LMU München: Verwaltung droht mit Bußgeld wegen Flyern

10.01.2025, Lesezeit 6 Min.
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Der politische Austausch von Studierenden ist an bayerischen Universitäten nicht erwünscht. Das zeigt auch die Androhung von Bußgeld durch die Dezernatsleitung der LMU, nachdem in einem Hörsaal der Universität politische Flyer verteilt wurden.

Als RIO (Revolutionäre Internationalistische Organisation) und marxistische Hochschulgruppe Waffen der Kritik setzen wir uns für die Rechte und Selbstbestimmung von Arbeiter:innen und Studierenden an den Orten des Alltags ein – auch an der Universität. In diesem Sinne haben wir kürzlich eine Auftaktveranstaltung organisiert, um die Kandidatur der sozialistischen Hebamme Leonie Lieb in München-Mitte/West für die Bundestagswahlen anzukündigen. Leonie ist unter anderem im Kampf gegen die Schließung ihrer geburtshilflichen Station in Neuperlach bekannt geworden und tritt mit einem Programm gegen den Rechtsruck, die Kürzungen und den Genozid in Gaza, sowie für offene Grenzen, feministische Selbstbestimmung und Enteignung von Großkonzernen – wie RWE und Rheinmetall – an.

Mit Flyern in einem Hörsaal der LMU luden wir Studierende zu dieser Veranstaltung ein, um zu den kommenden Bundestagswahlen und der Perspektive dieser unabhängigen Kandidatur zu diskutieren. Die Reaktion der „Dezernatsleitung für Liegenschaften und Technik”: eine Abmahnung und die Drohung eines Bußgeldes, sollte sich dies wiederholen. Damit beweist sie mal wieder, dass sie jegliche Bemühung, politische Diskussionen unter Studierenden zu ermöglichen, ersticken möchte und dabei bereit ist, auf Repressalien zurückzugreifen.

Entpolitisierung und Repressionen an bayerischen Universitäten

Dass die Universitäten in Bayern kein wirkliches Interesse an politischer Betätigung ihrer Studierenden haben, ist längst kein Geheimnis mehr. 1974 wurde die verfasste Studierendenschaft (AStA/StuRa) in Bayern durch die CSU verboten, um „den linken Sumpf an den Unis trockenzulegen“. Die verfasste Studierendenschaft stellt in den meisten Bundesländern das Organ der Studierendenschaft dar. Seither werden die Studierendenvertretungen in Bayern durch den Konvent der Fachschaften bestimmt, die jedoch der Hochschulleitung unterliegen. Dadurch können Fördergelder und Räume entzogen werden, wenn die Hochschulleitung nicht mit den politischen Forderungen der Studierenden übereinstimmt. So wurde auch dem Antifaschismus-Referat schon mehrmals die Auflösung angedroht. 2017 wurde das Referat dann auch tatsächlich von der Unileitung aufgelöst, nachdem es bei einem Vortrag über rechte Burschenschaften, welcher vom Referat organisiert wurde, zu Konflikten kam. Als sich das „Referat Gegen Faschismus” (RegeFa) 2022 gründete, wurde der Begriff „Antifaschismus” im Titel explizit verboten. Zusätzlich wurde auch linke Symbolik, wie schwarz-rote Fahnen, verboten.

Doch selbst mit der Neugründung – und faktischen Eindämmung – des Antifaschismusreferats war es mit den Repressionen nicht vorbei. Erst im letzten Jahr sagte die Fachschaftsinitiative Soziologie mit einem bürokratischen Manöver eine von uns angestoßene studentische Vollversammlung ab, die im Konvent der Studierenden gebilligt wurde. Grund dafür war, dass die Unileitung die Diskussion heikler politischer Themen befürchtete. Doch selbst gegen vermeintlich harmlose und allgemein akzeptierte Themen ging die Unileitung vor: Im Sommer 2024 plante das RegeFa eine Spendenparty mit dem Motto „Booty-shaken gegen Rechts”. Prompt entschied die Unileitung, diese Veranstaltung zu blockieren. Selbstverständlich denken wir, dass es gegen den Aufstieg der Rechten weit mehr braucht, als kulturelle Veranstaltungen und dass sich studentische Organe dem Anspruch gerecht werden müssen, den Aufbau einer aktiven und kämpferischen Studierendenschaft zu verfolgen, die den Rechten die Stirn bieten kann. Dennoch stellen wir uns gegen solche Verbote studentischer politischer Veranstaltungen.

Vor diesem Hintergrund darf es kaum überraschen, dass nun wieder einmal versucht wurde, politische Aktivitäten an der LMU einzudämmen. Dieses Mal wurde die Verteilung von Flyern mit einer Androhung von Repressalien beantwortet, welche zum Wahlkampfkomitee für Leonie Lieb einluden. RIO, die Organisation hinter Klasse Gegen Klasse, tritt dieses Jahr zusammen mit der RSO (Revolutionäre Sozialistische Organisation) mit Direktkandidaturen zur Bundestagswahl an. Dabei setzen wir auf Wahlkampfkomitees, welche die Direktkandidatinnen im Wahlkampf unterstützen sollen. Der ausgeteilte Flyer sollte die Studierenden einladen, an diesem teilzunehmen und mit uns politisch aktiv zu werden. Nachdem die Leitung des Dezernats zu „Liegenschaften und Technik” von einer Dozentin auf die Flyeraktion hingewiesen wurde, drohte die Dezernatsleitung mit einem Bußgeld, sollte es nochmal zu solchen politischen Aktivitäten an der Universität kommen. Begründet wurde die Abmahnung damit, dass laut der Hausordnung der LMU „parteipolitische Betätigung […] in den Gebäuden und auf den von der Universität verwalteten Grundstücken der Universität nicht zulässig” sei. Abgesehen davon, dass RIO keine politische Partei darstellt, ist scharf zu kritisieren, wie die politischen Interessen von Studierenden aus der Universität verbannt werden. 

Universitäten zu politischen Orten der Studierenden und Beschäftigten machen!

Erst im Mai 2023 wurde aus klimapolitischen Gründen ein Hörsaal der LMU durch die Gruppe „End Fossils” besetzt und dabei die Repolitisierung der Uni gefordert. Die Entpolitisierung der Universitäten muss mit vereinten Kräften der Studierendenschaft bekämpft werden. Seit einigen Jahren behauptet die Hochschulleitung, „Veranstaltungen zu allgemeinpolitischen, politischen oder weltanschaulichen Themen“ keine Räume zur Verfügung zu stellen. Die zahlreichen Besuche von Markus Blume, die Veröffentlichung von religiösen Grußwörtern von Erzbischof Marx auf der LMU Website oder der Lehrauftrag an den ehemaligen Vorsitzenden der CDU Armin Laschet, trotz seines Notenskandals an der RWTH Aachen, zeigen eines deutlich: die Hochschulleitung folgt einer Union-nahen Doktrine und verwendet Repressionen und ideologische Lügen zur Unterdrückung von studentischer politischer Aktivität.

Wenn „Antifaschismus” zum Tabuwort erklärt und Studierenden die politische Organisation verwehrt wird, kann das Hochhalten des Erbes der Weißen Rose an der LMU nicht mehr ernst genommen werden. Es braucht deshalb eine organisierte antifaschistische Studierendenschaft, um sich dem Rechtsruck auch an den Universitäten entgegenzustellen. Wir müssen hierbei dem Beispiel unserer Kommiliton:innen in Berlin und Leipzig folgen, die sich unter dem Motto „Studis gegen Rechts”, hundertfach in Versammlungen organisierten. In diesem Sinne begrüßen wir die Initiative des Referats gegen Faschismus, dies ebenfalls in München zu tun und rufen dazu auf, sich dem Auftakttreffen anzuschließen.

Die Androhung eines Bußgeldes, weil Studierende politische Flyer an andere Studierende verteilt haben, sollte unserem demokratischen Verständnis widersprechen. Wir rufen deshalb alle Fachschaften auf, sich für politische Fachschaftsarbeit einzusetzen, die sich gegen solche Repressionen wehrt und die politische Freiheit von Studierenden beschützt. Die Universität muss wieder zu einem Ort werden, an dem wichtige gesellschaftliche Debatten stattfinden und Studierende sich zusammen mit den Beschäftigten der Universität politisch organisieren.

Als Studierende von Waffen der Kritik unterstützen wir im Sinne einer kämpferischen Studierendenschaft die Kandidatur von Leonie Lieb. Wir laden alle Interessierten dazu ein, sich gemeinsam mit uns gegen den Rechtsruck und die Repression zu organisieren und Teil der Kampagne für Leonie zu werden.

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