30 Tage Streik bei Total in Frankreich – revolutionäre Sozialist:innen an vorderster Front
Seit 30 Tagen streiken die Arbeiter:innen von Total in der Nähe von Paris. Adrien Cornet ist einer der Anführer:innen des Streiks – er ist Raffineriearbeiter, revolutionärer Sozialist und Aktivist der NPA und Révolution Permanente, der Schwesterseite von Klasse Gegen Klasse.
Seit dem 4. Januar streiken die Arbeiter:innen der Total-Raffinerie in Grandpuits im Département Seine-et-Marne bei Paris gegen den multinationalen Ölkonzern. Der Kampf „David gegen Goliath“, wie die Arbeiter:innen dort selbst gern sagen, richtet sich gegen die Pläne der Entlassung von hunderten Total-Arbeiter:innen und hunderten weiteren Leiharbeiter:innen.
Woche für Woche stimmen die Streikenden in einer Vollversammlung über die Fortführung des Streiks ab. Nach 30 Tagen ist die Entschlossenheit weiterhin stark. Das hängt auch mit der wachsenden Solidarität zusammen. Am heutigen Mittwoch konnte die Streikbewegung dem Ölriesen Total einen neuen Schlag verpassen: ein 48-stündiger Streik aller Total-Raffinerien in ganz Frankreich, um den Druck auf den Konzern zu erhöhen und nicht nur Solidarität mit den Streikenden von Grandpuits zu zeigen, sondern auch den Kampf für die Verteidigung der Arbeitsplätze im ganzen Konzern zu führen.
Diese Unterstützung kommt gerade richtig, denn der Streik geht in die entscheidende Phase. Am 9. Februar wird das Management zu den Zukunftsplänen der Raffinerie Bericht erstatten. Bis dahin werden die Streikenden den Druck weiter erhöhen, mit einer Demonstration am 4. Februar, einer Streikpostenkette am 7. Februar und einer Kundgebung vor dem Total-Sitz am 9. Februar.
Dass der 48-stündige Solidaritätsstreik zustande gekommen ist, ist auch dem Einsatz der Streikenden selbst zu verdanken, darunter Adrien Cornet, Delegierter der Gewerkschaft CGT in der Raffinerie. In den letzten Tagen fuhr er mit einem Team von Streikenden zu verschiedenen Raffinerien im ganzen Land, um für Unterstützung zu werben. Bei der Streikversammlung am heutigen Mittwoch konnte er stolz von den Streikzahlen berichten: „Normandie 50% in der Raffination und 40% in der Petrochemie, Flandern 100%, La Mède 40%, Feyzin 100% in der Raffination, 60% in der Petrochemie und 70% in der Schifffahrt.“
Die wichtige Rolle, die Adrien Cornet als Sprecher der Streikenden selbst spielt, wird dabei auch von den bürgerlichen Medien anerkannt. So erschien vergangene Woche in der Zeitung Le Parisien ein Porträt über den jungen Arbeiter:innenführer, der nicht nur Gewerkschafter ist, sondern auch Mitglied der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) und Aktivist von Révolution Permanente, der Schwesterseite von Klasse Gegen Klasse in Frankreich. Figuren wie Adrien zeigen, welche Rolle revolutionäre Sozialist:innen in den Auseinandersetzungen zwischen den Klassen spielen können, und wie ein revolutionäres Programm tief in die „schweren Bataillone“ unserer Klasse eingreifen kann.
In den kommenden Tagen könnt ihr euch auf ein Interview mit Adrien freuen, um mehr über den Streik und die Rolle der Revolutionär:innen zu erfahren. Bis dahin präsentieren wir euch im Folgenden das Porträt aus Le Parisien über Adrien.
„Ich beiße nur die Bosse“: Adrien Cornet, Figur des sozialen Kampfes der Total-Raffinerie Grandpuits
In sozialen Netzwerken und vor den Kameras ist er der wichtigste Sprecher der Streikbewegung bei Total in Grandpuits. Wer ist der CGT-Delegierte Adrien Cornet?
Von Sébastien Blondé, Le Parisien, 27. Januar 2021
Er verkörpert den Kampf der streikenden Arbeiter:innen der Raffinerie Grandpuits gegen das Management des Ölriesen Total seit Ende September: Adrien Cornet, 33, ist Delegierter für die Gewerkschaft CGT am Standort mit 450 Festangestellten. Er versichert, dass er einer der 300 sein wird, die nach dem Plan zur Sicherung der Arbeitsplätze (PSE) der Geschäftsführung übrig bleiben werden. Nach drei Jahren Arbeit soll aus der einzigen Raffinerie in der Region Ile-de-France, die 1966 erbaut wurde, im Jahr 2024 eine Anlage für Biokraftstoffe und recycelte Kunststoffe entstehen, die Total als Symbol für seinen ökologischen Wandel präsentiert.
Als Sicherheitsbeauftragter, Brandmeister und damit Feuerwehrmann am Standort, weist der Vater zweier kleiner Kinder auf die „Löcher im Getriebe“ der Organisation der zukünftigen Fabrik hin. Das Management hingegen beschreibt die Pläne als „robust“. „Aber wer geht schon mit Leuten in die Schlacht, die nicht wissen, wie man einen LKW startet“, betont er. Das ist er. Als stolzer Arbeiter spricht dieser Bewohner von Avon, ein ehemaliger Feuerwehrmann aus Paris, oft über die verschwindenden Arbeitsplätze für die jungen Leute des Départements 77. Wie er selbst.
„Ich war Brandschutzbeauftragter und verdiente 1.300 Euro im Monat, als jemand zu mir sagte: ‚Bewirb dich bei der Raffinerie, die suchen Leute‘. Es war eine Chance für mich, der Prekarität zu entkommen“, erklärt der Mann, der 2009 eingestellt wurde.
Im Alter von zwei Jahren in Seine-et-Marne angekommen, wuchs Adrien Cornet zunächst zwischen Fontenailles und Nangis auf. Dann zwischen Misy-sur-Yonne und Montereau, wo er die Realschule und anschließend das Gymnasium besuchte, in den Höhen des Stadtteils Surville.
Der Sohn eines Lehrers und einer leitenden Bildungsberaterin – „Arbeiter:innen im nationalen Bildungssystem“, wie er sagt – hat von ihnen seine „Aufgeschlossenheit“ geerbt. Er sagt, dass er eine Leidenschaft für Geschichte und Philosophie hat, auch wenn er nicht „20.000 Bücher im Monat“ liest. „Ich habe einige gelesen“, sagt er.
Revolutionäre Kämpfe, wie in Südamerika in der Vergangenheit, sprechen ihn an. Sie haben ihn sogar „getroffen“, wie er sagt, wie einige der France-Inter-Sendungen, die er im Auto seines Vaters hörte. „Geschichte nährt“, sagt er. „Es gibt den Kolleg:innen starke Argumente an die Hand, den Kopf zu heben.“
Andere zu verteidigen, eine Berufung? Im Alter von 14 Jahren, im Kostüm des Klassensprechers, kümmerte er sich bereits um seine Mitschüler:innen. „Ich ging hinaus, um Betroffenheit zu erzeugen und erklärte die Schwierigkeiten einiger Leute zu Hause“, erinnert er sich. Diese Methode beruht auf Emotionen, und er nimmt sie immer noch für sich in Anspruch.
Gegenüber Total, dem er „Greenwashing“ unter dem Deckmantel der Verlagerung von Raffinerien in Länder mit niedrigeren Sozial- und Umweltstandards vorwirft, versucht Adrien Cornet, die Sichtbarkeit des Streiks hervorzuheben, der diese Ecke von Brie erschüttert. In sozialen Netzwerken und manchmal auch persönlich gehört er zu denen, die gegen Stellenabbau oder gewerkschaftliche Repression kämpfen. Er exponiert sich, um Grandpuits zum Reden zu bringen.
„Er ist sich dessen sehr bewusst“, bewundert David Picoron, CGT-Delegierter mit ein wenig mehr Erfahrung. „Ich habe ihn sechs Jahre lang bezahlt“, erklärt der 50-Jährige, weit entfernt von internen Beförderungen.
„Für mich verkörpert Adrien, was die Jugend von morgen sein sollte. Ihm ist bewusst geworden, welchen Einfluss die Bosse auf die Zukunft der jungen Menschen haben und dass wir ohne den Aufbau von Kräfteverhältnissen, ohne einen echten Kampf der Arbeiter:innen, nicht weiterkommen werden.“
„Er ist ein Anführer“
An diesem Donnerstag (28. Januar) soll in der Raffinerie die lokale Sitzung des Sozial- und Wirtschaftsrates (CSE) des Unternehmens stattfinden. Die „zentrale“ Sitzung fand in den vorangegangen zwei Tagen im Total Tower statt, dem Hauptsitz des Unternehmens im Viertel La Défense in Paris. Man kann sich vorstellen, dass Adrien Cornet sich darauf vorbereitet, wieder mit dem Management in Kontakt zu treten, der ehemalige Rugbyspieler des Vereins Provins, für den der Begriff „kollektiver Kampfsport“ eine echte Bedeutung hat.
Er sieht eine Parallele zum Gewerkschaftswesen, „in der Aufopferung“ und im „Dienst am anderen“. In der Streikpostenkette, die seit dem 4. Januar steht, spricht er wie ein Kapitän vor einem Spiel. Er motiviert, bringt die Emotionen auf den Punkt und zeigt auch mal die Zähne. „Er ist ein Anführer“, sagt Patrick Masson von der UD CGT.
„Wir haben nicht zum Spaß am Feuer gesessen! Warum radikalisieren wir uns? Weil das Management radikal ist“, erinnerte sich Adrien Cornet kürzlich. „Wer wird hier 20 oder 30 Jahre lang bleiben? Wir sind es!“ Bei ihm kriegen der Kapitalismus und die Chefs ihr Fett weg. „Ich beiße nur den Boss“, sagte er auch zu Kolleg:innen, die zögerten, sich bei Streikversammlungen zu äußern.
Seine politischen Überzeugungen sind in den sozialen Netzwerken sichtbar. Er hat kein Problem damit. Andere in der lokalen Politik halten ihn dagegen für „zu rot“. Das stünde zur Diskussion.
„Wenn die Bosse in die Politik gehen, wenn Patrick Pouyanné (Anm. d. Red.: der Chef von Total) der Stabschef von François Fillon ist, dann stört das niemanden. Wenn die Arbeiter:innen das tun, stört das alle“, sagt er.
„Rot bedeutet nichts“, kommentiert er. „Wenn es darum geht, auf der Seite der Arbeiter zu stehen, dann ja, ich bin rot. Es ist nur ein Angriff, um mich zu dämonisieren. »
Innerhalb von Total wird Adrien Cornet nachgesagt, dass er in dieser Bewegung seine „zukünftige nationale Karte bei der CGT“ ausspielt. Er weist jegliche Ambitionen in diese Richtung zurück. „Für mich besteht das Interesse, in einer Gewerkschaft zu sein, nicht darin, im Dienst der Maschine zu stehen, sondern im Dienst der Arbeiter:innen, so nah wie möglich an ihnen“, antwortet er. „Wenn man ein heikles Manöver am Standort macht, kriegt man die Wut direkt ab. Wenn man ein Bürokrat ist, fern von der Arbeit, sieht man die Schwierigkeiten gar nicht mehr, weil man sie selbst nicht sieht. Der Einstieg in die CGT-Maschine ist überhaupt nicht mein Projekt. Die Zeit wird es beweisen.“