28. März: Wieder Millionen auf der Straße: „Dialog“ mit Macron oder Radikalisierung des Streiks?

28.03.2023, Lesezeit 10 Min.
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Foto: O Phil Des Contrastes

Macron hat Paris militarisiert, und die Polizei hat die Demonstrationen in den Großstädten stark eingeschränkt, um Bilder von Menschenmassen auf den Straßen zu vermeiden. Dennoch demonstrierten nach Angaben der Gewerkschaften rund 450.000 Menschen in Paris und 2 Millionen im ganzen Land. Die Gewerkschaftsführungen riefen zu einer "Pause" bei den Protesten und zum Dialog auf, während Macron mit Repressionen und Zwangsverpflichtungen fortfährt. Aber auch die Solidarität mit den Streikenden und die Beteiligung der Jugend an den Protesten nimmt zu.

Frankreich: Wieder Millionen auf der Straße: „Dialog“ mit Macron oder Radikalisierung des Streiks?

Am Dienstag, den 28. März, erlebte Frankreich einen neuen nationalen Tag der Demonstrationen und Streiks gegen Macrons Rentenreform. Nach Angaben der Gewerkschaften demonstrierten landesweit etwa 2 Millionen Menschen, allein 450.000 in Paris. Die Zahl ist etwas geringer als am vergangenen Donnerstag, und die Proteste wurden von einer massiven Militarisierung begleitet. In mehreren Städten endeten die Proteste mit starker Polizeirepression.

Die Gewerkschaftsführungen bestehen darauf, die Proteste zu pausieren und sich an einen Tisch zu setzen, um mit der Regierung zu verhandeln, während Macron eine Politik der starken Repression und der Zwangsverpflichtungen gegen die streikenden Arbeiter:innen beibehält.

Die Demonstrationen vom heutigen Dienstag zeichneten sich durch eine hohe Beteiligung junger Menschen aus. Die Schüler:innen und Studierenden prangern nicht nur Macrons Dekret zur Verabschiedung der Rentenreform an, sondern auch die brutale Repression der Polizei.

Das einzige Gegengewicht zu dieser Regierungspolitik sind Solidaritätsaktionen, wie die des Netzwerks für den Generalstreik, das überall dort mobilisiert, wo es einen verlängerbaren Streik gibt, die Streikpostenketten verstärkt, wie in den Raffinerien und Müllverbrennungsanlagen, und die Blockade der Anlagen aufrecht erhält.

28. März: Keine „Pause“, kein Kompromiss mit Macron: Organisieren wir uns an der Basis für den Generalstreik!

Am 23. März verband sich die Radikalität, die man seit der autoritären Durchsetzung der Rentenreform per Verfassungsdekret 49.3 auf den Straßen und in den Streiks gesehen hatte, mit einer historischen Massivität. So waren die rekordverdächtigen Demonstrationszüge von Tendenzen geprägt, über die gesetzten Rahmen hinauszugehen: Die von der Intersyndicale (Koordinierung der Gewerkschaftsführungen) festgelegten Routen wurden verlassen und gingen in Autobahnblockaden oder wilde Demonstrationen über, wie in Chambéry, Metz, Lyon, Le Havre oder Guéret.

Während sich das Regime in einer tiefen Krise befindet und Macron nicht weiß, wie er weiter regieren soll, werden die verlängerbaren Streiks in Sektoren wie der Petrochemie oder der Energiewirtschaft fortgesetzt und die Mobilisierung der Jugend beginnt sich zu vergrößern. All diese Elemente zeichnen einen vorrevolutionären Moment, der wichtige Perspektiven für die Massenbewegung eröffnet.

Auf der anderen Seite will Macron die Mobilisierung durch Terror und autoritäre Maßnahmen brechen. Das harte Durchgreifen am Wochenende in Sainte-Soline, nach dem ein Demonstrant immer noch zwischen Leben und Tod schwebt, gehört ebenso zu diesem Bild wie die Zwangsverpflichtung von Streikenden. In diesem Rahmen gibt es dringende Aufgaben zu lösen: den Streik ausweiten, die Sektoren im verlängerbaren Streik unterstützen, uns gegen die Zwangsverpflichtungen stellen und Solidarität angesichts der Polizeirepression organisieren.

Die derzeitige Führung der Bewegung weigert sich, auf diese Herausforderungen zu reagieren. Während der Chef der sozialdemokratischen CFDT-Gewerkschaftsföderation, Laurent Berger, die Regierung dazu aufruft, die Rentenreform zu „pausieren“ – und damit die Forderung nach Rücknahme der Reform aufgibt –, wedelt die Intersyndicale mit institutionellen Lösungen wie einem Referendum oder dem Verfassungsrat… Mit Macron und dem Regime ist kein Kompromiss möglich, die einzige Perspektive für einen Sieg ist die Verallgemeinerung des Streiks!

Dafür ist es dringend notwendig, sich an der Basis zu organisieren. Am Freitag zeigte das Netzwerk für den Generalstreik, wie das gelingen kann, indem es 160 Arbeiter:innen und Studierende aus Solidarität gegen die Zwangsverpflichtungen zur Raffinerie in der Normandie brachte. Diesen Montag mobilisierte es zur Müllverbrennungsanlage in Ivry. Ebenso organisieren kämpferische lokale Gewerkschaftssektionen, branchenübergreifende Koordinierungen oder Vollversammlungen Blockaden und Solidaritätsaktionen.

Um diese Initiativen überall im Land zu vervielfachen, brauchen wir gemeinsame Organisationsrahmen, Aktionskomitees für den Generalstreik, die all diejenigen vereinen, die von der Notwendigkeit überzeugt sind, unsere Bewegung in die eigenen Hände zu nehmen. Sie aufzubauen muss die Priorität der kommenden Tage sein.

Die Situation ist offener denn je, gehen wir in die Gegenoffensive!

Live-Ticker für Dienstag, den 28. März

An dieser Stelle werden wir den Live-Ticker für den großen Streik- und Aktionstag am Dienstag mehrmals täglich aktualisieren.

28. März 19:47 Uhr

Nach dem Aufruf, die Reform „auf Eis zu legen“, fordert die Intersyndicale nun eine „Vermittlung“. Ein Vorschlag, der symbolisch für die Strategie der Niederlage der Intersyndicale steht. Es ist dringend notwendig, dass wir uns an der Basis organisieren!

28. März 18:26 Uhr

Paris. Wasserwerfer, CRS, BRAV-M… auf dem Place de la Nation hält sich die Polizei bereit, um die Demonstration zu empfangen.

28. März 17:32 Uhr

Bordeaux. Großes Polizeiaufgebot auf dem Place de la Victoire, die CRS rücken in Richtung der besetzten Universität vor.

Hunderte von Menschen, die sich vor der Universität versammelt haben, rufen den CRS zu: „verpisst euch“, „Ihr könnt nicht in die Universität eindringen“.

Bordeaux. Polizeirepression vor der besetzten Universität, CRS beschießen den Place de la Victoire mit Tränengas und dringen mit Tränengas in die Universität ein.

28. März 16:44 Uhr

Repression in Toulouse, die Polizei teilt die Demonstrationszüge in zwei Teile, indem sie den Frontblock vom Gewerkschaftszug isoliert, mit Wasserwerfern, Tränengas.

Lyon. Starke Repression, während die Demonstration fast am Ende ihrer Route angekommen ist. Massive Angriffe mit Tränengas, Wasserwerfer und polizeilichen Attacken.

28. März 16:25 Uhr

Bordeaux. „Wir haben eine Demonstration mit mehr als 80.000 Menschen nach Angaben der Gewerkschaft beendet, dann ist eine wilde Demonstration mit mehreren tausend Menschen losgegangen. Die Polizeirepression ist enorm, mit Tränengas und LBD“, Petra von @LePoingLeveBdx

📢 „Macron führt Krieg gegen uns und seine Polizei auch“ 🎶

🔥 Aufgeheizte Stimmung im riesigen Umzug von Studierenden, Schüler: innen und Auszubildenden aus Toulouse!

In Donges wurde das SFDM-Öldepot erneut blockiert, nachdem es vor einer Woche geräumt worden war

28. März 15:20 Uhr

Hunderttausende Menschen versammeln sich auf den Straßen von Paris. Im Vordergrund versammeln sich viele junge Menschen in den schulübergreifenden und fakultätsübergreifenden Blöcken!

In Lyon bildete sich in der Demonstration ein großer Frontblock mit vielen Jugendlichen. Die Slogans und Plakate drückten Abscheu und Wut über die extreme und massive Polizeigewalt der letzten Tage aus.

500 Menschen blockieren den Bahnhof Saint-Charles in Marseille.

Rennes. Die Polizei versucht, die Demonstration in zwei Teile zu spalten, indem sie die Prozession in Richtung République mit Wasserwerfern angreift. Demonstrant:innen lassen sich nicht einschüchtern

28. März 12:30 Uhr

Die Eisenbahner:innen in Châtillon, die seit dem 21. März streiken, wurden heute Morgen auf ihrem Streikposten von Unterstützer:innen des Netzwerks für einen Generalstreik erreicht. In der Vollversammlung stimmten sie für die Verlängerung des Streiks und rufen dazu auf, den Streik angesichts der Repression zu verschärfen.

Marseille. „Allez la grève!“ Gute Stimmung und Entschlossenheit im Demonstrationszug der CGT Energie. Sechs Gewerkschafter:innem waren am 16. März festgenommen worden. Seitdem wurden sie freigelassen, einige von ihnen tragen heute eine elektronische Fußfessel.

Marseille. Die Putzkräfte des Interhotels und ihre Unterstützer:innen versammeln sich heute Morgen vor dem Luxushotel Radisson gegen die Rentenreform, aber auch für ihre Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen.

28. März 11:45 Uhr

Am Gare de Lyon sind Eisenbahner:innen aus mehreren Pariser Bahnhöfen versammelt und zeigen Transparente mit der Aufschrift „Die Polizei verstümmelt, wir vergeben nicht“ und „Weder Vergessen noch Vergeben“ zu Ehren ihres Kollegen, der durch die Polizei ein Auge verloren hat.

Paris. Am Gare de Lyon beginnen viele Eisenbahner:innen, sich zu ihrer Vollversammlung zu versammeln

In Le Havre startet die Demonstration mit mehreren Tausend Hafenarbeiter:innen und Zehntausenden Demonstrant:innen.

Heute Morgen drückten 200 Eisenbahner:innen bei einer Vollversammlung im Technikzentrum Sud-Wst Européen ihre Solidarität mit Sébastien, ihrem Kollegen, der bei der Demonstration am vergangenen Donnerstag ein Auge verloren hat worden war, und ihre Wut über die Repression der Polizei aus.

28. März 10:05 Uhr

Bei der Müllverbrennungsanlage in Ivry halten die Streikenden und ihre Unterstützer:innen den Standort weiterhin besetzt. Trotz des Polizeieinsatzes am vergangenen Freitag und der Zwangsverpflichtungen hält die Besetzung an.

28. März 9:50 Uhr

Paris. Bei der Müllverbrennungsanlage in Issy steht der Streikposten. In der Garage Victor Hugo in Ivry blockieren die Unterstützer:innen der Streikenden die Ausfahrt. Obwohl die Tour um 6.30 Uhr beginnen sollte, sind die meisten Lkw noch nicht ausgefahren. In Aubervilliers ist die Blockade nun filtrierend.

Turgot, Balzac, Lamartine… In Paris ist die Wut unter den Schüler:innen ungebrochen. Mehrere Schulen wurden erneut blockiert

Rouen. „Wir befinden uns seit 21 Tagen in einem verlängerbaren Streik gegen die Rentenreform, und wir werden nicht locker lassen, wir werden bis zum Ende gehen!“ David Lepennetier, Eisenbahner und Mitglied der Gewerkschaft Sud-Rail

https://twitter.com/RevPermanente/status/1640606446260744194?t=3QZqYMCNHYOSXeTqidyyow&s=19

Châtillon. Viele Menschen versammelten sich am Streikposten des Technikzentrums der SNCF (Eisenbahn) in Châtillon, das nach dem 49.3-Dekret in einen wilden Streik getreten war. Der Streik wirkt sich stark auf den Verkehr aus, da die TGVs auf der Atlantikachse massiv gestrichen wurden.

Aubervilliers. 200 Menschen stehen vor der Garage für Müllcontainer, um die Müllarbeiter:innen zu unterstützen. Die Polizei ist in großer Zahl anwesend, um die Blockade zu lösen, aber die entschlossenen Unterstützer: innen halten die Stellung. Gestern wurden 5 Personen unterdrückt und verletzt.

28. März 8:28 Uhr

„Wir werden bis zum Rückzug der Reform streiken. Unser Eisenbahnerkollege Sébastien hat durch die Polizei ein Auge verloren, das können wir nicht durchgehen lassen“, erklärt Clément heute Morgen am Streikposten des Technikzentrums in Châtillon, zahlreiche Unterstützer:innen sind anwesend.

Paris. Seit 5 Uhr morgens halten etwa 20 Personen, Streikende und Unterstützer:innen, einen Streikposten auf dem RATP-Busdepot in Flandern.

Zur Vorbeugung parkt die Polizei mit fünf Fahrzeugen und etwa zwanzig Polizist:innen, um eine Blockade zu verhindern!

Rouen. Etwa 50 Eisenbahner:innen betreiben seit 6 Uhr morgens eine filtrierende Straßensperre am Bahnhof. Studierende der Universität sind zur Unterstützung gekommen!

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