlaggebend für den Positionswechsel der Partei stehen sollen. Finanzielle Vorteile und eine bessere Vernetzung mit den europäischen Schwesterparteien. Der neue Spitzenkandidat Maximilian Krah meinte: „Wir sind inzwischen die spannendste Rechtspartei in ganz Europa.“ Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die AfD nicht vorhat, sich in der ID anzupassen, sondern selbst den Ton mitbestimmen will.