Abtreibungsverbot in den USA: Frau Baerbock, wie war das nochmal mit der feministischen Außenpolitik?
Während im Land der unbegrenzten Möglichkeiten die körperliche Selbstbestimmung gebärenden Menschen und Frauen entzogen wird, hüllt sich Außenministerin Baerbock in Schweigen. Während sie alldem zusieht, scheint sie ihre angepriesene feministische Außenpolitik vergessen zu haben.
Recht auf Schwangerschaftsabbruch gekippt, Zukunft der Verhütung fraglich und Kriminalisierung von homosexuellen Männern steht aus
Es sind krasse Berichte aus den USA. Das bundesweite Recht auf Abtreibungen wurde vom Supreme Court gekippt. Die einzelnen Staaten können nun Abtreibungen illegalisieren. Versuche, diese selbst durchzuführen, werden ebenso bestraft. In einigen Bundesstaaten selbst bei Vergewaltigung und Inzest. Besonders dreist: Die Strafen für einen versuchten Abbruch sind oftmals höher als die Strafen für sexualisierte Gewalt. Auch ist die Nachverfolgung von Verhütungsmaßnahmen von Frauen und gebärenden Menschen in einzelnen Staaten per App möglich und soll flächendeckend verwendet werden. Die Angriffe nehmen kein Ende.
Clarence Thomas, Richter am Supreme Court, kündigte an, dass das höchste Gericht der USA auch weitere Präzedenzfälle abseits von „Roe v. Wade“ künftig überdenken wird. Damit könnten der Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln eingeschränkt und homosexuelle Eheschließungen sowie sexuelle Handlungen zwischen Männern wieder kriminalisiert werden. Gleichgeschlechtliche Ehen und sexuelle Handlungen zwischen Frauen sind dabei kein Thema. Das zeigt auch die ekelhafte Fetischisierung und Diskriminierung gegenüber bestimmten Gruppen durch die obersten Richter:innen. Diese Haltung ist zutiefst ekelerregend und heißt nicht, dass homosexuelle Frauen und ihre Rechte geschützt sind, sondern höchstens, dass sie aktuell noch geduldet werden.
Betroffene zeigen international Solidarität, Baerbock und ihr Außenministerium schweigen
Die sozialen Medien und Straßen sind weltweit voll mit Solidarität mit den Betroffenen und Entrüstung gegenüber dem Staatsapparat. Seit Wochen trenden Videos, in denen gefordert wird, dass Richter:innen nicht dazu ermächtigt sein sollten, so tiefgreifend in die Autonomie von Frauen und gebärenden Menschen einzudringen. Nicht ermächtigt dazu zu sein, sie zu Geburten zu zwingen, während der Staat nichts unternimmt, um diese Menschen dabei und danach finanziell, sozial oder psychisch zu unterstützen. Es werden private Tipps geteilt, wie man mit Hausmitteln einen Abbruch herbeiführen kann, wenn man kein Kind auf die Welt bringen will. Klar wird: Abtreibungen werden nicht durch Verbote verhindert. Sie werden nur tödlicher, gefährlicher und auf das Individuum in psychischen Ausnahmezuständen abgewälzt, um diese danach auch strafrechtlich zu belangen.
Es zeigt ganz klar, dass ein feministischer Kampf nicht an der eigenen Staatsgrenze aufhört, sondern international geführt werden muss und gebraucht wird. Es zeigt, dass erkämpfte Reformen einfach so wieder zurückgenommen werden können, auch in „fortschrittlichen“ Staaten wie den USA. Es zeigt, dass man sich nicht in Sicherheit wiegen darf, wenn der Staat Zugeständnisse macht gegenüber den Arbeiter:innen und Jugendlichen. Die erkämpften Reformen können uns jederzeit genommen werden. Hier in Deutschland war bis 1997 die Vergewaltigung in der Ehe keine Straftat. Die homosexuelle Eheschließung in der BRD ist erst seit 2015 legal und queere Menschen werden immer noch stark diskriminiert und von der Gesellschaft ausgeschlossen. Beides wurde bis zuletzt vor allem von den Konservativen mitgetragen und geschützt.
Obwohl Annalena Baerbock bei Antritt ihres Amtes zur Außenministerin anpries, dass sie eine feministische Außenpolitik machen werde, ist davon bislang nichts zu hören. Sie schweigt zu den USA. Baerbock ist die Zusammenarbeit mit der imperialistischen Macht USA wichtiger als das Schicksal von Millionen Menschen in den USA, die sie mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ eigentlich unterstützen wollte. Jetzt ist nämlich die Einheit der NATO-Staaten wichtiger, um sich wirtschaftlich und militärisch stark gegen Russland und später China stellen zu können, was auch die jüngste Opferung des kurdischen Volks für Erdogans Politik beweist. Denn: Feminismus, Menschenrechte, Klimaschutz oder die vielen anderen sozialen Probleme werden immer untergeordnet sein im Kapitalismus. Das System ist so konzipiert, dass es Profite vor Menschenrechte priorisieren muss, um zu funktionieren. Das heißt Krieg vor Feminismus, Krieg vor Klimaschutz, Krieg vor Menschenrechte oder Krieg vor Sozial- und Gesundheitspolitik. Wir müssen uns daher gegen die von ihnen geführten und geplanten Kriege stellen. Diese Politik und dieses System repräsentiert nämlich auch Girlboss Annalena Baerbock und ihre grün-kapitalistische Partei.
Wer uns definitiv nicht helfen wird im Kampf um Befreiung
Selbst in die Linkspartei dürfen wir keinerlei Illusionen über Besserung von sexistischen und anti-feministischen Verhältnissen in diesem System haben. Auf ihrem Parteitag, welcher zeitgleich mit den Gegenprotesten zu G7 in München und Garmisch-Partenkirchen stattfand, wurde Janine Wissler erneut zur Parteivorsitzenden gewählt. Während DIE LINKE also interne Streitereien klären musste, haben Arbeiter:innen, Jugendliche und Aktivist:innen selbst gegen die imperialistische Politik der G7 protestiert. Die Partei verzichtete dabei auf eine Mobilisierung gegen G7.
Bislang zeigte die alte und neue Parteivorsitzende Wissler keine Anstrengungen, die Vorfälle sexualisierter Gewalt in ihrer Partei aufzuarbeiten, sondern eher totzuschweigen. Auch aus der restlichen Basis der Linkspartei gibt es zu wenig laute Stimmen für eine unabhängige und tiefgreifende Aufarbeitung der sexistischen Vorfälle. Der Jugendverband „linksjugend solid“ konnte bezüglich der #LINKEMeToo-Diskussion ebenso nichts ausrichten. Dies ist neben dem Verrat an dem Berliner Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, sowie dem allgemeinen Rechtsrutsch der Linkspartei im Militarismus, einer von vielen Gründen, mit der Partei und dem parteinahen Jugendverband zu brechen und sich links der Linkspartei für unsere Rechte zu organisieren.
Jüngst wurde in der BRD der Paragraph 219a Strafgesetzbuch gestrichen, welcher verhinderte, dass Arztpraxen über Abtreibungsmöglichkeiten informieren oder Werbung machen. Das bedeutet jedoch nicht, dass Abtreibungen hierzulande legal sind. Aufgrund des Paragraphen 218 ist der Schwangerschaftsabbruch weiterhin strafbar. Ein Abbruch wird lediglich in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis geduldet. Ebenso lässt die Dichte an Abtreibungspraxen zu wünschen übrig. Auch findet sich die Abtreibung nicht als Inhalt im Medizinstudium und es wird sich an den Richtlinien anderer Länder orientiert, namentlich den USA, die bis heute eine sehr hohe Sterblichkeit bei Abtreibung und Entbindung haben.
Es zeigt ganz klar, dass wir keine Illusion haben dürfen in die Ampel-Regierung oder kapitalistische Demokrat:innen dieser „fortschrittlichen“ Staaten. Auch ein Präsident Biden zeigt sich zwar entrüstet über die Entscheidung des Obersten Gerichts, doch setzt er gleichzeitig einen weiteren Abtreibungsgegner als Richter auf bundesstaatlicher Ebene ein. Die Ernennung von drei konservativen Richter:innen durch Bidens Vorgänger Trump spielt nicht die tragende Rolle in der aktuellen Entwicklung des Supreme Courts. Es ist das marode System, welches erkämpfte Reformen immer und immer wieder rückgängig machen kann. Die Demokraten können nichts gegen diese Entscheidung machen, außer ihre Werbetrommeln für die im November anstehenden Zwischenwahlen zu rühren und Versprechungen zu machen, welche sie definitiv nicht einhalten werden.
Also was tun? Wer sind unsere Verbündeten im Kampf gegen staatliche Unterdrückung?
Es sind die Arbeiter:innen. Vor allem die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter:innen, welche in den USA trotz jahrzehntelanger gewerkschaftsfeindlicher Politik in der jüngsten Zeit durch die kapitalistischen Krisen wieder mehr werden. In diesen Zeiten geschehen Entwicklungen, welche wir uns zuvor nie ausmalen konnten. Entwicklungen, die Unverständnis hervorrufen und den Glauben an die Vernunft der Menschheit verlieren lassen. Die Arbeiter:innen und Unterdrückten können von den bürgerlichen Staaten keine Freiheit, keine Demokratie, keine Sicherheit oder Antworten auf Krisen erwarten. Deshalb müssen wir das Klassenbewusstsein wieder aufleben lassen und als Arbeiter:innenklasse international solidarisch zu kämpfen. Arbeiter:innen halten dieses System am Laufen, geeint können sie dieses System auch stoppen und wirklich wichtige Themen durchsetzen wie ein dauerhaftes Recht auf Abtreibungen statt Aufrüstung, erneuerbare statt fossile, klimazerstörerische Energien oder höhere Löhne anstatt höhere Mieten und Lebensmittelpreise, die lediglich die Gewinne der Konzerne maximieren.
Mit Blick auf die USA sehen wir auch, dass es genau diese Gruppen und diese Klasse sind, welche 20.000 Menschen in New York auf die Straße bringen konnte, um für das Recht auf Abtreibung zu demonstrieren. Ein Bündnis aus vielen sozialistischen Organisationen wie unserer Schwesterorganisation Left Voice, Gewerkschaften, Gruppen für reproduktive Rechte und Wohnungsbau sowie aus der Black-Lives-Matter-Bewegung riefen zu diesem Protest auf und legten den Straßenverkehr lahm. Die im Stau stehenden Menschen waren jedoch alles andere als verärgert, sondern erhoben aus ihren Fenstern ihre Faust und hupten aus Solidarität mit den Betroffenen und Demonstrierenden. Im Zuge der Proteste bildete sich nun in den USA auch die feministische Gruppierung „Bread and Roses“ als Teil unserer Schwesterorganisation Left Voice, welche für einen internationalen sozialistischen Feminismus in den USA kämpft. Auch in Paris demonstrierte unsere feministische Gruppierung der französischen Schwesterorganisation Révolution Permanente zusammen mit anderen feministischen und queeren Gruppen und rund eintausend Menschen in Paris. Wir stehen sowohl in Deutschland als auch international solidarisch mit den Betroffenen in den USA. Es ist ein Beispiel, wie wir auch dort international für unsere Rechte kämpfen und einstehen, denn nur so kann die rücksichtslose Maschinerie des Kapitalismus bekämpft werden. Klassenbewusst und international.
Diskutiere mit!
Die Angriffe der Staaten und Kapitalist:innen nehmen international auf die Arbeiter:innen, die Unterdrückten und die Jugendlichen wieder drastisch an Fahrt auf. Denn in Krisenzeiten des Kapitalismus soll vor allem die internationale Arbeiter:innenklasse und Jugend die Kosten der ganzen Krisen tragen. Daher ist es wichtig, dass wir uns ebenso international organisieren und aufstellen. Nur so können wir uns gegen diese anti-feministischen Angriffe des Obersten Gerichts der USA wehren. Auf Annalena Baerbocks feministische Außenpolitik können wir, wie wir sehen, nicht zählen, jedoch auf die Arbeiter:innen, Gewerkschaften und feministischen Gruppierungen wie „Bread and Roses“, welche die Rechte unserer Klasse verteidigen und durchsetzen wollen.
Dass es sich lohnt, sich sozialistisch und feministisch zu organisieren und für die Rechte unserer Klasse zu kämpfen, zeigt der Erfolg unserer Schwesterorganisation in Argentinien, der Partei der Sozialistischen Arbeiter:innen (PTS). Als revolutionäre Sozialist:innen kämpften sie seit Jahren für das Recht auf Abtreibungen und gewannen mit einer breiten feministischen Bewegung im vergangenen Jahr den Kampf gegen die reaktionären Kräfte der bürgerlichen Parteien, welche dieses Recht seit Jahrzehnten blockierten.
Diese und viele weitere Kämpfe und Erfolge der Trotzkistischen Fraktion, der internationalen Strömung der Revolutionären Internationalistischen Organisation, finden tagtäglich international und national statt. Daher veranstalten wir dieses Jahr als Klasse gegen Klasse und Brot und Rosen wieder ein Sommercamp, um über all diese derzeitigen Entwicklungen zu diskutieren.
Auch du kannst dorthin kommen, um uns kennenzulernen, selbst politisch aktiv zu werden oder dich politisch weiterzubilden. Zusammen mit internationalen Gästen unserer Schwesterorganisationen aus dem Spanischen Staat, Frankreich und Italien werden viele politische Workshops zur Klimakrise, Feminismus, gewerkschaftlicher Organisierung und zur Notwendigkeit des Sozialismus heute angeboten. Von Arbeiter:innen und Jugendlichen, für Arbeiter:innen und Jugendliche.
Die Workshops des letzten Jahres sowie viele weitere Veranstaltungen findest du auf YouTube als Video oder als Podcast unter „Roter Faden“ auf Spotify und Apple.
Bei Interesse oder Fragen melde dich daher gerne per Mail bei info@klassegegenklasse.org und lies dir unseren Beitrag zum Sommercamp durch.