21.500 Neuinfektionen und über 200.000 aktive Fälle, aber keine Lösung in Sicht?
Während die Bundesregierung hauptsächlich im Privaten Einschränkungen vorschreibt, steigen die Zahlen dramatisch. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete, dass sich am gestrigen Donnerstag mehr als 21.500 Menschen mit Covid-19 infiziert haben. Die Zahl der aktiven Fälle steigt damit auf über 200.000 Fälle – das Dreifache des Höhepunkts der ersten Welle. Die Lage in den Schulen, Unis und Betrieben ist dramatisch.
Die Zahl der Corona-Infizierten steigt Tag für Tag dramatisch an: 205.000 aktive Fälle vermeldete das RKI am Donnerstag. Auch der sogenannte R-Wert – ein Indikator für die Reproduktionszahl, sprich wie stark der Virus sich verbreitet – ist nicht so gering wie nötig. Um eine kontrollierbare Lage zu erreichen, muss der Wert für längere Zeit deutlich unter 1 liegen, um die Welle wirklich abzuflachen sogar bei 0,7 oder weniger. Zehn infizierte Personen dürfen also maximal sieben neue Personen anstecken, damit die Welle wirklich abflacht. Am Donnerstagabend war er zwar bei 0,79, aber das reicht nicht aus.
Auch Zahl der Intensivbetten fällt dramatisch
Auch die Zahl der freien Intensivbetten ist dramatisch gesunken. Vor drei Wochen (19.10.) waren noch über 7.500 „High-Care-Betten“ verfügbar, mittlerweile sind es nur noch 5.279. Die reale Zahl der Betten, die tatsächlich betreut werden können, liegt aber noch darunter: Es ist nämlich nicht genug Personal vorhanden, um alle Betten zu betreuen. Sind die Betten ausgeschöpft, kommt es zu einem Kollaps des Gesundheitssystems und Menschen sterben ohne würdige medizinische Betreuung. Dass die zweite Welle kommen würde, war klar, aber dass die Bundesregierung und die Wirtschaft lieber Autos gebaut und Profite gemacht haben, anstatt Betten und Atemschutzmasken zu produzieren, ist skandalös.
Auch die Testkapazitäten reichen nicht aus. „Um alle Personen mit Erkältungssymptomen zu testen, müssten wir wöchentlich mehr als drei Millionen Tests durchführen“, sagte Prof. Dr. Lars Schaade vom Robert-Koch-Institut. Mehr als 1,4 Millionen PCR-Tests wurden in der vergangenen Woche in Deutschland durchgeführt. Eine krasse Differenz. Doch die Antwort von Regierung und Kapital auf die unzureichenden Kapazitäten ist nicht, eine Umstellung der Wirtschaft samt massivem Ausbau der Testkapazitäten voran zu treiben. Stattdessen soll ab jetzt nur noch getestet werden, wenn die symptomatische Person schweren Husten, Fieber, Atemnot, Störungen des Geruchs- oder Geschmackssinns aufweist, wenn sie oder ihre Kontaktpersonen aus den Risikogruppen stammen oder die Wahrscheinlichkeit, dass die Person dem Virus ausgesetzt war, hoch ist.
Auch private Firmen, die Schnelltests mit 98% Genauigkeit anbieten, haben ihre Preise dramatisch angezogen. In Berlin stiegen die Preise teilweise von 60€/Test auf über 150€/Test. Armen Menschen wird es also nochmal schwerer gemacht, sich testen zu lassen. Die Profite der Unternehmen stehen über der Gesundheit von Millionen Menschen in Deutschland. So wird auch die Zwei-Klassen-Medizin verschärft.
Infektionsschutzgesetz der Regierung
Es wird also an Personal, Betten und Tests gespart, was dramatische Folgen haben kann, und es braucht dringend Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Die Bundesregierung diskutiert angespannt darüber. Mehrere Jurist:innen warnen schon vor Angriff auf die Grundrechte. Die aktuelle Antwort ist ein Teil-Lockdown. In der kommenden Novellierung des Infektionsschutzgesetzes sollen vor allem Kontaktbeschränkungen und Abstandsgebote oder Maskenpflicht im öffentlichen Raum beschlossen werden. Auch, wenn Kontakte im Privaten natürlich minimiert werden müssen, wird nicht darüber diskutiert, dass die Wirtschaft weiter Profite scheffeln darf. Schaut man auf die großen Infektionsherde und Superspreader der vergangenen Monate, dann finden sich darunter auch Großbetriebe. Über 1.500 Arbeiter*innen des Schlachtbetriebes Tönnies in Gütersloh haben sich im Juni infiziert. Es braucht also dringend Einschränkungen und Sicherheitsmaßnahmen in der Wirtschaft. Doch das Leben der Arbeiter:innen ist ihnen weniger Wert als die nächste Millionen auf dem Konto von Bahlsen, Bezos und Benko.
90% der Fälle sind laut Berliner Gesundheitssenatorin Kalayci nicht mehr nachvollziehbar. Es ist also unmöglich zu sagen, wie viel Fälle durch Infektionen im Privaten und wie viele in Betrieben zu Stande kommen. Natürlich dürfen wir nicht den Fehler machen, private Fälle klein zu reden, aber es gibt ein massiv verzerrtes Bild in den Medien über private Fälle. In Gesundheitsämtern gibt es einen massiven Personalmangel, der dies auch trotz der Einsetzung von Soldat:innen unmöglich macht, die Situation zu überblicken. Dass es keinen Überblick über die Situation gibt, führt dazu, dass die Politik im besten Fall im Dunkeln tappt.
Dramatische Situation in Schulen und Unis
Auch in Universitäten und Schulen ist die Situation zugespitzt. In Schulen gibt es vor allem einen krassen Personalmangel, der dazu führt, dass Klassen nicht geteilt werden können. Auch an professionellen Belüftungsgeräte wird massiv gespart, die nur 1% von dem Geld kosten würden, was für die Rettung der Wirtschaft ausgegeben wurde. Es gibt auch keinen Überblick über die Gesamtzahl. In Frankreich gibt es schon massive Proteste von Schüler:innen und auch in Deutschland spitzt sich die Lage weiter zu.
In Onlineseminaren und Vorlesungen zeigt sich, wie schlecht die Universitäten vorbereitet sind. Server brechen zusammen, Gruppenarbeit ist unmöglich und die Prekarisierung steigt weiter. Eine Antwort, die die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gibt, will zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Den Lehrer:innenmangel an Grundschulen will Ilka Hoffmann, GEW-Vorstandsmitglied Schule, vor allem durch Student:innen lösen. In der „Rheinischen Post“ antwortet sie auf die Problematik: „Deshalb sollten unter anderem Studierende gewonnen werden, die die Schulen auf Honorarbasis unterstützen und auf Anleitung der Lehrkräfte kleine Gruppen betreuen.“ Hier wird die Prekarisierung überhaupt nicht bekämpft, sondern nur ausgeweitet. Bei Bezahlung auf Honorarbasis können jeden Monat aufs neue die Verträge gekündigt werden und es gibt keine Bezahlung, nicht mal Kurzarbeiter:innengeld, welches sowieso ausläuft.
Für einen Kampfplan der Arbeiter:innen gegen Pandemie, Regierung und Kapital
Mit der aktuellen Situation ist kein Abflachen der zweiten Welle in Sicht und es werden keine Maßnahmen getroffen, die eine mögliche dritte Welle wirksam verhindern könnten. Die steigende Zahl neuer Coronavirus-Infektionen in Deutschland sorgt für die Verschärfung von Pandemieregeln, als auch der sozialen Widersprüche im ganzen Bundesgebiet. Doch weiterhin haben die Regierungen vor allem die Aufrechterhaltung der Profite im Sinn, nicht den Gesundheitsschutz der Massen. Deswegen brauchen wir einen Kampfplan der Arbeiter:innen gegen die Pandemiepolitik der Regierung und der Bosse.