"Oktober im November". Im letzten Teil geht es um den Oktoberaufstand selbst." /> "Oktober im November". Im letzten Teil geht es um den Oktoberaufstand selbst." /> 99 Jahre Russische Revolution, Teil 5: Der Oktoberaufstand

99 Jahre Russische Revolution, Teil 5: Der Oktoberaufstand

11.11.2016, Lesezeit 6 Min.
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Vor 99 Jahren begann in Russland die Revolution – nicht im Oktober, sondern Anfang November 1917. Russland hatte bis 1918 den julianischen Kalender, der 13 Tage hinter unserem (gregorianischem) Kalender liegt. Wir veröffentlichen zur Feier des Geburtstags des "Oktoberaufstands" (der nach altem Kalender in der Nacht vom 25./26. Oktober stattfand) im Laufe der gesamten Woche immer ein Kapitel aus unserer alten Broschüre "Oktober im November". Im letzten Teil geht es um den Oktoberaufstand selbst.

Ende Oktober ergreifen die Räte der Arbeiter*innen die Macht

Die russische Revolution, die im Februar 1917 begonnen hatte, näherte mit dem beginnenden Winter ihren Höhepunkt. Die revolutionäre Partei der Bolschewiki hatte einen großen Teil der Arbeiter*innenklasse hinter sich geschart. Die bürgerliche Regierung zeigte sich unfähig, den Massen „Frieden, Land und Brot“ zu geben, und die Bolschewiki machten sich genau diese Forderungen zu eigen. Mit ihrer Losung „alle Macht den Sowjets!“ zeigten sie, wie die Arbeiter*innen und Bauern*Bäuerinnen ihre eigene Regierung aufstellen könnten, um ihre Forderungen durchzusetzen.

In einem Arbeiterrat (auf Russisch: Sowjet) nach dem anderen gewannen die Bolschewiki eine Mehrheit für diese Politik. Diese Räte bestanden aus Delegierten, die von der Basis gewählt und jederzeit abwählbar waren. Deswegen spiegelten sie sehr genau die Wünsche der Massen wieder – die „demokratische“ bürgerliche Regierung dagegen war nie wirklich gewählt worden, sondern ging aus Absprachen zwischen den verschiedenen Parteien hervor.

Hin zum Aufstand

Der landesweite Kongress der Sowjets war für den 25. Oktober angesetzt. Die Bolschewiki begannen zu planen, wie die Massen durch den Rätekongress die politische Macht in Russland übernehmen könnten. Die Gegner*innen der Sowjetmacht behaupteten, die Bolschewiki wollten einen Putsch organisieren, der zu Hunger und Verwüstung führen würde.

Dagegen betonte W.I. Lenin, wichtigste Führungsfigur der Bolschewiki, dass eine Sow­jetregierung sich nicht auf einen normalen Staatsapparat, sondern auf das Engagement der breiten Massen stützten würde. Hausfrauen, Bedienstete, ungelernte Arbeiter*innen und einfache Soldaten könnten selbst den Betrieb des Staates, die Verteilung der Wohnungen, die Verwaltung der Fabriken usw. erledigen.

Aber dafür war ein Aufstand notwendig, um den Machtapparat der Bourgeoisie hinwegzufegen. Der Sowjet der Hauptstadt Petrograd stellte ein eigenes „Revolutionäres Militärkomitee“ auf, unter Führung des Sowjetvorsitzenden Leo Trotzki, um diesen Aufstand vorzubereiten.

Die bürgerliche Regierung unter Ministerpräsident Kerenski wusste, dass sie kaum noch die Kontrolle über die Hauptstadt innehatte, da die Garnisonen hinter den Bolschewiki standen. Sie versuchte, die Soldaten aus der Stadt abzuziehen, doch diese weigerten sich. Das Revolutionäre Militärkomitee erklärte, dass nur noch Befehle, die von ihm unterschrieben waren, für die Soldaten in Petrograd gültig seien.

Am Vorabend des Kongresses versuchte die Kerenski-Regierung zuzuschlagen: sie befahl die Verhaftung des Militärkomitees, die Schließung der bolschewistischen Presse und die Öffnung der Zugbrücken zwischen den Garnisonen und den Arbeiter*innenvierteln, um eine Verbrüderung zu verhindern. Da ihr aber nur noch einige Offiziersschüler und ein Frauenbataillon unterstanden, waren solche Befehle eher ein Zeichen der Machtlosigkeit.

In der Nacht antworteten revolutionäre Soldaten und Matrosen sowie die roten Garden (bewaffnete Arbeiter*innen) mit der Besetzung von Regierungsgebäuden, Bahnhöfen, Brücken, der Telefonzentrale und der Staatsbank. Am Abend des nächsten Tages wurde der Regierungssitz, der Winterpalais, als letztes Symbol der alten Regierungsmacht gestürmt.

Revolutionen bringen immer Gewalt mit sich, da sich eine herrschende Klasse nie ohne blutigen Widerstand stürzen lässt. Doch der Oktoberaufstand in Petrograd war verhältnismäßig friedlich. Diese Tatsache erklärt sich aus der guten Organisation des Aufstandes und der Disziplin der Aufständischen unter Führung der Sowjets.

Der Ablauf des Kongresses

So konnte das Revolutionäre Militärkomitee bei der Eröffnung des Sowjetkongresses am Morgen des 25. Oktobers erklären, dass die politische Macht in die Hände der Sowjets übergegangen war. Die Delegierten akzeptierten diese Aufgabe und wählten eine neue Sowjetregierung – den Rat der Volkskommissare. Die Maßnahmen, die die alte Regierung ein halbes Jahr lang für unmöglich erklärt hatte, führte der Kongress durch: er verabschiedete ein Friedensdekret, um ein Ende des Krieges auf demokratischer Grundlage einzuleiten, und ein Dekret über Land und Boden, um den Großgrundbesitz abzuschaffen und die Landbesetzungen der armen Bauern*Bäuerinnen im ganzen Land zu legitimieren.

W.I. Lenin war gerade aus dem Untergrund gekommen und erklärte unter stürmischen Beifall: „Wir werden jetzt mit dem Aufbau der sozialistischen Ordnung beginnen.“ Neben den erwähnten Maßnahmen wurden auch die Banken verstaatlicht, die Fabriken unter die Kontrolle der Arbeiter*innenräte gestellt und der Besitz der Kirche abgeschafft.

Im Laufe der russischen Revolution drängten die Massen immer weiter – weiter als ihre politischen Führungen gehen wollten: Arbeiter*innen streikten, während die „Sozialist*innen“ in der Regierung zur Ruhe mahnten; Soldaten hörten auf zu kämpfen, obwohl die Generäle neue Offensiven befahlen. Doch diese Massen, zum politischen Leben erwacht, hatten meist keine klaren Vorstellungen über die Maßnahmen, die notwendig gewesen wären, um ihre Probleme zu lösen.

Nur eine revolutionäre Arbeiter*innenpartei, wie die Bolschewiki, konnte bei jeder Phase der Revolution die nächsten Schritte hin zum Sturz des Kapitalismus aufzeigen. Diese Partei entstand auch nicht spontan in der Hitze der Revolution, sie wurde über 14 Jahre lang aufgebaut. Aber auch sie musste mehrmals in diesen hitzigen Monaten ihren Kurs radikal ändern und nahm Hunderttausende frisch politisierte Arbeiter*innen (und sogar ehemalige, langjährige Kritiker­*innen wie Leo Trotzki) auf – ihre Flexibilität und ihre umfassend demokratische Funktionsweise machte das möglich.

Ein Beispiel

Wie die Revolutionärin Maria Spiridowna vor dem Kongress der Bauernsowjets erklärte:

Vor den Arbeitern Rußlands eröffnen sich jetzt Horizonte, wie sie die Geschichte nie gekannt hat. Alle Arbeiterrevolutionen sind niedergeschlagen worden, aber die gegenwärtige Bewegung ist international und darum unbesiegbar. Es gibt in der ganzen Welt keine Macht, die das Feuer der Revolution wieder löschen könnte. Die alte Welt bricht nieder, eine neue beginnt!

Dieses Feuer wurde jedoch wieder gelöscht – die aus der Oktoberrevolution hervorgegangenen Sowjetunion ging am Ende des Jahrhunderts, aufgrund der bürokratischen Konterrevolution Stalins, wieder unter. Doch es bleiben, auch 99 Jahre nach der Oktoberrevolution, zahlreiche Lehren für den revolutionären Kampf. Und vor allem ein leuchtendes Beispiel, dass der Kapitalismus durch die Unterdrückten gestürzt werden kann.

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