75 Jahre FU Berlin: Universität der Bosse oder befreite Universität

10.06.2023, Lesezeit 5 Min.
1
Foto: jo.schz / flickr.com

75 Jahre Freie Universität Berlin heißen 75 Jahre Kampf revolutionärer Studierenden gegen die herrschende Ideologie. Wir sehen uns als Teil dieser revolutionären Tradition.

„Unsere konzeptionelle Leitidee ist die Freiheit, die uns in unserem Namen bereits vorgegeben ist.“ So steht es auf der Website der Freien Universität Berlin. Angesichts ihres 75-jährigen Jubiläums hat sie ein neues Logo entwerfen lassen, das „den Gedanken der Freiräume, die im universitären Kontext immer wieder neu entstehen“, versinnbildlichen lassen sollen. Ob die FU damit den Umstand meint, dass sie einst ein Hotspot revolutionärer Kräfte war? Wohl kaum, doch gerade aus dieser Perspektive sollten wir auf die FU schauen.

Eine lange Geschichte revolutionärer Kämpfe an der Freien Universität

Ein wichtiger historischer Bezugspunkt linksradikaler Aktivitäten an den Universitäten in Deutschland stellt die 68er-Bewegung dar. Vor allem an der Freien Universität kam sie in Deutschland ins Rollen und bildete im Verlauf der Kämpfe ein wichtiges Zentrum. Im Zuge dieser lehnten sich die Studierenden gegen den Vietnamkrieg, die fehlende Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit und die konservative Politik Deutschlands, auch in Bezug auf das Hochschulwesen, auf. Als einer ihrer wichtigsten Figuren, Rudi Dutschke, der FU-Student war, am 11. April 1968 von einem Attentat getroffen wurde, breitete sich eine Studentenrevolte über das ganze Land aus. Hochschulen und öffentliche Plätze wurden belagert und blockiert, riesige Protestzüge zogen sich durch das Land, Fahrzeuge des Springer-Konzerns in Brand gesetzt. Die 68er-Bewegung bewies, welche fortschrittliche Rolle Studierende in der Lage sind, im antiimperialistischen Kampf einzunehmen.

Doch die Kämpfe an der Freien Universität gehen über die 68er-Bewegung hinaus: 1969 ergaben die Studierendenproteste die Abschaffung des traditionellen Ordinariensystems. Dieses sah bis dahin die Kontrolle über die Universität alleine in den Händen der Professor:innen vor.

Als linke Professor:innen aus ihrem Dienst suspendiert wurden, kam es im Wintersemester 1976/77 zum Streik von Studierenden an der FU. Dieser lief sodann auf andere Hochschulen und Einrichtungen, wie die Technische Universität (TU) über, weitere Streiks folgten an Hochschulen im gesamten Bundesgebiet Deutschlands.

Auch Ende der 80er kam es zu einem semesterlangen Streik durch Studierende an der FU, als Pläne zur Umgestaltung der Uni bekannt wurden. Diese Pläne sahen bspw. die Streichung bestimmter Studiengänge oder die Zusammenführung von Instituten vor. Im Rahmen dieser Proteste entstanden auch selbstorganisierte Projekttutorien unter dem Namen der „B*Freiten Universität“, welche sogar bis 2002 erhalten blieben. Diese Ansätze der selbstorganisierten Bildungsangebote sollten wir als Vorbild begreifen. Denn es ist vor allem auch ein ideologischer Kampf, den wir als Marxist:innen täglich an der Universität führen.

Der Ideologiekampf an der Universität

Die Universität dient als zentraler Ort der Ideologieproduktion für die herrschende Klasse. Sie ist ein Ort, der uns darauf vorbereiten soll, als gut ausgebildete Arbeitskräfte dem System zu dienen, in seinem Sinne zu forschen und neue Ideen zu entwickeln: Ideen, welche das bestehende System in seiner grundlegenden Klassenstruktur nicht angreifen. Es ist kein Wunder, dass vor allem postmoderne Theorien und Ansätze immer mehr Einzug an den Universitäten finden. Diese bezweifeln teilweise, dass es überhaupt noch so etwas wie eine Arbeiter:innenklasse gibt und laufen darauf hinaus uns einzureden, wir sollten die Realität bloß anders interpretieren, anstatt ihre materielle Grundlage zu verändern.

Rückzug oder Kampf?

Eine weitere Tendenz, die sich beobachten lässt, sind die Entpolitisierung und der Rückzug vieler linksradikaler Kräfte von der Universität. Vor allem innerhalb der autonomen Szene liegt oft eine gewisse pessimistische Grundhaltung und eine defensive Abneigung gegenüber der Universität vor. Viele Studierende trennen zwischen einem vermeintlich unpolitischen Studienalltag und einer Freizeit, in der sie sich politisch beschäftigen. Diese Trennung ist aber eine große Gefahr und tut nichts anderes, als der herrschenden Klasse den Rücken zu stärken. Es ist verständlich, dass der tägliche politische Kampf ermüdend sein kann und man den Universitäten eine Abneigung gegenüber empfindet. Gerade aber aus der Bewertung der Uni als Ort der Ideologieproduktion sollten wir nicht den Schluss des Rückzugs ziehen, sondern umso offener auch hier den politischen Kampf führen. Eben weil die Uni eine so wichtige Rolle für das System einnimmt, müssen wir uns auch an ihr organisieren und sowohl materielle als auch ideologische Kräfte für unseren Kampf sammeln. Dabei haben wir eine jahrzehntelange Geschichte der revolutionären Aktivitäten an der Freien Universität, auf die wir ermutigend zurückblicken können.

Aus diesem Grund haben wir die bundesweite marxistische Studierendengruppe Waffen der Kritik ins Leben gerufen. Wir sehen es uns als unsere Aufgabe an, die Universitäten als Stellungen im Klassenkampf zurückzuerobern. Dabei sehen wir es als zentral an, uns mit der Arbeiter:innenklasse verbinden. Sie ist es, die an den Hebeln für das Funktionieren des kapitalistischen Systems sitzt. Nur in dieser Verbindung können wir einen revolutionären Kampf führen, der das kapitalistische System als Ganzes in Frage stellt: Und damit auch die Rolle der Universitäten in ihr, um die Frage nach der Bildung neuer Ideen zu stellen, die wirklich das Leitprinzip der Freiheit tragen – nicht nur als Logo oder hohle Phrase im eigenen Namen.

Mehr zum Thema