5. Februar: Steht Frankreich ein Generalstreik in gelben Westen bevor?

02.02.2019, Lesezeit 7 Min.
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Die CGT ruft für kommenden Dienstag zu einem landesweiten Streik auf und bezieht sich erstmals explizit auf die Unzufriedenheit der Gelbwesten. Diese legen noch einen drauf und wollen ab diesem Tag einen „unbegrenzten Generalstreik“ beginnen. Auch wenn die tatsächliche Mobilisierung der Arbeiter*innen Frankreichs noch hinter diesem Anspruch zurück bleibt, könnte der 5. Februar ein Wendepunkt für die Protestbewegung werden.

Die CGT, eine der beiden größten französischen Gewerkschaften, kündigte bereits vor zwei Wochen an, am 5. Februar Streiks durchzuführen. Diese seien angesichts des „sozialen Notstands“ notwendig, den die Proteste der Gelbwesten sichtbar machen. Am Mittwoch präzisierte sie, dass es sich um einen „landesweiten Streik“ handeln soll und veröffentlichte eine erweiterte Liste von Forderungen:

  • Erhöhung des Mindestlohns um 20%, auf 1800 Euro brutto
  • Lohngleichheit von Männern und Frauen
  • Steuerreform: Ermäßigung der Mehrwertsteuer für lebensnotwendige Produkte, höhere Besteuerung der höchsten Einkommen und Wiedereinführung der Vermögenssteuer
  • öffentliche Gelder für Unternehmen müssen kontrolliert und an Bedingungen geknüpft werden
  • Ausbau des öffentlichen Dienstes
  • Achtung der Freiheitsrechte, insbesondere des Demonstrationsrechts, das von der Regierung in Frage gestellt wird
  • Stärkung der Arbeitslosen-Absicherung, der Sozialversicherung und insbesondere der Renten
  • ein gerechter und solidarischer ökologischer Wandel

Dieser Aufruf ist auch ein Resultat des Drucks der Basis der CGT auf ihre Führung. Letztere hatte zwei Monate lang versucht, die Bewegung der Gelbwesten zu ignorieren, während sich bereits viele Basis-Gewerschafter*innen den Protesten angeschlossen hatten. Der letzte Aktionstag am 14. Dezember entsprach eher einer Routine-Mobilisierung der Gewerkschaft – und im Aufruf wurde jeder direkte Bezug zu den Gelbwesten vermieden.

Die CGT steht der kommunistischen Partei (PCF) nahe und ist traditionell kämpferischer als alle anderen großen Gewerkschaften. Doch auch sie hat sich über Jahrzehnte mehr und mehr der sozialpartnerschaftlichen Logik angepasst und wirkt immer wieder bremsend auf ihre kämpferische Basis ein. Der CGT-Vorsitzende Martinez war noch im Dezember der Einladung Macrons in den Elysée-Palast gefolgt, um dort mit der Regierung und anderen Gewerkschaftsbossen über Maßnahmen zur Befriedung der Proteste zu diskutieren. Im Anschluss unterschrieb er einen Appel, der zum „sozialen Dialog“ aufrief und sich damit auf der Seite der Regierung und gegen die radikalen Proteste positionierte. Andere Gewerkschaften wie die CFDT bleiben auch weiter ihrem Pro-Regierungskurs treu und beteiligen sich offiziell nicht an den landesweiten Streiks. Lediglich der kleinere, linke Gewerkschaftsverband Solidaires (SUD), der unter anderem mit den Eisenbahner*innen der SNCF einen wichtigen Sektor organisiert, hat den Aufruf der CGT aufgegriffen und zusätzlich zu einer Verlängerung des Streiks in den Tagen nach dem 5. Februar aufgerufen.

Gelbwesten auf der Suche nach neuen Methoden

Die Bewegung der „Gilets Jaunes“ zeichnet gerade aus, dass sie den „sozialen Dialog“ ablehnen, der von den Herrschenden gefordert wird. Sie setzen nicht einfach ihre Proteste aus, damit einzelne Vertreter*innen mit der Regierung verhandeln können. Doch trotz all ihrer Radikalität, mit der sie dem französischen Staat die schwerste Krise seit 1968 bereiten, konnten sie Macron bisher nur kleine Zugeständnisse abringen. Selbst das hat vor ihnen noch niemand geschafft – aber nach zweieinhalb Monaten kontinuierlicher Demonstrationen stellt sich die Frage, mit welchen Methoden der Druck auf die Regierung noch erhöht werden kann. Eine aktuelle Antwort darauf geben die Aufrufe verschiedener Gelbwesten, sowohl von prominenten Individuen als auch von verschiedenen lokalen Versammlungen. So heißt es im Appell der Gelbwesten von Rouen:

Daher fordern wir alle französischen Bürger – Arbeitnehmer, Leiharbeiter, Beamte, Handwerker, Kaufleute, Unternehmer, Landwirte, Arbeitslose, Rentner, Freiberufler, Studenten, Gymnasiasten, Künstler, Intellektuelle – auf, sich ab dem 5. Februar 2019 zu mobilisieren:
Für den unbefristeten Generalstreik!

Einen ähnlichen Aufruf für einen Generalstreik hat auch Eric Drouet über Facebook verbreitet, einer der bekanntesten Köpfe der Gelbwesten. Diese Aufrufe vermeiden zwar wiederum eine direkte Ansprache der Gewerkschaften, doch sie zeigen deutlich, dass die Methoden und Ideen der Arbeiter*innenklasse einen Einfluss auf die Bewegung haben. Gleichzeitig ist nicht zu übersehen, dass es weiterhin Widersprüche und Unklarheiten in Bezug auf diese Methoden gibt. So richtet sich der Appell aus Rouen auch an „Kaufleute, Unternehmer, Landwirte“, ganz unabhängig davon, ob diese zu den Mittelklassen gehören (die bestenfalls für soziale Verbesserungen der Massen gewonnen werden können) oder zur Bourgeoisie.

Sie unterschätzen auch die politischen und organisatorischen Anstrengungen, die ein Generalstreik voraussetzt. Es ist eben nicht nur die individuelle Entscheidung von tausenden Menschen, spontan ihre Arbeit niederzulegen. Stattdessen braucht es starke Organisationen, die alle Streikwilligen sammeln und ihnen die nötige kollektive Kraft geben, sich gegen den Willen ihrer Bosse und der Regierung in den Ausstand zu begeben. Es braucht also Gewerkschaften, die jedoch bei vielen Gelbwesten keinen guten Ruf haben und deren Führungen bisher kaum etwas tun, um das zu ändern.

Welche Forderungen für den Generalstreik?

Zehntausende Menschen aus der Arbeiter*innenklasse sind bereits Teil der Bewegung, die seit Mitte November der Regierung Macrons die Stirn bietet. Doch es sind mehrheitlich nicht-organisierte Arbeiter*innen, Arbeitslose und Rentner*innen, die kein Teil gewerkschaftlicher Strukturen sind. Doch ohne die organisierten Sektoren der Arbeiter*innenklasse wird der Kampf um höhere Löhne, bessere Renten und für eine Demokratisierung der französischen Institutionen nicht zu gewinnen sein.

In diesem Sinne werfen auch die Organisationen der radikalen Linken ihr Gewicht in die Waagschale, um den Generalstreik und die Verbindung der Gelbwesten mit dem organisierten Proletariat Realität werden zu lassen. So rief Olivier Besancenot, Co-Sprecher der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA), im französischen Fernsehen zum unbefristeten Generalstreik ab dem 5. Februar auf. Jean-Luc Mélenchon sprach sich ebenfalls für eine Unterstützung, zumindest eines eintägigen Generalstreiks, durch seine Bewegung „La France Insoumise“ aus. Schließlich zog auch Nathalie Arthaud nach, Anführerin und ehemalige Präsidentschaftskandidatin von Lutte Ouvrière, der größten trotzkistischen Organisation des Landes.

Angesichts des gewaltigen Potenzials, das ein solcher Generalstreik in sich birgt, der die Radikalität der Gelbwesten mit der Kraft des organisierten Proletariats verbindet, müssen die radikale Linke, aber auch die fortgeschrittensten Teile der Gelbwesten-Bewegung und die organisierten Arbeiter*innen mit und ohne gelbe Weste alles daran setzen, so viele Kolleg*innen wie möglich in diesen Streik zu ziehen. Die Zurückhaltung der CGT-Führung muss mit einer umso stärkeren Mobilisierung in den Betrieben beantwortet werden. Zu diesem Zweck braucht es auch weiter reichende Forderungen, als die des offiziellen Aufrufs der CGT.

Die allgemeine Erhöhung der Löhne und Renten muss zusätzlich an die Inflation gekoppelt werden, damit die dringend benötigten und wohlverdienten Mehreinnahmen der Arbeiter*innen nicht in wenigen Monaten von der allgemeinen Erhöhung der Preise aufgefressen werden, wie es nach 68 in Frankreich der Fall war. Es braucht nicht nur eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer für Reiche, sondern auch eine höhere direkte Besteuerung des Kapitals der großen Unternehmen und multinationalen Konzerne. Um die Arbeitslosigkeit einzudämmen und gleichzeitig den starken Arbeitsdruck zu senken, ist es notwendig, das Ende prekärer Verträge, das Verbot von Entlassungen sowie Neueinstellungen im privaten und öffentlichen Sektor zusammen mit einer drastischen Verkürzung der Arbeitszeit zu fordern. Gerade die Frage der Prekarität ist eine, die fast alle Sektoren der aktuellen Bewegung miteinander verbindet. Und selbst wenn diese Forderungen nicht allein dafür sorgen können, dass bereits am fünften Februar hunderttausende Arbeiter*innen in einen Generalstreik treten, so kann ein Arbeitskampf unter diesen Vorzeichen doch den „revolutionären Geist“ der Gelbwesten in die Betriebe tragen.

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