AfD gewinnt Bürgermeisterwahl – Kommunales Amt, bundesweites Problem
In der Gemeinde Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt) gibt es seit letztem Sonntag einen neuen Bürgermeister. Sein Name ist Hannes Loth, er ist 42 Jahre alt und seit 2016 Mitglied des Landtages. Das Besondere daran? Er ist der erste hauptamtliche Bürgermeister Deutschlands, der Mitglied der AfD ist.
Nachdem die AfD kürzlich ihre erste Landratswahl im thüringischen Landkreis Sonneberg gewinnen konnte, verzeichneten sie am vergangenen Sonntag ihren nächsten Meilenstein. In einer Gemeinde mit knapp 39.000 Einwohner:innen ist der AfD-Politiker Hannes Loth in der Stichwahl mit 51,7 Prozent (Wahlbeteiligung 61,51 Prozent) zum Bürgermeister gewählt worden und konnte sich gegen den parteilosen Nils Naumann durchsetzen. Wieder ein medienwirksames Novum für die rechtsextreme Partei, welches von den prominenten Köpfen der Partei gefeiert wird.
Im Gegensatz zu diesen prominenten Köpfen fiel Loth bisher nicht durch Skandale auf und hielt sich in seiner Arbeit als Landtagspolitiker bisher zurück. Das gilt für die eine Richtung, jedoch auch für die andere. So distanzierte er sich auch nie von dem extremen Flügel rund um Björn Höcke. Auf seiner eigenen Internetseite inszeniert er sich vor allem als Retter der Landwirtschaft, bezeichnet sie als „seinen Schwerpunkt“. Aber die Zwischenüberschriften seines Programms „Corona-Irrsinn stoppen“, „Bildung statt Indoktrination“, „Kultur statt Multikulti“ und „Illegale Zuwanderung stoppen“ geben Aufschluss über seine Bekenntnis zu den wirklich wichtigen AfD-Themen. Inwiefern Loth diese “Programmatik für unser Sachsen-Anhalt” auf kommunaler Ebene umsetzen will, bleibt offen. Da dies unwahrscheinlich bis unmöglich sein wird, liegt es näher, dass er sein Programm für Landespolitik lediglich zum Stimmenfang nutzte. In Interviews nach der erfolgreichen Wahl spricht er in erster Linie davon, kommunale Themen wie Kita-Ausbau und Finanzierung der Feuerwehr in den Vordergrund zu rücken.
Die Reaktionen von Vertreter:innen der anderen Parteien sind wenig überraschend. Die Grünen-Fraktionschefin des Landtags in Sachsen-Anhalt, Cornelia Lüddemann, sei erschrocken darüber, dass es schleichend normal werden würde, Rechtsextreme in politische Ämter zu wählen. Lydia Hüskens, Fraktionschefin der FDP in Sachsen-Anhalt spricht von einem Weckruf. Eva von Angern (DIE LINKE) äußert sich dazu im Vergleich wenig kämpferisch und stellt lediglich fest, dass sich Loth an die Gesetze halten müsse. Diese Resignation von Links ist Teil des Problems. Auch von Seiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kommen nur leise Töne. DGB-Leiterin in Sachsen-Anhalt, Susanne Wiedemayer, bezeichnet die Wahl als “Ausdruck des Wählerwillens”. Gerade die Gewerkschaften haben aber die Aufgabe, aus den Betrieben heraus gegen jegliche Unterdrückungs- und Diskriminierungsformen zu kämpfen. Dies schließt auch den Kampf gegen die rechtsextreme AfD ein.
Das Problem bei dieser Wahl ist allerdings nicht Hannes Loth und seine Tätigkeiten an sich, sondern die Signalwirkung, die diese an sich wenig bedeutende Bürgermeisterwahl in sich trägt. Es liegt nahe, dass die erfolgreiche Landratswahl in Sonneberg und der darauffolgende mediale Diskurs einen Einfluss auf den Ausgang der Wahl in Raguhn-Jeßnitz hatte. Selbst Hannes Loth macht daraus keinen Hehl im Gespräch mit der Welt. Die altbekannte Praxis der AfD, mit immer häufigeren und extremeren Grenzüberschreitungen eine gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für ihre rassistischen, sowie frauen- und queerfeindlichen Ansichten zu schaffen, hat teilweise funktioniert. So sehr, dass sie aktuellsten Umfrage zur Bundestagswahl zufolge 20 Prozent der Stimmen generieren könnten. In drei Landtagen, nämlich Brandenburg, Sachsen und Thüringen, wären sie zudem stärkste Kraft, wenn auch dort aktuell Wahlen stattfinden würden. Der nächste Entwicklungsschritt in der Parteigeschichte könnte sich nun einstellen, da es der AfD nun auch gelingt, Wahlen zu gewinnen. Obwohl sich in der Vergangenheit immer mehr moderate Teile der Partei entfernten und die Höcke-Fraktion mittlerweile die ideologische und politische Orientierung prägt, kann man eine gewisse Normalisierung der AfD beobachten.
Die AfD kann nicht an den Wahlurnen gestoppt werden, nur auf der Straße und in den Betrieben
Es muss an Beispielen, wie zuletzt in Würzburg, wo 3.000 Menschen eine Wahlkampfveranstaltung mit Björn Höcke blockierten, festgehalten werden. Es braucht solche Gegenproteste, wie es sie auch bald in Magdeburg zum Bundesparteitag der AfD geben wird, um die Partei zu bekämpfen. Sie lässt sich nicht an den Urnen abwählen. Ihr Aufstieg ist ein verzerrtes Symptom der Unzufriedenheit mit der Regierung. Es braucht eine linke Kraft, die sich sowohl gegen die Regierung als auch die AfD richtet mit einem sozialistischen Programm der Arbeiter:innenbewegung und für die Einheit der Klasse gegen jede rassistische und sexistische Spaltung.
Wir rufen dazu auf, Komitees zu bilden, um sich gegen die antisoziale und immer rechtere Politik der Bundesregierung zu organisieren und zugleich dem Aufstieg der AfD den Kampf anzusagen. Kundgebungen, Demonstrationen und Blockaden zur Verhinderung von Auftritten der AfD müssen mit einem Kampfplan für eine soziale Alternative zur Kürzungs- und Aufrüstungspolitik verbunden werden. Wir müssen auch die DGB-Gewerkschaften auffordern, die Zusammenarbeit mit der AfD zu verweigern und statt nur zur Teilnahme an „Bunt statt Braun“-Aktionen aufzurufen, die größte Waffe, die sie haben, zu nutzen: die des Streiks.